Geld: Zwischen Gier und Glück

Ist es besser, mit Geld arm zu sein oder ohne Geld reich? Oder wie schafft man es, trotz Geld innerlich nicht zu verarmen – beziehungsweise reich zu werden, ohne dabei die Seele zu verkaufen?

GeldGeld ist immer so gut oder so schlecht wie der Mensch, der damit umgeht. Betrachten wir die bekannte Weltgeschichte, begreifen wir, weshalb die Bibel mit der Vertreibung aus dem Paradies beginnt. Wäre der Mensch noch immer gut, lebte er in einem Paradies, in dem Überfluß herrscht und nicht der Börsenkurs, welcher fatalerweise hin und wieder die Tendenz zum Kurssturz zeigt. Und was ist der Kurssturz? Ganz einfach Wertpapier auf dem Weg zu seinem Papierwert! Dies ist allerdings kein Artikel über die "bösen Reichen" kontra die "guten Armen", da es genauso viele gute Reiche wie böse Arme gibt und beide sich ihre Situation selbst erschaffen haben mit dem, was sie in früheren Leben taten oder eben nicht. So war manch ein Clochard unter dem Brückenpfeiler in einem vergangenen Leben ein hartherziger, egoistischer reicher Geizhals, während sich manch ein Reicher auf höchst edle und uneigennützige Weise in der Vergangenheit den Segen des Überflusses in diesem Leben verdient hat. Das sind dann jene Menschen, die Herren und nicht Diener des Geldes sind, die es sinnvoll, gerecht und zum Guten der Menschheit verwenden - während andere am Reichtum scheitern.

Wie Paul Getty, in den Sechziger Jahren noch als "reichster Mann der Welt" gepriesen, der sagte: "Wenn man kein Geld hat, denkt man immer an Geld. Wenn man Geld hat, denkt man nur noch an Geld" und dieser Geisteshaltung Ausdruck verlieh, indem er in seinen prächtigen Landsitzen überall Geldautomaten einrichten ließ. Wollten seine Gäste telefonieren, mußten sie eine Münze reinstecken - genauso, wie wenn es sie nach frischer Frotteewäsche oder einem Drink verlangte. Multimilliardär Getty hatte einen schlechten Tausch gemacht: Geld gegen Geist. Er kam mausarm im Jenseits an.

Geld ist besser als Armut, wenn auch nur aus finanziellen Gründen.

Woody Allen

In dieser Pointe des unglücklichen Komikers steckt mehr Weisheit, als er sich vermutlich hätte träumen lassen. Geld ist nur aus finanziellen Gründen besser als Armut. Man kann damit zwar vergängliche, aber keine ewigen Schätze kaufen. Freude, Liebe, innerer Friede, Gelassenheit, ein heiteres Gemüt sind weder käuflich noch transplantierbar. Viele Reiche neigen denn auch zum Grantigsein. Das Geld belastet sie nämlich, auch wenn sie es nie zugeben würden.

"Je kapriziöser man ist, je abhängiger man sich also von Dingen macht, desto ärmer ist man. Sehr viele reiche Leute sind daher sehr arme Menschen, weil sie ständig mit irgend etwas nicht zufrieden sind - das Seidenhemd ist nicht richtig gebügelt, der Chauffeur riecht nach Knoblauch und überhaupt. Besonders unter den Reichen gibt es überdurchschnittlich viele unglückliche Menschen", schreibt Alexander von Schönburg in seinem Buch Die Kunst des stilvollen Verarmens. Eigentlich heißt er mit vollem Namen Alexander Graf von Schönburg-Glauchau und hat zwei Schwestern, die reichlich mit Millionen gesegnet sind - Maya Flick und Fürstin Gloria von Thurn und Taxis. Beide widerstanden stets der Versuchung, ihrem kleinen Bruder finanziell unter die Arme zu greifen, selbst als dieser zum Heer der Arbeitslosen gehörte und zwar eine teure Rolex am Handgelenk trug - ein Geschenk des Sultans von Brunei - aber nicht wußte, wovon er die nächste Miete für die keineswegs fürstliche Wohnung bezahlen sollte.

"Ohne Geld reich werden kann man nur, wenn man alle seine Bedürfnisse darauf überprüft, ob man nicht ohne sie reicher ist. Braucht man, um eines von tausend Beispielen zu nennen, ein Handy? Oder ist Unerreichbarkeit ein Privileg, das sich allenfalls Leute wie Osama bin Laden leisten können?"

Die Phönizier haben das Geld erfunden - aber warum so wenig?

