Demenz: Den Himmel vergessen?

Gibt es auch seelisch-geistige Gründe dafür, ob man an Demenz erkrankt oder nicht? Eine Spurensuche mit unerwarteten Einsichten.

Der Flüchtlingsstrom steigt von Tag zu Tag an: Jeden Tag flüchten mehr Menschen vor der Wirklichkeit ins Vergessen, vor der Verantwortlichkeit in die Kindlichkeit, vor den erdrückenden Pflichten des Alltags in ein Schweben irgendwo zwischen Raum und Zeit, wo keiner einen mehr fassen kann. Laut der Alzheimer-Gesellschaft sind heute 44 Millionen Menschen weltweit dement. Im Jahr 2050, so die Hochrechnung, werden es 135 Millionen sein. Betrachtet man die Demenz-Weltkarte, die Aufschluss darüber gibt, wo besonders viele Menschen ins Vergessen abgleiten, fällt auf, dass die zivilisierte ‘Erste Welt’ an der Spitze steht und die sogenannte ‘Dritte Welt’ am Schluss. Konkret: 2015 waren in der Schweiz 17,5 von tausend Personen an Demenz erkrankt (Prognose für das Jahr 2035: 24,5); in Österreich 17,7 (Prognose: 26,1) und in Deutschland gar 20,3 (Prognose: 30,9).

Welche äußeren Faktoren einer hochzivilisierten Gesellschaft Alzheimer und Demenz verursachen können, erfuhren Sie im vorangehenden Artikel. Hier stellen wir die Frage, ob auch für Alzheimer das gilt, was allen übrigen Krankheiten gemein ist: Dass es immer auch eine seelisch-geistige Ursache gibt, die lange schwärt, bevor sie sich als Beeinträchtigung des physischen Körpers zeigt. Was unterscheidet die reichen Länder mit ihren hohen Alzheimerraten von den armen, wo Demenz noch immer eine Randerscheinung ist? Zunächst sicher einmal die durchschnittliche Lebenserwartung, die in den entwickelten Ländern manchmal das Doppelte von jener in unterentwickelten Ländern beträgt. In Japan (durchschnittliche Lebensdauer 82,5 Jahre) ist die Wahrscheinlichkeit, an der Alterskrankheit Demenz/Alzheimer zu erkranken, natürlich viel höher als in Swasiland (Lebensdauer-Durchschnitt 39,6 Jahre).

Dennoch gibt es glücklicherweise eine Mehrheit an Menschen, die immer noch sehr alt werden, ohne ihren klaren Kopf zu verlieren. Also muss es auch Faktoren geben, die den Unterschied bewirken. Und zwar Faktoren, die nicht nur von äußeren Dingen wie Ernährung oder Bewegung abhängig sind. Grundsätzlich ist das Hirn weniger alterungsanfällig als der übrige Körper. Wissenschaftler, Musiker, Dichter und andere Genies erreichen die Spitze ihrer Schaffenskraft oft erst in einem Alter, in dem andere Menschen pensioniert werden. Kein Sprintathlet oder Marathonläufer wird jedoch in näherer Zukunft in der Lage sein, den Weltrekord im Alter von 75 Jahren zu brechen! Das hat auch mit dem Zustrom der Energie zu tun: Bis zum Alter von 42 Jahren fließen dem Menschen mehrheitlich physisch-irdische Energien zu; danach ziehen sich diese zurück, um mehr geistig-ideellen Kraftströmen zu weichen. Der physische Körper beginnt sichtlich zu altern und schwächer zu werden, während die Seele des Menschen sich nun stärker der Selbstlosigkeit und der Geistigkeit zuwenden sollte. Hier können wir leider nur im Konjunktiv schreiben, da gerade dies in den hochzivilisierten, reichen westlichen Ländern meist unterlassen wird. Statt dass sich der alternde Mensch vom äußeren, physischen Erscheinungsbild abwendet und seine inneren Werte entwickelt, versucht er krampfhaft mittels Hormonspritzen, ausdauerndem Sport und chirurgischen Eingriffen festzuhalten, was unaufhaltbar dahinschwindet: die äußere Attraktivität, die Sinnlichkeit, der Marktwert auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten.

Alles nur, weil der Mensch die Dimension des Geistigen lebenslang links liegen gelassen hat. Karriere ging vor; Porsche statt positives Denken, Getöse statt Gebet und Lust statt Liebe. Und was man nicht übt, kann man einfach nicht so gut, nicht wahr? Da ist es mit dem ‘geistigen Muskel’ nicht anders als mit dem fleischlichen. Und wenn dann das fleischliche Konto unaufhörlich schwindet und sich auf dem geistigen nichts befindet, ist irgendwann Ende der Fahnenstange: Statt lichtem Alter wartet die dunkle Nacht.

Polemisch? Ja. Zynisch und herabsetzend gemeint? Nein. Wahr? Mehr, als den meisten lieb ist. Auch bei Alzheimer scheint es den X-Faktor zu geben, der darüber entscheidet, ob die nicht so optimale Ernährung, die Bewegungsarmut, der mangelnde Kontakt zu anderen Menschen in die Demenz führt oder nicht. Wobei wir an Alzheimer erkrankte Menschen mit diesem Artikel in keiner Weise verunglimpfen möchten. Im Gegenteil, wir wollen durch die folgenden Informationen dazu beitragen, dass bei möglichst vielen Menschen Demenz vermieden werden kann. Besagter X-Faktor scheint nämlich damit zu tun zu haben, ob der Mensch die Dimension des Geistigen, der göttlichen Liebe, in seinem Leben zugelassen oder ausgesperrt hat. Der anthroposophische Arzt Gerd Löbbert von der Ita Wegmann-Klinik im schweizerischen Arlesheim sagte im Magazin Quinte zum Thema Demenz: „Demenz kommt bekanntlich aus dem lateinischen de-mens, das heißt Abwesenheit von Geist, Geistlosigkeit – ist das nicht eher eine zutreffende Diagnose für weite Teile unserer vom Materialismus geprägten Kultur? […] Dass in unserer Kultur nicht mehr zwischen Geist – und damit der unzerstörbaren ewigen Individualität eines Menschen – und seiner Seele unterschieden und nicht demgemäß gehandelt wird, ist der tiefere Grund für die ‚epidemische‘ Zunahme der Demenz.“ Löbbert fügt an: „Auch wenn eine kausale Therapie nicht wirklich in Sicht ist, so gibt es doch starke Hinweise dafür, dass vorbeugende Maßnahmen wirksam sind. Hier sind vor allem zu nennen die rechtzeitige, das heißt lebenslange Sorge um eine sinnvolle geistige Aktivität, körperliche Fitness und ein tragendes soziales Umfeld.“ Doch es gibt noch eine weitere Dimension. Der Mediziner gibt nämlich zu bedenken: „Durch die Anthroposophie Rudolf Steiners wissen wir, dass das Gedächtnis im Äther- oder Lebensleib des Menschen verankert ist. Und dieser Ätherleib löst sich, wird dünner ‚im Alter‘. Er ist weniger stark verbunden mit dem physischen Leib. Da ist es hilfreich, wenn man sich im Laufe seines Lebens nicht allzu sehr mit seiner Leiblichkeit identifiziert. Im Gedächtnis sollen ja nur die Inhalte haften, denen wir Bedeutung geben. Es ist sinnvoll, so manches zu vergessen.“