Organhandel: Kaufe Niere, zahle bar!

Früher lieferten uns die unterentwickelten Länder Getreide, Reis und Bodenschätze. Heute verkaufen uns ihre Bewohner Nieren, Lebern und Hornhäute, um ihrer Armut für ein paar Wochen zu entrinnen.

Die erste Organtransplantation fand laut jüdischer Chronologie Mitte Oktober des Jahres 3761 vor Christus statt, als Jahwe im Paradies Adam eine Rippe entnahm, um ihm daraus ein Weib zu gestalten. Während der folgenden 5’644 Jahre tat sich kaum etwas – bis 1883 nach Christus der Berner Theodor Kocher einem jungen Mann menschliches Schilddrüsengewebe unter die Haut und in die Bauchhöhle verpflanzte. 71 Jahre später, nämlich 1954, gelang in den USA die erste erfolgreiche Nierentransplantation, bei welcher der Spender der eineiige Zwillingsbruder des Empfängers war. 1967 erntete Christiaan Barnard auf einen Schlag Weltruhm, als er das erste menschliche Herz verpflanzte. Der Empfänger lebte zwar nur 18 Tage, doch war das Geschäft mit verpflanzten Herzen damit so richtig in Schwung gekommen: 164 Herzen wurden von Dezember 1967 bis September 1970 verpflanzt, obschon es zu diesem Zeitpunkt nur noch zwanzig Überlebende gab. Bis Juni 2010 waren es weltweit immerhin 88’023 Herzen,1 die die Statistik erfasst hat; infolge von Zeitlücken dürften es bis heute um die 94’000 Herzen sein, die von hirntoten Körpern in schwerstkranke übertragen wurden, damit diese – im statistischen Durchschnitt – zehn Jahre Leben dazugewinnen.

Jedes Organ hat seinen Preis. China richtet Verurteilte dann hin, wenn die Organe gebraucht werden.

Das große Geschäft macht man heutzutage jedoch nicht mit Herzen, sondern mit Nieren: Bis 2012 wurden weltweit über eine halbe Million Nieren verpflanzt. Kein Wunder, berichtet der US-Nachrichtensender CNN, dass der Organhandel der zweitlukrativste Handel weltweit ist – nach dem Waffen- und noch vor dem Drogenhandel. Was den Markt anheizt, ist die Knappheit der Spenderorgane. So sind die Gewinnspannen riesig. Der Spiegel berichtete im Sommer 20122 vom Fall eines deutschen Fabrikanten, der 82’000 Euro für eine Niere bezahlte, die ihm im Kosovo illegal eingesetzt wurde. Die Spenderin, eine russische Emigrantin nach Israel mit Namen Vera, hatte jedoch nur gerade 8’100 Euro für ihr Organ bekommen. Könnte sie zurück, würde sie sich keinesfalls mehr auf den unfairen Handel einlassen: Die Schmerzen in ihrer noch verbliebenen Niere fühlten sich an wie „bohrender Zahnschmerz“ – auch noch vier Jahre nach der Operation. Kraftlos fühlt sie sich meist; die Nachsorge im Krankenhaus war ihr zu teuer gewesen. Die läppischen 8’100 Euro, die sie für ihre Niere erhalten hatte, waren nach drei Monaten weg. Damit ist sie nicht allein. Laut dem Spiegel berichten fast alle illegalen Organspender, dass „ihre Gesundheit sich nach dem riskanten Deal massiv verschlechterte“. Der Empfänger von Veras Niere ist nun, vier Jahre danach, an Hautkrebs erkrankt.

