Terra Preta: Das Geheimnis der fruchtbaren Erde aus dem Regenwald

Die industrielle Landwirtschaft hat aus fruchtbaren Äckern Wüsten gemacht. Doch binnen kurzer Zeit können daraus wieder fruchtbare, beste Böden entstehen. Über das Wunder der Terra Preta, der „Schwarzen Erde“.

Terra Preta

In einer Handvoll gesunder Erde leben mehr Organismen als Menschen auf der Welt.

Die Aufregung war groß, als Forscher vor wenigen Jahrzehnten im Amazonasgebiet begannen, sich mit der wahrscheinlich fruchtbarsten Erde der Welt zu beschäftigen – mit der „Terra Preta“, portugiesisch für „Schwarze Erde“. Sie wurde von Menschen gestaltet und hat seit Jahrtausenden – die ältesten derartigen Böden sind rund 8’000 Jahre alt – nichts von ihrer herausragenden Qualität verloren. Kernelement ist Biokohle (meist Holzkohle), die im Boden offensichtlich fast ewig stabil bleibt und die für eine anhaltende Speicherung von Nährstoffen sowie Wasser sorgt. Weitere Bestandteile sind Kompost, Tonscherben jeder Größe, menschliche und tierische Ausscheidungen, organische Abfälle einschließlich Knochen und Gräten sowie vermutlich aquatische Biomasse wie Algen. Diese Mischung sorgte und sorgt für wesentlich höhere Konzentrationen an Kalzium, Magnesium, Phosphor und Kalium als in umliegenden Böden. Auch wurde entdeckt, dass in diesen Schwarzerdeböden überdurchschnittlich viele Pilze vorkommen, die das Pflanzenwachstum begünstigen.

Die Leistungen der Terra Preta sind vielfältig: Sie kann Stickstoff und Kohlenstoff aus der Luft sehr gut im Boden binden, der Humusgehalt bleibt über lange Perioden stabil, durch die enorme innere Oberfläche der Biokohle und den erhöhten Humusgehalt bleiben die in den Boden eingebrachten Nährstoffe pflanzenverfügbar und gehen nicht verloren, die Wasseraufnahme und -speicherung ist enorm hoch und die Erträge sind um ein Vielfaches höher als in der Umgebung. Weiterhin kann sie sich sogar selbst regulieren. Als nach der Entdeckung Bauern begannen, diese Erde zu vermarkten, waren binnen weniger Jahrzehnte ganze Gebiete leergeräumt. Nachdem die brasilianische Regierung aus Angst um diesen „Schatz des Amazonas“ ein Exportverbot erließ, wuchs die abgebaute Erde binnen zehn bis zwanzig Jahren wieder nach! Das Phänomen ist bis heute nicht ganz geklärt, es wird vermutet, dass dies u. a. mit der bestens funktionierenden Mikrobiologie der Terra Preta zu tun hat.

Wie diese Böden entstanden sind, ist ebenfalls noch weitgehend unbekannt. Das Wissen darüber „ging mit der Ausrottung der Ureinwohner des Amazonasgebietes verloren“, schreibt Gerald Dunst, Bodenexperte der Ökoregion Kaindorf in der Steiermark, in seinem Buch Humusaufbau – Chance für Landwirtschaft und Klima. Eine Hypothese geht davon aus, dass Biokohle gemeinsam mit organischen Abfällen kompostiert wurde.

Terra Preta bald auch bei uns?

Von Menschen gemachte Schwarzerde mit sagenhaften Eigenschaften – die Entdeckung aus dem Amazonasgebiet sollte ein Signal für die ganze Welt sein. Der Landwirt Herbert Mietke aus Lindendorf bei Seelow in Brandenburg ist einer der ersten, der auf diese Weise seine sandigen Böden verbessern wollte. Deren Humusgehalt belief sich auf lediglich 0,7 Prozent, was Wüstenböden entspricht. Dementsprechend schlecht waren die Erträge, und das Wasser konnte nach Niederschlägen nur äußerst schwach aufgenommen werden.

Vor drei Jahren brachte er in Zusammenarbeit mit Bruno Glaser von der Universität Bayreuth auf einem Hektar 30 Tonnen Kompost und bis zu 20 Tonnen Biokohle (= Holzkohle) in den obersten Boden ein. Der Kompost liefert durch Mineralisierung Nährstoffe, welche von der porösen Biokohle ebenso gehalten werden wie Wasser. Die Ergebnisse lassen sich schon jetzt sehen: Der Humusanteil verdreifachte sich auf 2,0 Prozent, die Wasserspeicherfähigkeit konnte verdoppelt und der Ertrag um 40 Prozent gesteigert werden.