Johann Nepomuk Nestroy

Wohin entschwindet das Geld? Gibt es nicht immer weniger, wenigstens fürs breite Volk? Wer ist schuld, daß es in den Rachen der großen Gierigen verschwindet - auf Nimmerwiedersehen? Um auf Nummernkonti zu verschimmeln oder in solch unproduktive Güter wie Designerkleider, Schlösser, Jachten, Luxushobbies und Aufputschdrogen umgewandelt zu werden, die allesamt die Eigenschaft vermissen lassen, für viele sichere Arbeitsplätze zu sorgen? Warum erscheinen uns Menschen, die ihre Prinzipien für kein Geld der Welt verkauften, wie längst ausgestorbene, museale Fossilien? Sind wir vielleicht alle auf einen gigantischen Betrug hereingefallen, der uns weismachte, daß im Haben das Sein liegt?

"Glück hängt nicht davon ab, über wie viele Konten man verfügt. Es wird durch Reichtum nicht einmal sonderlich begünstigt", schreibt von Schönburg. "Viele reiche Menschen wissen das und sehnen sich nach dem ‚einfachen Leben'. Doch sosehr sie sich auch bemühen, sich von der Last des Überflusses zu befreien, letztlich bleibt ihre Sehnsucht nach dem "simple life" stets unerfüllt." Beispiel gefällig? "Die meisten reichen Menschen werden zum Beispiel ständig von der Angst verfolgt, ausgeraubt zu werden. Ich kenne ein Ehepaar" schreibt von Schönburg, "das in einer wunderschönen Villa mit Meerblick in St. Tropez wohnt. Traumhaft, denkt man sich als Außenstehender. Tatsächlich leben die beiden dort wie in einem Gefängnis, denn das Haus ist voller wertvoller Kunstschätze (...), und die Versicherung hat sich nur unter einer Bedingung dazu bereit erklärt, eine Police abzuschließen: Es muß immer jemand im Haus sein, das Grundstück rund um die Uhr von einem Sicherheitsdienst bewacht werden. Das Ehepaar, das sich die Villa einst angeschafft hatte, um an der Riviera einen schönen Lebensabend zu verbringen, verläßt sein Anwesen nie gemeinsam, und beide mußten sich daran gewöhnen, daß, wenn sie abends in ihrem goldenen Käfig sitzen, etwa alle halbe Stunde ein bärtiger ‚Securitas'-Mann durch ihr Panoramafenster starrt, um sich zu überzeugen, daß alles mit rechten Dingen zugeht."

Es gibt Leute, die zahlen für Geld jeden Preis.

Arthur Schopenhauer

Reichtum bedeutet in den seltensten Fällen Freiheit. Ist es nicht seltsam, daß oft gerade jene Gesellschaftsklasse, die Gelassenheit üben könnte, da sie ja nicht von plötzlichem Armsein bedroht ist, sich in einer Weise an den Besitz kettet, daß dieser zum Mühlstein wird - und sich gleichzeitig der Qual ständigen Vergleichens ausliefert - etwas, das man nur in der Klasse der "Spießbürger" vermuten würde?

Schönburg interviewte einmal für das Magazin Esquire Adnan Kashoggi, der in den achtziger Jahren oft als der "reichste Mann der Welt" bezeichnet wurde. "Er saß in seinem Privatflugzeug, einem Boeing-Business-Jet, auf dem Flughafen von London-Heathrow fest (...) und ließ sich von mir, während er auf ein Ersatzflugzeug wartete, befragen. Durch das Fenster sahen wir, wie ein weiterer Privatjet auf seinen Stellplatz eingewiesen wurde. Plötzlich hatte ich Kashoggis Aufmerksamkeit verloren, er starrte nur noch aus dem Fenster auf dieses Flugzeug, die neue Gulfstream V von Sir James Goldsmith. (...) Kashoggis Gelassenheit war dahin. Er begann, über die Vorteile einer Boeing zu sprechen, obwohl ganz offensichtlich war, daß er unbedingt auch so ein Flugzeug wie Goldsmith haben wollte. Der Drang, ‚mithalten' zu müssen", folgert Schönburg, "gehört zu den zuverlässigsten Methoden, sich unglücklich zu machen. Egal, auf welcher Einkommensebene er sich abspielt. Für unser Glück zuträglicher ist, wenn wir uns damit abfinden, daß es Unterschiede gibt, die uns nur dann unglücklich machen, wenn wir nach Dingen streben, die wir uns nicht leisten können."