Miracle Morning: Die beste Stunde des Tages

Es klingt ein wenig vollmundig: Eine Stunde am Tag soll genügen, um ein besserer Mensch zu werden, um erfolgreicher, gesünder und zufriedener zu sein? Doch Tausende Menschen auf der ganzen Welt behaupten, dass ihnen dank sechs einfacher Methoden, die sie täglich praktizieren, genau dies gelungen sei.

Kommunion mit dem Göttlichen: Wer morgens als Erstes stille Einkehr übt, meistert erfolgreicher den Tag.

Kommunion mit dem Göttlichen: Wer morgens als Erstes stille Einkehr übt, meistert erfolgreicher den Tag.

Eigentlich war es ein gutes Leben gewesen, das musste sogar Gott zugeben. Als Moritz mit 78 Jahren starb, war er ganz zufrieden mit sich. Es hatte jedes Jahr gereicht für den Skiurlaub im Winter, den Strandurlaub im Sommer, eine Woche Wanderferien und den einen oder anderen Städtetrip. Er hatte sich zeitlebens nie Sorgen um seinen Arbeitsplatz machen müssen, ja, einmal war er sogar zum Abteilungsleiter befördert worden. Er hatte ein Haus, Frau, Kinder, Hund und Kanarienvogel. Er machte ein wenig Sport und engagierte sich auch sozial ein wenig. Was halt eben möglich war. So war er dann doch ein wenig erstaunt, als Gott nach genauer Konsultation von Moritz' Lebensbuch aufsah und milde sagte, dass Moritz aber doch mehr aus seiner Zeit hätte machen können. Natürlich hatte Gott recht. Wenn er ehrlich war, musste Moritz sich eingestehen, dass da zwischendurch so ein kleines nagendes Gefühl gewesen war – normalerweise kaufte sich Moritz dann eine neue Uhr oder ging mit seiner Frau schick essen, dann war das Gefühl meist schnell wieder weg. Den einen oder anderen Traum hätte er schon gehabt, doch er wusste nicht wirklich, wie er es angehen sollte, diesen zu verwirklichen. Außerdem hatte er einfach keine Zeit dazu. Und es war doch alles gut gewesen, eben ein gutes Leben. Moritz seufzte. Er ahnte, dass es wohl nichts werden würde mit dem Harfespielen auf einer goldenen Wolke. Und in der Tat zeigte Gott sich gnädig und schickte Moritz bei nächstbester Gelegenheit zurück zur Erde.

Kennen Sie Moritz? Wahrscheinlich sind die meisten von uns ein bisschen Moritz. Wir alle wollen ein tolles Leben, wir wollen gesund sein, fröhlich, erfolgreich. Erinnern Sie sich, wie es sich anfühlte, als Sie Anfang zwanzig waren? Vermutlich hätten Sie noch Bäume ausreißen können, fühlten sich, als läge Ihnen die ganze Welt zu Füßen, hatten Träume und Ideen, die Sie noch für realisierbar hielten. Und was geschah dann? Na ja, die Umstände halt. Wir müssen unseren Lebensunterhalt verdienen, haben vielleicht eine Familie zu versorgen, und der Tag hat nun einmal nur 24 Stunden. Und meistens geht es uns doch ganz gut. Also begraben wir die Träume, finden uns ab mit der Mittelmäßigkeit. Allerdings …

Tatsache ist, dass die meisten Menschen nie ihr volles Potenzial ausschöpfen. Im besten Fall führen sie ein Leben wie Moritz, durchaus zufriedenstellend, aber nicht außergewöhnlich. Im schlimmsten Fall kämpfen sie sich mehr schlecht als recht durch, werden niedergedrückt von Sorgen und Problemen und sind einfach nur froh, wenn sie einen weiteren Tag einigermaßen unbeschadet überstanden haben. Die Fallgruben in die Mittelmäßigkeit sind zahlreich. Eine davon könnte man als "Rückspiegelsyndrom" bezeichnen. Es ist unsere Neigung, Dinge, die wir tun; Pläne, die wir haben; Schwierigkeiten, auf die wir stoßen, im Rückspiegel unserer Vergangenheit zu betrachten. Wir vergleichen mit dem, was war. Und so sagen wir uns: "Das habe ich noch nie getan, das kann ich nicht. Ich weiß nicht, wie das geht. Damit hatte ich schon immer Probleme." Wagen wir uns dennoch einmal in die "Gefahrenzone" vor, und die Sache geht schief, sagen wir uns: "Wusst' ich's doch, davon lasse ich in Zukunft die Hände." Man nennt das auch eine selbst erfüllende Prophezeiung. Ob wir uns durch unser Festhalten an Vergangenem ständig am Fortkommen hindern oder uns Misserfolge bescheren, die wir uns vorher selber prophezeit haben: Unsere Gedanken und Gefühle haben Kraft. Zu lernen, diese in eine positive Richtung zu lenken (zum Beispiel mittels Affirmationen, dazu später mehr), ist ein Schritt zur Entfaltung unseres wahren Potenzials.

