Dienen wie die Bienen

– das tun zwei junge Imker aus Deutschland und der Schweiz seit Jahren. Zum einen weil sie die bedrohten Bienen retten wollen. Zum anderen weil sie ihr Herz an die winzigen Geschöpfe verloren haben, die uns Menschen in so vielem Vorbild sein sollten.

Das tiefe Summen von Millionen Insektenflügeln erfüllt die Luft. Und Mandelbäume in voller Blütenpracht, so weit das Auge reicht. „Hören Sie es? Das ist der Klang des Geldes. Geld, das frisch aus der Druckerpresse flattert“, erklärt der Mann mit einem Grinsen. 600‘000 US-Dollar bekommt der amerikanische Bienenzüchter für den unersetzlichen Dienst, den seine emsigen Mitarbeiterinnen allein auf dieser einen Plantage leisten. Viertausend Bienenvölker hat er dafür auf Lastwagen quer durch die USA nach Kalifornien ge­­karrt, wo achtzig Prozent der weltweiten Man-delernte eingebracht wird. Ohne die Be­­stäubungsarbeit der insgesamt vier Milliarden angemieteten Bienen wären die riesigen Monokulturen allerdings so steril wie ein Orangenbäumchen aus Plastik.

Bienen sind blütentreu und stellen sicher, dass die Pollen zur gleichen Art gelangen.

Bienen sind blütentreu und stellen sicher, dass die Pollen zur gleichen Art gelangen.

Unser Herr über sechzig bis hundertundzwanzig Millionen Bienen – so genau weiß er das nicht – ist längst zu einem Großindustriellen geworden und seine Zucht in weiten Teilen zur maschinellen Fließbandarbeit mutiert. Anders lassen sich die fünfzehntausend Bienenvölker nicht mehr gewinnbringend bewirtschaften. Der Mann ist Imker in dritter Generation und bekennt: „Sähe mein Großvater, wie ich heute mit den Bienen umgehe, dann würde er mir wohl vorwerfen: ‚Du hast deine Fürsorge und Beziehung zu den Bienen verloren.’ Und es stimmt ja auch irgendwie. Wir haben unsere Seele verkauft.“ ‚But the show must go on’, wie man in Amerika sagt. Und in diesen wirtschaftlich unsicheren Zeiten steht ökonomisches Wachstum und Geldverdienen an erster Stelle. „So ist das Leben.“ Sagt’s und zuckt mit den Schultern.

Eines tut ihm aber schon in der Seele weh. Dass nämlich die Mandelbauern gezwungen sind, ihre in endlosen Reihen stehenden Bäume mit Pflanzenschutzmitteln zu besprühen. Idealerweise würde man das ja nachts machen. Aber dann sehen die Sprühwagenfahrer nichts. Also regnet die giftige Fungizid-Dusche tagsüber auf die Bäume. Wenn die Bienen fliegen. Viele der pelzigen Insekten fallen vor weißlichem Schleim tropfend von den Blüten, doch nur wenige sterben daran. Die meisten bringen das gegen Pilze gedachte Gift mit den Blütenpollen zum Stock zurück. Neunzehn Tage später ist die gesamte Brut tot. Das sei eine Folge von „Gier und Angst“ – Gebote, denen auch  er gehorchen müsse, wenn er erfolgreich sein wolle, sagt der Imker. Doch seine Augen sind traurig.

Ganz anders die Augen der beiden jungen Männer, die wir an einem sonnigen Wintertag treffen, um über ihre Leidenschaft zu sprechen: die Imkerei. Ihre Augen funkeln und sprühen vor Begeisterung, als sie von den unscheinbaren Tierchen erzählen, die indirekt für ein Drittel der Gesamternte verantwortlich sind, welche weltweit verspeist wird. Der eine kommt aus Berlin und hat gerade ein Ökologiestudium abgeschlossen, der andere ist ein Bauernsohn aus der Zentralschweiz, der sich mit sechzehn Jahren seinen eigenen Bienenwagen baute. Umweltexperte Sebastian Hausmann (26) ist ein feingliedriger Lockenkopf, der leise und mit würdevoller Zurückhaltung über seine mittlerweile vier Jahre als „Hobbyimker mit Leib und Seele“ spricht. Lukas Dossenbach (23) hingegen ist ein kräftiger Naturbursche und Handwerker, dessen Hände fest zupacken können. Die Treuherzigkeit im Blick lacht er gerne und viel und scheint auf den ersten Blick so ganz anders zu sein als der leise Deutsche. Doch das ändert sich schnell, sobald die beiden Freunde von ihren summenden Lieblingen erzählen.

