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„Präsident Bush – der grösste Terrorist der Welt“

Der amerikanische Entertainer Harry Belafonte kritisiert Bush und seine Heimatschutzbehörde mit harschen Worten, während ihn die Systemmedien angriffig in ein schiefes Licht stellen wollen – so geschehen am 23. Januar 2006, als Belafonte bei Wolf Blitzer und seiner Sendung „The Situation Room“ (CNN) zu Gast war.

BLITZER: Mister Belafonte, vielen Dank. Willkommen in The Situation Room!

BELAFONTE: Danke, Mister Blitzer.

BLITZER: „Die neue Gestapo“ – das sind starke Worte: eine amerikanische Regierungs-Behörde mit etwa 300.000 Angestellten – das Ministerium für Heimatschutz – „die neue Gestapo“ zu nennen. Wollen Sie das eventuell zurücknehmen?

BELAFONTE: Nein, eigentlich nicht. Ich stehe zu dem, was ich gesagt habe. Ich bin mir ganz und gar bewußt, was diese Worte in unserem Land ausgelöst haben. Und ich freue mich über die Gelegenheit, einen Dialog beginnen zu können, der etwas anders verlaufen wird als der, den wir bisher hatten. Die Leute denken, ich neige zu Extremen, ich sei ein Extremist. Aber wenn Sie sich anschauen, was mit amerikanischen Bürgern geschieht, dann ist vieles davon extrem. Wir entführen Bürger aus diesem Land, ohne daß sie angeklagt werden, ohne daß man ihnen sagen würde, warum sie festgenommen werden. Sie verschwinden über Nacht aus diesem Land, werden an entlegene Orte verbracht, und von dort kommen einigermaßen glaubwürdige Nachrichten zurück, daß sie dort gefoltert werden, daß man ihnen immer noch nicht sagt, was sie überhaupt angeblich getan haben. Manche sind frei gelassen worden und haben all das bestätigt.

BLITZER: Aber – wenn ich Sie für einen Moment unterbrechen darf – Ihnen ist doch klar – und ich bin sicher, daß Ihnen das klar ist, denn Sie sind ein intelligenter Mensch –, was die Gestapo im Zweiten Weltkrieg mit den Juden gemacht hat?

BELAFONTE: Absolut. 

BLITZER: Und Sie denken, daß, was der Heimatschutz mit manchen amerikanischen Staatsbürgern macht, die des Terrorismus verdächtigt werden, mit dem vergleichbar ist, was die Nazis mit den Juden getan haben?

BELAFONTE: Wenn Sie Leute wegfangen und sie irgendwohin außerhalb des Landes bringen und sie gefoltert werden und ihnen vorgeworfen wird, ohne daß sie… – daß ihnen nicht einmal etwas vorgeworfen wird, daß sie überhaupt nicht wissen, was sie verbrochen haben sollen… – das mag vielleicht nicht der Heimatschutz gewesen sein, aber es ist das Muster: Nach diesem Schema läuft das ganze System. Alle Abteilungen des Systems funktionieren nach diesem Schema. Meine Anrufe werden aufgenommen, nicht wahr? Meine Post kann geöffnet werden. Sie brauchen dazu nicht einmal eine richterliche Erlaubnis, wie es früher noch nötig war.

BLITZER: Aber niemand hat Sie oder jemand anders – so weit ich das sehen kann – in ein Vernichtungslager gebracht und Sie dort zu Tausenden, zu Hunderttausenden, zu Millionen  umgebracht, was die Nazis getan haben.

BELAFONTE: Nun, Mister Blitzer, dann werde ich es Ihnen so sagen: Vielleicht, vielleicht hätten die Juden und die Leute viel früher etwas gesagt und wären gegen die Tyrannei aufgestanden, die sich schon am Horizont zeigte, vielleicht hätten wir nie…

BLITZER: Halt, halt! Waren die damals in Deutschland lebenden Juden etwa dafür schuld, was Hitler ihnen angetan hat?

BELAFONTE: Nein, nein. Was ich sage, ist: Wenn aufgeklärte Bürger sich sofort, beim ersten Anzeichen, widersetzt hätten, als der Staat totalitär wurde; wenn die Bürger den Anfängen gewehrt hätten, als die Demokratie unterlaufen wurde, dann hätte eine frühe Warnung die Welt vielleicht vor dem gerettet, was wir alle erfahren mußten. Ich beschuldige die Juden überhaupt nicht.