Weltweit erhalten rund 66’000 Menschen jährlich eine neue Niere, mehr als 20’000 eine neue Leber und etwa 5’300 ein neues Herz. Zudem, so schätzt die WHO, werden noch zehn Prozent zusätzliche illegale Organverpflanzungen vorgenommen – eine Schätzung, die wohl unter den tatsächlichen Zahlen liegt, werden doch nach Schätzungen der UNO jedes Jahr mindestens 10’000 Nieren illegal verpflanzt – und manche Forscher gehen davon aus, dass es tatsächlich eher 20’000 sind.3 Doch da gibt es ja noch viel mehr verpflanzbares Material am Menschen: Bauchspeicheldrüsen, Lungen, Augenhornhäute, Oberschenkelknochen, Dünndärme, Gewebe aller Art (Herzklappen, Blutgefäße, Knochen und Sehnen), Stammzellen, Gliedmaßen (beispielsweise Hände) und selbst das Gesicht. Gegenwärtig unternimmt man Versuche im Tierreich, Gebärmuttern zu verpflanzen.

Organe per Hinrichtung

Nun unterstellen wir den Beteiligten einmal den Willen zu helfen bzw. die Verzweiflung, um jeden Preis überleben zu wollen – vor allem dann, wenn man über die nötigen Mittel verfügt. Das sind im Falle einer Niere um die 115’000 Dollar für ein neues, illegal beschafftes Organ. Herz, Leber oder Lunge kosten mehr – gegenwärtig um die 225’000 Dollar; die Kosten für Reise, Unterkunft und Operation eingeschlossen. Was damit aber in Gang gesetzt wird – nämlich ein illegaler, weltweiter Organhandel von armen Spender-Ländern wie Indien, Pakistan, Brasilien, den Philippinen, Moldawien, Rumänien oder der Ukraine hin zu reichen Menschen im Nahen Osten, aber auch aus China oder Indien, seltener in Nordamerika oder Europa, wo die Menschen in der Regel zögern, sich im Ausland ein Organ aus einem gänzlich fremden Kulturkreis einpflanzen zu lassen, das nimmt zuweilen frankensteinsche Züge an. Beispielsweise wenn man erfährt, dass 65 Prozent aller chinesischen Organe von Hingerichteten stammen, die immer dann exekutiert werden, wenn gerade Organempfänger im Lande eintreffen.4 So berichteten die Salzburger Nachrichten am 10. Januar 2000 vom US-Chirurgen Rothmann, der zu einer Herz-Transplantation nach China eingeladen worden war. Auf seine Frage, ob zum Termin ein Spenderherz verfügbar sein werde, bekam er die Antwort, man werde eine passende Hinrichtung organisieren. So werden denn im Reich der Mitte Todesstrafen schon für Lappalien verhängt – alles mit dem Ziel, die Zahl der Körper, aus denen man Organe „ernten“ kann, zu erhöhen. Sogenannte Todes-Vans fahren die Gefängnisse ab, um zum Tode Verurteilte in diesen Fahrzeugen bei sanfter Musik zu töten und ihnen die Organe zu entnehmen. Höhere Stellen in China geben zu, dass Gefängnisse als menschliche Ersatzteillager dienen, in denen sich die Behörden ganz nach Bedarf bedienen würden.

Zudem gibt es in China die Falun-Gong-Praktizierenden, die offiziell als Sekte bezeichnet wurden, jedoch keine sind,5 sondern vielmehr Menschen, die „sich gesund ernähren, die meditieren und auf brutalste Weise vom chinesischen Staat verfolgt wurden“, schreibt Wolfgang Weirauch im Flensburger Heft Nr. 116. „Sie hatten 1999 siebzehn Millionen Mitglieder, eine Million mehr als die chinesische KP, und seitdem werden sie massiv staatlich verfolgt. In großer Zahl dienen diese Menschen als Organlieferanten. Sie werden inhaftiert, fast wie in einem Zoo gehalten und je nach Bedarf werden sie als lebende Lieferanten für Organe und Gewebe genommen. Sie werden zu Tausenden umgebracht, weil man mit ihren Organen ein großes Geschäft machen will.“ Die Zahl dokumentierter Todesfälle unter Falun Gong beläuft sich auf über 3’500 – die Zahl der Inhaftierten wird auf mehrere Tausend geschätzt. Der kanadische Menschenrechtsanwalt David Matas brachte zusammen mit David Kilgur (ehem. kanadischer Parlamentsabgeordneter und Staatssekretär für Asien) 2006 einen 50-seitigen Untersuchungsbericht zu den Anschuldigungen der Organentnahmen an Falun-Gong-Praktizierenden in China heraus. Danach würden – je nach Anforderungen – den Gefangenen die Organe entnommen, während sie noch lebten. Zudem stellten sie ideale Spender dar: Sie seien eher jung und würden weder rauchen noch trinken. Die toten Körper würden anschließend verbrannt, um Beweise zu vernichten.