Lukas, der sich selbst als „passionierten Imker“ bezeichnet, steckte in einem Alter, wo andere Pubertierende den Aufstand proben, lieber Bienenstiche ein (wenn es sich denn nicht vermeiden ließ): „Vor Jahren stellte ein Imker seine Bienenkästen auf dem elterlichen Bauernhof auf. Eines Tages fragte er mich, ob ich nicht mal mitkommen und ihm über die Schulter schauen möchte. Die Bienen hatten es mir Vierzehnjährigem sofort angetan und so überlegte ich nicht lange, als er mich fragte, ob ich nicht mein eigenes Bienenvolk möchte.“ Lukas besuchte Imkergrundkurse und lernte viel von den erfahrenen Imkern, obwohl ihn seine Liebe für die Bienen heute sagen lässt, „dass ich manches, was man uns in diesen Kursen beibringt, nicht mehr für richtig halte.“ Dem pflichtet Sebastian Hausmann bei: „Vieles was der konventionelle Imker tut, stört die Harmonie im Bienenvolk. Dazu gehört beispielsweise die Zuckerfütterung, oder dass wir den Bienen vorgeben, wie sie ihre Waben zu bauen haben. Auch entscheiden wir Imker in der Regel, wann wir ein Volk teilen oder aus wie vielen Völkern wir ein neues machen. Damit bringen wir die Ordnung der Bienen durcheinander und ich glaube, dies hat auch eine energetisch schwächende Wirkung auf sie.“

Sebastian wollte sein ganzes junges Leben lang schon die Natur schützen. Deshalb studierte er neben Ökologie auch Naturschutz und Landschaftsplanung. An der Hochschule beschäftigte er sich intensiv mit der Bestäubung – der vielleicht wichtigsten ‚Dienstleistung’ der Natur – sowie den Bienen. Und dem mysteriösen Verschwinden ganzer Bienenvölker. Bücherwissen allein reichte Sebastian nicht aus. Er wollte Erfahrungen aus erster Hand und besuchte 2010 während des Studiums einen Imker. Diese Erfahrung sollte sein Leben verändern: „Als ich mitten unter den um mich schwirrenden Bienen stand und zum ersten Mal eine Bienenwabe in Händen hielt, da fühlte ich, dass ein Bienenvolk im eigentlichen Sinn ein individuelles Lebewesen ist. Dieses Gefühl hat mich so tief in meinem Innern berührt, dass ich mich seither für die Bienen einsetze, wo ich nur kann.“

Lukas Dossenbach und Sebastian Hausmann kämpfen für die Bienen.

Drei große Jungs, die sich prächtig verstehen. ZeitenSchrift-Interviewer Raphael Seiler (li.) und die Imker Lukas Dossenbach aus der Zentralschweiz und Sebastian Hausmann (re.) aus Berlin.

ZeitenSchrift: Was fasziniert Euch beide an den Bienen?

Lukas Dossenbach: Ihr soziales Zusammenleben. Alle sind sie zu einem größeren Ganzen miteinander verbunden. Eine Biene hat einen festgelegten Lebenslauf. Zu Anfang pflegt sie die Brut und arbeitet im Stock. Dann ist sie irgendwann Wächterbiene und zum Schluss fliegt sie aus, um die Nahrung für sich und ihre Artgenossen zu sammeln. Jedes Individuum dient vom ersten bis zum letzten Tag selbstlos seinem Volk. Zum Sterben verlässt die Biene schließlich den Stock, um diesem nicht zur Last zu fallen. Ihr Leben dient indes nicht nur dem Fortbestand ihres Volks, sondern hat dank der Bestäubung eine große Bedeutung für die ganze Natur. Wir Menschen könnten viel von den Bienen lernen, wie eine Gesellschaft miteinander umgehen sollte. Außerdem sind sie überaus faszinierende Wesen. Man kann jahrzehntelang mit ihnen arbeiten und lernt als Imker doch immer wieder Neues über sie. So baut sich mit der Zeit ein inniges Verhältnis zwischen Mensch und Tier auf.

Sebastian Hausmann: Ich habe mich den Bienen durch das Studium auch von der wissenschaftlichen Seite her genähert und gelernt, wie sie miteinander kommunizieren, sich orientieren und welch hohe Intelligenz in Wahrheit hinter ihrem Wesen steckt. Forscher haben sogar herausgefunden, dass jede Biene in der Lage ist, vorauszuplanen und eigenständig Entscheidungen zu treffen. An­­­­­­­dererseits ist die Temperaturregulierung im Bienenstock das Resultat erstaunlicher Teamarbeit. In der Regel halten die Bienen im Brutraum eine Wärme von exakt 37 Grad Celsius aufrecht, was auch unserer Körpertemperatur entspricht. Doch je nach Bedarf passen sie die Bruttemperatur an und fördern damit gezielt verschiedene Eigenschaften der heranwachsenden Bienen. Zum Beispiel entwickeln sich dann be­­stimmte Drüsen deutlich besser, die künftigen Bienen werden mehr Wachs produzieren können oder ihre Brutzeit wird deutlich verkürzt.