Eine weitere Fallgrube in den Sumpf der Mittelmäßigkeit heißt Ziellosigkeit. Ein klar gesetztes Ziel spornt uns an, vorwärts zu gehen. Ob das nun Tagesziele, Jahresziele oder gar Lebensziele sind, es müssen Ziele sein, für die es sich lohnt, jeden Morgen mit neuem Schwung aufzustehen. Einen Gauner, der uns diesbezüglich gerne Knüppel zwischen die Füße wirft, kennen wir alle nur zu gut: den inneren Schweinehund. Er verleitet uns immer wieder zur Disziplinlosigkeit. Nur dieses eine Mal Fast Food essen, nur dieses eine Mal nicht ins Fitnesscenter gehen, sich nur dieses eine Mal krankmelden … die Einflüsterungen des Schweinehunds bringen uns dazu, immer wieder das Leichte zu tun statt das Richtige. Wenn Sie das nächste Mal einen Olympiasieger treffen, erkundigen Sie sich doch, was dieser mit seinem Schweinehund anstellt …

Hand in Hand mit der Disziplinlosigkeit geht übrigens die Verantwortungslosigkeit. Wer Verantwortung übernimmt, muss Rechenschaft ablegen, deshalb ist die Verantwortung vermutlich so unbeliebt. Doch wenn sich keiner verantwortlich fühlt, bewegt sich so ziemlich nichts. Disziplin und Verantwortung lassen sich mit einem Partner oder auch in der Gruppe besonders gut üben, denn einen Trainingspartner lässt man nicht so leicht im Regen stehen wie sich selbst. Apropos Partner: Forschungen zeigen, dass wir uns den fünf Personen, mit denen wir am häufigsten zu tun haben, angleichen. Wer sich mit faulen, unzufriedenen, perspektivlosen Menschen umgibt, wird es sehr schwer haben, sich über das Mittelmaß zu erheben. Es ist eine Binsenwahrheit, aber von nichts kommt nichts. Wer höher und weiter fliegen will, wird trainieren müssen. Wer sein Potenzial nutzen will, wird die Zeit finden müssen, um an sich zu arbeiten. Der richtige Zeitpunkt, um damit zu beginnen, ist heute. Wir verschieben die Arbeit (jawohl, das ist es) an uns selbst gerne auf "irgendwann", wenn wir mehr Zeit haben, wenn die Kinder aus dem Haus sind, wenn wir uns nicht mehr so müde fühlen, wenn wir die gegenwärtige Krise überwunden haben … doch "irgendwann" sind wir bereits 78, und Sie wissen schon, dann ist da dieses kleine nagende Gefühl …

Phönix aus der Asche

Als Hal Elrod zwanzig Jahre alt war, war er sechs Minuten lang tot. Ein Chevrolet-Pickup war mit 130 Stundenkilometern frontal in seinen Ford Mustang gekracht und hatte Hal kurzerhand ins Jenseits befördert. Wo er offenbar zu früh eingetroffen war, jedenfalls gelang es den Sanitätern, ihn ins Reich der Lebenden zurückzuholen – mit elf gebrochenen Knochen und einem dauerhaften Hirnschaden. Hal findet heute, etwas Besseres hätte ihm gar nicht passieren können. Auch dass er ein gutes Jahrzehnt später durch die Finanzkrise in den USA tief verschuldet war und vor lauter Problemen morgens am liebsten gleich den ganzen Tag im Bett geblieben wäre, sieht er heute als absoluten Glücksfall. Denn diese Erfahrungen hätten ihn an den Punkt gebracht, an dem er eines Morgens plötzlich verstanden habe, dass es letztlich von ihm abhing, ob er in seinem Leben erfolgreich und glücklich war oder eben nicht. Er habe begriffen, dass die äußere Welt immer ein Spiegel unserer inneren Welt ist. Hal kam zum Schluss, dass er an seiner persönlichen Entwicklung arbeiten musste, wenn er wollte, dass sich Dinge in seinem Leben änderten und er Erfolg haben wollte.

Der Begriff "Erfolg" kann dabei sehr weit gefasst werden. Es kann bedeuten, dass man im Beruf erfolgreich sein will, es kann heißen, dass man endlich physisch in Form kommen will oder die Dinge im familiären Bereich in Ordnung bringen will. Würde man alle Bereiche des eigenen Lebens (zum Beispiel Karriere, Spiritualität, Finanzen, Gesundheit, Beziehung und so weiter) auflisten, und müsste man sich nachher auf einer Skala von null bis zehn Punkte dafür geben, wie gut es um den jeweiligen Bereich bestellt ist, hätten wir ja gerne in allen Bereichen die maximale Punktezahl. Es liegt auf der Hand, dass wir wohl alle beim einen oder anderen Thema Optimierungsbedarf haben. Bloß, woher die Zeit nehmen, um täglich an sich zu arbeiten? Und außerdem, was soll man überhaupt machen? Hal hat für sich eine Antwort gefunden, die so einfach ist und so verblüffend in ihrer Wirkung, dass er sie als ein "Wunder" bezeichnet, genauer gesagt als "Miracle Morning" – der "Wundermorgen".

Nehmen wir das Unangenehmste doch gleich vorneweg, dann haben wir es hinter uns: Bei Miracle Morning geht es darum, jeden Tag eine Stunde früher als üblich aufzustehen, um sich während dieser Zeit seiner persönlichen Entwicklung zu widmen. Vielleicht winken Sie hier bereits ab, da Sie gar kein Morgenmensch sind und Ihnen allein schon die Vorstellung, noch früher aufstehen zu müssen, Bauchschmerzen bereitet. Damit befinden Sie sich zweifellos in zahlreicher Gesellschaft, doch es gibt gute Gründe, die frühen Morgenstunden zum Schleifen am Diamanten der eigenen Individualität zu nutzen.