„Es ist noch viel mehr möglich“, meint Glaser, der inzwischen an der Universität Halle/Wittenberg als Professor tätig ist. Er glaubt daran, den Humusgehalt mit regelmäßigen und maßvollen Humus-Biokohle-Gaben auf vier bis acht Prozent steigern zu können. Generell sehe er „viel Potenzial für die Landwirtschaft“. Patentrezepte gebe es z.B. wegen der Verschiedenartigkeit der Böden und der vorhandenen Materialien keine: „Wir wollen herausfinden, wie Prinzipien funktionieren und wollen Stoffströme so optimieren, dass es Leuten möglich ist, ohne großen Aufwand selbst fruchtbare Böden nach dem Prinzip der Terra Preta zu generieren.“

Fruchtbare Böden würden auch Kunstdünger sparen; eine Ersparnis im eigentlichen Sinn, da in den kommenden Jahren mit den Energiepreisen und den sich langsam zu Ende neigenden Phosphor-Reserven auch die Düngerpreise mit ansteigen würden. „Bei Landwirten, die mit Humusaufbau arbeiten, herrscht Aufbruchstimmung. Es könnte damit auch dem Problem der Abwanderung aus ländlichen Räumen entgegengewirkt werden“, beschreibt Glaser eine weitere Hoffnung.

Pionier in der Biokohle-Forschung ist der Biowein-Versandhandel Delinat bzw. das Delinat-Institut für Ökologie und Klimafarming. Dieses startete im Frühjahr 2011 den nach eigenen Angaben bislang mit Abstand größten Biokohle-Netzwerkversuch. Mit dabei sind rund ein Dutzend Bioweingüter quer durch ganz Europa, die jeweils einen Hektar für die Erforschung von Biokohle als Bodenverbesserer, Nährstofflieferant und Klimagas-Bremse zur Verfügung stellen. Abgeschlossen ist bereits ein 2007 angelegter Versuch am Delinat-Institut in der Schweiz. Die Ergebnisse „deuten darauf hin, dass der Einsatz von Biokohle insbesondere die Wasser- und Nährstoffverfügbarkeit verbessert, was zu Qualitätsverbesserungen und weiteren Vorteilen führt“, heißt es.

Diese Vorteile sind vielfältig: Erhöhung der Widerstandsfähigkeit der Reben und damit Reduktion von Pflanzenschutzmitteln; Stimulation der mikrobiellen Bodenaktivität; Reduktion des Düngemitteleinsatzes; Verbesserung des Geschmacks, der Nährstoffgehalte und der Haltbarkeit des Erntegutes sowie eine Verringerung von CO2-Emissionen und Grundwasserbelastung.

Angesichts der heutigen Situation ist es höchste Zeit, alle Möglichkeiten zur Bodenverbesserung auszuschöpfen und uns der Bedeutung des Humus bewusst zu werden, auch im eigenen Garten. Humus – im engeren Sinne – ist die „tote“ organische Bodensubstanz, also alles, was einmal gelebt hat. Sie ist durch Umsetzungsprozesse der im Boden lebenden Organismen – von Bakterien bis Regenwürmern – entstanden. Humus ist wiederum von zentraler Bedeutung für die Lebensbedingungen dieser Bodenlebewesen, für die Wasser- und Nährstoffspeicherung des Bodens. Wussten Sie, dass in einer Handvoll gesunder Erde mehr Organismen leben als Menschen auf der Welt? Von dem Wohlergehen der Pilze, Bakterien, Milben, Springschwänze, Schnecken, Ohrwürmer, Asseln und Regenwürmer hängt auch unser Wohlergehen ab: Manche Organismen machen die Blatthaut weich, andere öffnen sie, die nächsten fressen Löcher in die angemoderten Blätter, welche die Regenwürmer schließlich zusammen mit Erde fressen und über ihren Kot beste, fruchtbare Humuserde produzieren.