Genauso schrecklich ist, was der Nachrichtensender CNN auf der Sinai-Halbinsel aufdeckte: Angehörige des Sawarka-Stammes überfallen Flüchtlinge auf ihrem Weg von Eritrea, Äthiopien oder dem Sudan nach Israel. Kurz vor der Grenze nehmen sie sie in Gewahrsam und fordern von ihnen um die 2’000 Dollar Wegzoll. Die Geiseln haben jedoch meist ihr ganzes Geld schon zu Beginn der Flucht an Schlepper bezahlt. Kein Problem: die Beduinen nehmen gerne auch eine andere Währung, nämlich Lebendfleisch in Form von Nieren, Lebern und Ähnlichem. Mobile Ärzte aus Kairo tauchen gleichsam aus dem Nichts auf, operieren die Flüchtlinge und bringen die entnommenen Organe in Kühlfahrzeugen nach Kairo oder anderswohin. Meist werden die Opfer einfach wieder zugeflickt und in der Wüste abgelegt, wo sie buchstäblich elend verrecken. Pro Organ nimmt der Stamm dann zwischen 1’000 und 20’000 Dollar ein. Polizeikräfte im nördlichen Sinai bezeugten gegenüber CNN, dass es diesen Organhandel im Grenzgebiet von Israel gibt, sagen jedoch, sie wüssten nicht, wer dessen Drahtzieher seien. Und dass sie der ganzen üblen Geschichte leider machtlos gegenüberstünden.

Organe per Gewaltanwendung

Israel nimmt im internationalen Organhandel eine Sonderrolle ein: In keinem anderen Land werden von der eigenen Bevölkerung weniger Organe gespendet, aber gleichzeitig so viele nachgefragt. Für Nancy Scheper-Hughes, Professorin für medizinische Anthropologie an der Berkeley-Universität in Kalifornien und Gründerin der Organisation Organ Watch, steht „Israel an der Spitze“ des weltweiten Organhandels. „Seine Tentakel reichen über die ganze Welt.“ Israelische Organhändler seien die bestorganisierten der Welt – mit Vermittlern, Bankkonten, Anwerbern, Übersetzern und Reisebüros, welche die Visa besorgten. Die Wissenschaftlerin recherchierte nach den Motiven der israelischen Organhändler. „Zum einen ist es die Gier“, sagt sie; das andere Motiv mag etwas befremdlich erscheinen: „Rache, Entschädigung – Wiedergutmachung für den Holocaust.“ Sie beschreibt ein Gespräch, das sie mit einem israelischen Händler führte und welcher ihr sagte, es handle sich „um eine Art von Auge für Auge, Zahn für Zahn. Wir sind hinter jeder einzelnen Niere und Leber und jedem Herz her, die wir kriegen können. Die Welt schuldet sie uns.“ Auch israelische Ärzte hätten sich in gleicher Weise geäußert.

