Kunst: Zwischen Irrsinn und Ideal

Verdient Kunst, die wie Kindergekritzel aussieht, diesen Namen? Und falls nicht - wie geschah es, daß die Kunst in die Irre ging? Und wie sieht ihre Zukunft aus? Denn laut einem Eingeweihten ist "nichts für die Menschen wesentlicher als die Kunst."

Bild von Soham Holger GerullKann man, darf man als Laie über Kunst schreiben? Lehrt uns nicht die Kunstkritik, daß Otto Normalverbraucher Kunstbanause und des ‚richtigen' Urteils gar nicht fähig ist? Wie sagte es doch der Papst der deutschen Kunstbetrachtung, der Professor für Nichtnormative Ästhetik, Bazon Brock? "Wer also behauptet, gegenständliche Bilder verstünde er, nichtgegenständliche aber nicht, der gibt mit dieser Aussage vor allem zu verstehen, daß er überhaupt nichts verstanden hat. Denn es gibt keinen unmittelbaren Zugang zur Kunst, und es gab nie einen. Bilderlesen will gelernt sein. Punkt." Also lassen wir die Finger von diesem sakrosankten Thema, bei dem wir uns als definitiv als Bilder-Analphabeten bloßstellen werden. Oder? Könnte unsere banausenhafte Vermutung, daß das übliche Kunstpublikum, welches man auf Kunstmessen und in Kunstgalerien antrifft, der Bilderlesesprache genauso unkundig ist wie wir, dies jedoch nicht zuzugeben wagt - und deshalb die Kleider eines Kaisers bewundert, der allzuoft nichts weiter als nackt ist -, ein Körnchen Wahrheit enthalten - oder ist es nur ein weiterer Beweis dafür, daß wir uns mit diesem Artikel der Bilderschändung schuldig machen werden?

Sie sehen: Ich schreibe selbst schon fast so geschraubt wie die geweihte, erhabene Kunstbetrachtungskaste, die in einem weit entfernten Intellektuellenhimmel über unseren schlichten Gemütern thront - unseren Gemütern, die vor unmittelbaren Gefühlsreaktionen nicht gefeit sind. Ich gestehe: Wenn ich etwa über Damien Hirsts Ausstellungsobjekte - entzweigeschnittene, in Formaldehyd konservierte Kühe und Kälber, oder, schlimmer noch, ein Container mit Maden und das sich zersetzende Gehirn einer Kuh - lese, dann besteht mein ganzer Kunstverstand aus Ekel, Abscheu und Übelkeit, und wenn Maurizio Cattelan es als besonders humorvolle Kunst betrachtet, ein totes Pferd an die Decke zu hängen, nur weil sein Name zu Lebzeiten ‚Tiramisu' (italienisch für ‚zieh mich hoch') war, dann bleibt mir das Lachen im Halse stecken.

Hymne an ein Phantom

Im ‚Stern' erschien 1998 eine kleine Notiz, die meine Vermutung, daß das Kunstpublikum manchmal gescheiter tut als es ist, auf köstliche Weise untermauerte: "Die Kunstwelt war begeistert: Der britische Schriftsteller William Boyd hatte eine Biographie des Malers Nat Tate geschrieben; als sein Verleger David Bowie das Werk in New York vorstellte, drängelte sich die versammelte Kultur-Schickeria. Jeff Koons und Paul Auster, Jay McInerney und Julian Schnabel feierten den toten Künstler, der sich mit 31 Jahren von der Staten-Island-Fähre in den Hudson-Fluß gestürzt haben soll. Ein bekannter Kunstkritiker lobte den unglücklichen Maler: ‚Nicht rasend begabt, aber interessant.' Und steht jetzt leider blamiert da - wie alle anderen Gäste. Denn Nat Tate hat es nie gegeben. Seine Biographie hat der Autor William Boyd schlicht erfunden, die meisten der gelobten Bilder im Buch selbst gemalt. Dieser literarische Streich ist das eigentliche Kunstwerk."(Stern 17/98).

Und keiner hatte den Mumm, zuzugeben, daß er noch nie von Nat Tate gehört hat - und seine Kunst vielleicht nicht soooo rasend brillant findet! Im Buch ‚Geistiges und künstlerisches Schaffen' von Omraam Michael Aivanov findet sich eine ähnliche Episode: "In England stellte vor einigen Jahren ein Maler abstrakte Gemälde aus, die das Entzücken aller Kritiker hervorriefen", erzählte der bulgarische Meister seinen Schülern im Januar 1986. "Nachdem der Maler die üblichen Komplimente und Glückwünsche entgegengenommen hatte, gestand er, was wirklich geschehen war. Eines Tages verließ er sein Atelier, und die Katze blieb dort eingesperrt zurück. Zum Zeitvertreib tauchte sie Schwanz und Pfoten in die Farbdosen und spazierte auf der Leinwand hin und her. So waren mehrere ‚abstrakte Gemälde' entstanden, diejenigen eben, die in der Ausstellung zu sehen waren. Die Kritiker waren natürlich außer sich ob der eigenen Lächerlichkeit: Sie hatten den Gemälden einer Katze Bewunderung gezollt... eine Katze, stellt euch das vor! Unter solchen Umständen vermag der erste beste, sogar ein Baby, irgend etwas zu produzieren und auszustellen." Womit wir bei der ‚banausenhaften' Volksmeinung angelangt wären, daß Kunst eigentlich von ‚Können' kommt, und es schön wäre, ein Gemälde würde etwas enthalten, was ein Baby oder eine Katze nicht kann.