Die industrielle Landwirtschaft verursacht Wüsten

Ohne Humus kein Leben, ohne gesunde Böden mit ausreichend Humus keine gesunden Pflanzen, ohne gesunde Pflanzen keine gesunden Tiere und Menschen. Weltweit hat die industrielle Landwirtschaft den Böden und damit dem Humusgehalt schwer zugesetzt – jahrzehntelang wurde die organische Substanz der Äcker geringer und geringer. So werden bei einem herkömmlich bewirtschafteten Maisacker mit zehn Prozent Hangneigung pro Hektar und Jahr etwa 15 bis 20 Tonnen Boden abgetragen – rund zehnmal mehr, als durch Humusaufbau an Boden neu gebildet wird. Zwar soll es in den vergangenen Jahren erstmals zu einer Trendumkehr gekommen sein, für einige Experten ist das jedoch viel zu wenig. Der niedrige Humusgehalt mache die Äcker laut internationaler Klassifizierung zu Wüstenböden, erklärt beispielsweise der Boden- und Biomassespezialist August Raggam, über Jahrzehnte Dozent an der Technischen Universität Graz: Ursprünglich hätten die heimischen Böden aus mindestens 60 Kilogramm Humus pro Quadratmeter bestanden. Unter 10 Kilo Humus spreche man bereits von Wüstenböden – und im deutschsprachigen Raum enthielten Böden meist nicht mehr als 8 Kilo Humus pro Quadratmeter. „Unsere gesamten europäischen Ackerböden sind Wüsten. Wir sind damit am unteren Limit. Das versucht man, zu vertuschen.“ Ein Trick verschleiere das wahre Ausmaß des Humusmangels: Früher habe man die analysierte Bodenprobe aus einem halben Meter Tiefe geholt, jetzt seien es nur mehr 20 Zentimeter. „Wenn ich die Tiefe halbiere, verdoppele ich die Prozentsätze.“

Humusaufbau funktioniert nur, wenn das Bodenleben intakt ist. „Der Boden ist das Verdauungsorgan – der Magen – der Pflanze. Wenn wir den „Magen“ überlasten, dann kriegt der Boden Durchfall, die Pflanze kriegt Probleme“, erklärt der Schweizer Kompostberater Urs Hildebrandt im Film Humus – die vergessene Klimachance (zum Thema „Klima“ siehe Textbox). Ganz schlecht ist z.B. der Einsatz unbehandelter Gülle, die zu Grundwasserproblemen und dem weitgehenden Verschwinden der aeroben (sauerstoffliebenden) Mikroflora führt. Denn gerade diese Mikroflora ist die „Hilfsarbeiterin für die Pflanzen“ und nur sie kann Humus aufbauen. „Die aeroben Lebewesen haben ähnliche Bedürfnisse wie Menschen und Tiere: Sie brauchen Sauerstoff, Nahrung und Wasser – dann setzen diese Organismen die Organik des Bodens in einer optimalen Art und Weise um“, ergänzt Hildebrandts Frau Angelika, als Ökologin ebenfalls Expertin auf dem Gebiet. Eventuell entstehende giftige Substanzen werden schnell abgebaut. Dementsprechend wichtig ist es, einen aeroben Prozess beim Kompostieren zu gewährleisten.

Dass es mit Humusaufbau sogar möglich ist, die Wüste zu begrünen, zeigt das in der ZeitenSchrift-Druckausgabe Nr. 50 vorgestellte Sekem-Projekt des Alternativ-Nobelpreisträgers Ibrahim Abouleish. Auf Wüstenböden wurde sukzessive, durch eine ausgeklügelte Kompostwirtschaft, eine insgesamt ca. 30 cm dicke Humusschicht aufgebaut. Mittlerweile arbeiten im Sekem-Hauptbetrieb über 2’000 Menschen nach biologisch-dynamischen Grundsätzen. So wurde Sekem zum ganzheitlichen Vorbild für Ägypten und darüber hinaus.

Leserstimmen zum Artikel

Vielen Dank für die wertvollen Artikel, die Ihr immer auf die Beine stellt. In der neusten Ausgabe (ZeitenSchrift-Druckausgabe Nr. 70) hat mir der Artikel Terra Preta: Das Geheimnis der fruchtbaren Erde aus dem Regenwald sehr gefallen. Ich bin selber Gärtnerin und habe dieses Jahr einen Versuch gemacht. Aufgrund meines Berufes hab ich schon manch qualitativ guten und schlechten Humus in den Händen gehabt. Auch lasse ich mich nicht gleich von jedem neuen "Trend" beeinflussen. Doch als ich diese Erde das erste mal in die Hände nahm und daran roch, konnte ich förmlich die Aktivität in dieser Erde fühlen. Ich gab die Erde dann meinen Tomaten, mit dem Resultat, dass ich noch nie so schnell wachsende und gesunde Tomaten hatte. Diese Erde wird nun ein Bestandteil in meinem kleinen Reich.

B. von Bergen