Die israelische Regierung unterstützte während vieler Jahre die „Transplantationsferien“ ihrer Bürger im Ausland mit einem Beitrag von 80’000 Dollar. Ein großer Teil der restlichen Kosten konnten die Bürger oft von den staatlich subventionierten Versicherungen erstattet bekommen. Zudem war auch das israelische Verteidigungsministerium direkt in die Angelegenheiten involviert. Scheper-Hughes berichtet von einem internationalen Syndikat, welches durch ein lokales Geschäft in Verbindung mit einem führenden Transplantationschirurgen stand, der in einem wichtigen medizinischen Zentrum unweit von Tel Aviv operierte, das geschäftliche Beziehungen zu Transplantationsärzten in der Türkei, in Russland, Moldawien, Estland, Georgien, Rumänien und der Stadt New York unterhielt. Ein Report der BBC aus dem Jahre 2001 deckte auf: „Hunderte von Israelis haben eine Produktionslinie errichtet, welche in den Dörfern von Moldawien beginnt, wo die Männer heute mit nur noch einer Niere herumlaufen.“ In Brasilien fand eine parlamentarische Kommission heraus, dass mindestens dreißig (möglicherweise auch bis zu sechzig) Brasilianer aus Armengebieten ihre Nieren an Handelsringe verkauft hatten, die von Israelis geleitet wurden. Die Organe gingen fast ausschließlich an israelische Bürger und den größten Teil der Kosten übernahm die israelische Regierung. Der Ring hatte bereits Nachforschungen nach anderen Organen armer Brasilianer angestellt – Lungen, Lebern und Hornhäute.

Im Jahre 2007 berichtete die israelische Zeitung Haaretz, zwei Israelis hätten zugegeben, geistig gestörte oder zurückgebliebene Palästinenser überredet zu haben, jeweils eine Niere gegen Geld zu verkaufen. Laut Haaretz hatten die Händler den Palästinensern das Geld nie ausgehändigt, nachdem ihnen die Niere genommen worden war. Nicht selten, so die Zeitung weiter, würde dabei Zwang ausgeübt. Rabbi Levy Izhak Rosenbaum, ein Organhändler aus dem New Yorker Stadtteil Brooklyn, der im Juli 2009 vom FBI in New Jersey festgenommen wurde, war Berichten zufolge mit einem Gewehr bewaffnet. Sollte ein potentieller Organverkäufer zurückkrebsen, täuschte Rosenbaum mit seinem Finger einen Schuss in den Kopf seines Gegenübers vor. Der Rabbiner gehörte zu einem Händlerring von Rabbis, Abgeordneten und Beamten, welche jahrelang Geldwäsche und illegalen Organhandel betrieben. Rosenbaum kaufte nach eigenen Aussagen Organe von wenig bemittelten Menschen für etwa 10’000 Dollar ein und verkaufte sie dann an verzweifelte Patienten in den USA für 160’000 Dollar weiter. Die legale Wartezeit auf eine Niere beträgt neun Jahre – zu lange für viele Schwerstkranke. Auch der Spiegelberichtet von der Anwendung von Zwang beim Beschaffen von Spenderorganen: „Wir haben auch Fesselungen festgestellt. Das geht so weit, dass sie [die Organspender, die Red.] so lange gefangen gehalten wurden, bis die Operation stattfand“, berichtet EULEX-Staatsanwalt6 Jonathan Ratel. „Die Zahlungsversprechen stellten sich nach der Operation oft als falsch heraus, Menschen wurden danach einfach weggeworfen.“ Dabei ist es weltweit verboten, Organe zu kaufen und zu verkaufen – sie dürfen nur kostenlos gespendet werden!

Quellenangaben

  • 1 Wikipedia: Herztransplantation
  • 2 Spiegel Nr. 31 vom 30. Juli 2012
  • 3 Spiegel Nr. 31/2012, Seite 25
  • 4 Stuttgarter Zeitung, Henker arbeiten für Chirurgen, 27. August 2009
  • 5 Flensburger Heft Nr. 116, Vom Wesen der Organe, Seite 161
  • 6 Unter dem Akronym EULEX werden Rechtsstaatlichkeitsmissionen der Europäischen Union im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) bezeichnet.