BLITZER: Ich dachte, sie hätten gesagt: Wenn die Juden in Deutschland schon früher etwas getan hätten, dann wäre das vielleicht nicht passiert. Ich dachte, das wollten Sie damit sagen.

BELAFONTE: Was ich wirklich sagen wollte, ist, daß, wenn alle Bürger – die Juden, die Christen und alle anderen – sofort auf die Barrikaden gegangen wären, anstatt sich irgendwie einzureden oder zu denken, daß das schon irgendwie vorbei geht, dann wäre aus Deutschland etwas ganz anderes geworden.

BLITZER: Lassen Sie mich noch zu anderen Punkten kommen, denn wir haben nicht sehr viel Zeit.

BELAFONTE: Okay.

BLITZER: Als Sie bei Hugo Chavez in Venezuela waren, sagten Sie, Bush sei der größte Terrorist, der größte Tyrann. Wollen Sie sagen, daß Präsident Bush schlimmer als Osama bin Laden ist?

BELAFONTE: Ich sage, daß er nicht besser ist. Es ist schwer, genaueres zu sagen. Ich habe natürlich nicht die Gelegenheit gehabt, alle Terroristen der Welt kennenzulernen, also kann ich auch nicht mit Wörtern wie „der größte“ herumwerfen oder irgendwelche qualitative Aussagen treffen. Ich glaube in der Tat, daß Bush ein Terrorist ist. Ich glaube in der Tat, daß das, was unsere Regierung tut, in seinem Innersten Terror ist. Wenn Sie das amerikanische Volk belügen, wenn Sie die Amerikaner verführen und unsere Söhne und Töchter in fremden Ländern in den Tod schicken, und Sie sehen die Zehntausenden von arabischen Frauen und Kinder und Unschuldigen, die jeden Tag getötet werden – als „Kollateralschaden“ –, dann, denke ich, läuft irgendwas sehr schief da oben.

BLITZER: Was Sie in Venezuela sagten, war, daß Präsident Bush – und jetzt zitiere ich Sie – „der größte Tyrann und der größte Terrorist der Welt“ ist.

BELAFONTE: Ja, das habe ich gesagt.

BLITZER: Also haben Sie das Wort „der größte“ benutzt. Sie sollen am 16. Januar 2006 der Raleigh News and Observer folgendes gesagt haben – bitte korrigieren Sie oder erklären Sie sich –: „Wenn Sie einen Präsidenten haben, der uns in einen unehrenhaften Krieg geführt hat, in dem Zehntausende ihr Leben verloren haben – viele davon unsere eigenen Söhne und Töchter –: Wo ist dann der Unterschied zu denen, die Flugzeuge in Hochhäuser steuern und 3000 unschuldige Amerikaner umbringen? Wo ist der Unterschied zwischen diesem und dem anderen Terror?“

Hier wird die Frage der Vergleichbarkeit in moralischer Hinsicht aufgeworfen. Wollen Sie sagen, daß, was die Bush- Admin istration, was der Präsident tut, moralisch mit dem gleichzusetzen ist, was Al-Kaida und Osama bin Laden am 11. September getan haben?

BELAFONTE: Ich denke, Präsident George W. Bush, Dick Cheney, Donald Rumsfeld – all diese Leute haben jegliche moralische Integrität verloren. Ich finde, was wir tun, ist in höchstem Maße unmoralisch gegenüber dem amerikanischen Volk und den anderen Völkern der Welt.

BLITZER: Und das gleiche, was Al-Kaida tut, wenn nicht sogar etwas Schlimmeres – ist es das, was Sie sagen?

BELAFONTE: Ich will keine solche Vergleiche anstellen. Ich weiß zu wenig darüber, was Al-Kaida getan hat. Al-Kaida foltert – wir foltern. Al-Kaida tötet Unschuldige – wir töten Unschuldige. Wo ist der Unterschied?

BLITZER: Der Unterschied ist – aber korrigieren Sie mich, wenn ich mich irre –, daß Al-Kaida absichtlich so viel wie möglich Leute im World Trade Center umbringen wollte. Es war ihnen egal, wer durch den Anschlag umkommt und was derjenige ist und tut. Sie wollten nur so viel wie möglich Amerikaner umbringen. Die Vereinigten Staaten mögen – wie man sagt – „Kollateralschäden“ hinterlassen, wenn sie hinter Terroristen her sind, aber sie versuchen Feinde Amerikas zu töten, die terroristische Akte oder Ähnliches begangen haben. Verstehen Sie den Unterschied?