Doch wohin gelangen wir damit? In den Ruch, alles, was nicht gegenständlich ist, als ‚entartet' zu geißeln? Nur eine Blut-und-Boden-Kunst gut zu finden, die fest an Scholle und Traktor klebt? Natürlich nicht! Denn ‚Gut' und ‚Böse', um diese archaischen Begriffe zu gebrauchen, liegen weniger im Bildinhalt, als in der Motivation und Ausrichtung dessen, der den Bildinhalt geschaffen hat. Wobei sich die wenigsten Schöpfer depressiver Gemälde sich der Tragweite ihres Tuns bewußt sein dürften.

Die Leinwand als Psychiater

"Bei Künstlern wird Extravaganz groß geschrieben. Je mehr Macken, Marotten und Malaisen einer hatte, desto besser." Der dies sagt, wird als ‚Künstlerfürst' oder ‚Kunst-Rebell' hofiert und heißt Georg Baselitz. Sein Markenzeichen sind Bilder, die auf dem Kopf stehen. Baselitz sagt auch: "Ich brauche keinen Arzt. Ich habe die Leinwand und Selbstbewußtsein." - "Seine Holzplastiken - manchmal kaum zu unterscheiden von den Figuren seiner Afrika-Sammlung - scheinen zu entstehen, indem sich der Bildhauer mit Kettensäge, Axt oder Stechbeitel brutal an dem wehrlosen Holzstamm austobt und so rohe, wie zerstückelt wirkende Figuren schafft", schreibt die Zeitschrift ‚Madame' in einem Baselitz-Porträt (September 2003). "Meine Gemälde passen nicht zu den Bildern, an die sich die Leute gewöhnt haben", sagt er. "Als Künstler müssen Sie diese Harmonie, die angeblich herrscht, kaputt machen. Als Maler müssen Sie zerstören."

Die Künstler des 20. Jahrhunderts beanspruchten für sich die totale Moral-, Regel- und Zügellosigkeit. Daß diese fatalerweise auch in Selbstzerstörung enden kann, erlebt gegenwärtig gerade Professor Jörg Immendorff: "Jeder, der mich kennt, weiß, daß ich mindestens zwölf, dreizehn Stunden am Tag male. Und das die letzten Jahrzehnte. Am Wochenende war ich Quartalssäufer, wenn Sie so wollen, bis zu 27 Tequila Sunrise. Ich war gut im Nehmen, bin nie umgefallen. Keiner hat mich torkelnd, lallend oder aggressiv erlebt. Und jetzt sieht es so aus, als würde ich jeden Tag 30 Gramm Kokain schnupfen." (‚Bunte' 37/2003). Immendorff wurde im August 2003 in einer Hotelsuite überrascht, wo er mit neun Prostituierten und elf Gramm Kokain, schon zu nasefertigen Linien ausgelegt, eine Orgie feierte. Sein Körper leidet an ALS, einer tückischen Muskellähmung, an der man ersticken kann, wenn die Atemmuskulatur zusammenbricht. Der linke Arm, mit dem er stets malte, hängt völlig bewegungsunfähig herunter, mit dem rechten Arm kann er nur noch unter großer Konzentration und Anstrengung ein Gemälde zustande bringen. Fünfmal schon wurde ihm in der Uniklinik mit einem Katheter bis zur Herzvorkammer sein gesamtes Blutplasma ausgetauscht. "Ich bin zwei Jahre über meine Zeit", sagt er. Immendorff ist 58 und war einst Schüler von Joseph Beuys.

Viele Fallen säumen den Pfad

Wer sich entschließt, sein Leben als Künstler zu verbringen, verläßt den Pfad gesellschaftlicher Sicherheit und setzt sich dem Leben aus. Er riskiert Armut, Ablehnung, Unverstandensein und Einsamkeit. Er nimmt all dies auf sich, um nach einer Essenz im Leben zu suchen und diese zum Ausdruck zu bringen. Der Pfad des Künstlers birgt daher große Entwicklungschancen in sich und ist nichts für schwache Naturen. Daß ein Künstler am Anfang seines Weges vor allem noch sich selbst sucht, ist daher verständlich. Doch irgendwann, nach einigen Jahren, sollte die Selbstsuche beendet sein und der Künstler sich nach einem Ideal ausstrecken. Irgendwann ist die Kindheit zu Ende, und man beginnt von sich selbst zu geben.

Unser großer Kunstreport zeigt eines deutlich: Kunst ist nicht wertfrei. Sie kann nicht nur den Künstler selbst zerstören, sondern auch jenen, der das Kunstwerk gekauft und bei sich in die Wohnung gestellt hat. Kinesiologische Tests bewiesen, daß Kunstwerke den menschlichen Körper energetisch stärken oder schwächen können. Dabei spielt nicht nur die Form oder der Bildinhalt eine Rolle - denn wie könnte sonst das Original eines bestimmten Künstlers den Körper energetisch schwächen, während eine von Auge nicht unterscheidbare Kopie den Organismus des Betrachters stärkt?
Wir bringen nicht nur einige Beispiele dieser Art, sondern erklären auch, wie dies möglich ist.

"Nichts ist wesentlicher als die Kunst"

Ein großer Eingeweihter der Menschheit sagte einst: "Nichts ist für den Menschen wesentlicher als die Kunst." Die Kunst habe als erste die Geschichte der Menschheit geprägt. Dann spielte die Religion die überwiegende Rolle; später gelang es der Wissenschaft, die Vormachtstellung zu erringen. "In der Zukunft - ich betone es nochmals", so der Weise weiter, "wird die Kunst wieder die Oberhand gewinnen."