Wie viele Bienenvölker besitzt ihr?

Lukas: Ich betreue zurzeit zehn Völker. Acht habe ich in meinem Bienenhaus, welches Platz für zwölf Völker bietet, untergebracht; zwei Völker wohnen jetzt direkt vor meiner Haustür. Als ich vom Elternhaus in das etwas abseits auf einer Wiese stehende ‚Stöckli’ [ein kleines Häuschen ganz aus Holz] eingezogen bin, habe ich gemerkt, dass mir etwas Wichtiges fehlt. Ich brauche einfach die Nähe zu meinen Bienen und freue mich jeden Morgen aufs Neue, wenn ich aus dem Haus trete und als Erstes die Bienen herumfliegen sehe. Sie sind es auch, die mich am Abend begrüßen, wenn ich von der Arbeit nach Hause komme.

Sebastian: Momentan bin ich für vier Völker verantwortlich, doch werden es in diesem Jahr bestimmt wieder sechs sein. Meine Bienenkästen stehen frei im Garten einer befreundeten Familie, die am Stadtrand von Berlin wohnt. Ich plane allerdings, sie in die Stadt mitzunehmen und auf einem Hausdach anzusiedeln.

Bienen mitten in der Stadt?

Sebastian: Heutzutage haben wir eine Umwelt geschaffen, in welcher wir tatsächlich in der Stadt mehr Honig ernten als auf dem Land und es den Bienen in der Stadt scheinbar besser geht. In Städten haben sie vielfältigere Nahrungsgrundlagen, weil ständig irgendwelche Pflanzen blühen. Wegen der vorherrschenden Monokultur im Landbau und der oft ausgeräumten – also von ‚Unkräutern’ gesäuberten – Landschaft haben die Bienen auf dem Land lange Zeit kaum Nahrungsquellen, weil nichts blüht. Zudem werden in der Stadt keine Pflanzenschutzmittel eingesetzt und die Temperaturen sind wärmer. Städtische Imkerei ist fast schon ein Boom und ich denke, das ist gut so, weil es die Menschen wieder näher zur Natur bringt. Andererseits weisen bewohnte Gebiete natürlich mehr Elektrosmog auf, was die Kommunikation der Bienen stört.

 In den letzten Jahren ist es weltweit zu einem Massensterben der Bienen gekommen. Seid ihr auch davon betroffen?

Lukas: Glücklicherweise nicht. Jährlich stirbt ungefähr ein Zehntel einer Bienenpopulation. Das wird als normal betrachtet, weil ein Bienenvolk irgendeinmal halt auch sterben kann. Doch manche Imker haben bis zu neunzig Prozent ihrer Bienen verloren. Das ist erschreckend.

Sebastian: Da ich erst seit vier Jahren Imkerei betreibe, habe ich keine große Erfahrung damit. Doch ich weiß, wie eine Biene aussieht, die an der Varroamilbe gestorben ist. Diese Milbe wurde vor ungefähr vierzig Jahren aus Asien eingeschleppt, weshalb die europäischen Bienen keine richtige Abwehr gegen sie entwickelt haben. Die varroa destructor, so ihr passender la­­teinischer Name, schädigt vor allem die Brut und gilt als Hauptursache beim Bienensterben. Nur: Erstmals wurde die Varroamilbe bereits 1977 in Deutschland nachgewiesen, doch erst seit wenigen Jahren sind wir mit einem solch dramatischen Bienensterben konfrontiert. Also müssen die Bienen durch etwas anderes so ge­­schwächt sein. Vor zwei Jahren habe ich drei meiner sechs Völker verloren. Bei zwei Stöcken waren die Bienen tatsächlich verschwunden und hatten Brut und Vorräte einfach zurückgelassen – sie waren mitten im Winter ausgeflogen. Genau dieses Phänomen tritt beim heutigen Massenbienensterben häufig auf. Dabei spielen viele Umstände eine Rolle, doch meiner Meinung nach gibt es einen Schlüsselfaktor: technische Strahlung, vor allem Mobilfunk. Heute wissen wir, dass Bienen auf feinste elektromagnetische Schwingungen und Felder reagieren. Sie können auch Mobilfunkfrequenzen wahrnehmen. Das stört ihre Orientierungsfähigkeit und setzt sie unter Dauerstress. Dieser schwächt – wie beim Men­­­­schen auch – ihr Immunsystem. Und dann können alle anderen Faktoren wie schlechte Nahrungsgrundlagen, Umweltgifte oder Milben viel verheerender wirken.