BELAFONTE: Ich verstehe den Unterschied. Womit ich nur Schwierigkeiten habe, ist, was Sie „Kollateralschäden“ nennen. Das stellt uns in kein besseres moralisches Licht: Es bleibt dabei, daß wir Abertausende von Arabern getötet haben. Ich bin mir sicher, daß, wenn wir uns die Opfer anschauen, wir einen Bäcker, einen Ladenbesitzer, einen Taxifahrer oder einen Studenten finden würden. Ich weiß nicht, aber Mord ist Mord. Und nur, weil wir es irgendwie rechtfertigen, enthebt uns das nicht unserer Schuld. Dieser Krieg, in dem wir stecken, ist unmoralisch und illegal. Wir haben im Irak nichts verloren.

BLITZER: Sie haben vor einigen Jahren Außenminister Colin Powell und die damalige Sicherheitsbeauftragte des Präsidenten und jetzige Außenministerin Condoleezza Rice als „Plantagensklaven“ bezeichnet. Das waren harte Worte, und ich würde gern wissen, ob Sie heute noch dazu stehen. Es ist eine Sache, mit ihnen nicht einverstanden zu sein, aber wenn Sie vor dem Hintergrund der Geschichte unseres Landes Condoleezza Rice und Colin Powell als „Plantagensklaven“ bezeichnen – geht das dann nicht zu weit?

BELAFONTE: Überhaupt nicht. Es ist eine Tatsache, daß es in Amerika eine Menge Plantagen gibt, auf denen die Leute ihr Leben als Sklaven verbringen. Wissen Sie, eines der größten Probleme, das wir in diesem Land haben, ist, daß wir nicht ehrlich, nicht freimütig und aufrichtig sein können. In diesem Land hat es nie eine offene Diskussion über die Sklaverei gegeben. Ich möchte jetzt nicht näher darauf eingehen. Aber was ich gesagt habe, ist, daß Colin Powell gut seinem Herren dient. In diesem Zusammenhang wurde ich gefragt, was genau ich damit sagen wolle, und da habe ich das Bild von der Sklaverei und den Plantagen benutzte. Und dazu stehe ich. Colin Powell wurde immer als eher gemäßigt und als ehrlicher Mensch betrachtet. Er hat aber vor den Vereinten Nationen gestanden und gelogen; und er wußte, daß er lügt. Wo gehe ich denn da zu weit?

BLITZER: Woher wissen Sie, daß Colin Powell bewußt gelogen hat? Er sagt – und er hat es wiederholt gesagt –, daß er dachte, die Informationen, die er weitergab, seien korrekt, obwohl sie, wie er später erfuhr, nicht korrekt waren. Aber es ist ein Unterschied, etwas Falsches zu sagen und zu lügen.

BELAFONTE: Mister Blitzer, Sie haben Zugang zu einer Menge Informationen. Mehr als einmal haben wir darüber gesprochen, daß Colin Powell zum Präsidenten und zu anderen ging und sagte: „Ich kann das nicht sagen. Es ist nicht korrekt. Das berührt und verstört mich tief.“ Doch dann stand er plötzlich trotzdem vor der UNO und tat, was er tat.

Die Welt ist im Krieg. Jeden Tag sterben Menschen. Warum können Sie das nicht sehen? Liegt es daran, daß sie weit weg und wir hier sind? Daß wir auf einem hohen moralischen Roß sitzen und sagen, daß wir die beste Nation in der Welt sind und alle anderen weniger wert sind als wir? Das ist in der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts inakzeptabel.

BLITZER: Harry Belafonte, leider müssen wir es dabei belassen, die Zeit ist vorbei. Aber es war nett von Ihnen, daß Sie zu The Situation Room gekommen sind. Ich sehe, Sie rücken kein Wort davon ab, was Sie gesagt haben.

BELAFONTE: Nein, das kann ich nicht. Dr. Martin Luther King ist mein Lehrer, und ich glaube an die Wahrheit; genau das tue ich.

BLITZER: Harry Belafonte, ich danken Ihnen vielmals, daß Sie zu uns in den Situation Room gekommen sind.

BELAFONTE: Ich danke Ihnen, Mister Blitzer.

Quelle: http://www.nationalanarchismus.org/