Reinkarnation: „…Früher, als ich groß war“

Immer wieder gibt es kleine Kinder, bei denen das „Band des Vergessens“ noch durchläßig ist und denen die Erinnerung an ein vergangenes Leben noch klar vor Augen steht. Seit über 40 Jahren werden solche Fälle nach wissenschaftlichen Kriterien erforscht. Ein neues Buch berichtet über Fälle, welche speziell in Europa auftraten.

Reinkarnation

Die Zeit als "Sternenkind" ist kurz bemessen. Bald kehrt es in einem neuen Körper auf Erden zurück.

Eines schönen Tages in der Zukunft wird die Tatsache der Wiederverkörperung von der Wissenschaft als ein fundamentales Naturgesetz anerkannt werden. Der Mann, welcher von den Wissenschaftlern der Zukunft als Pionier der Reinkarnationsforschung verehrt werden wird, ist ein Zeitgenosse von uns: Sein Name ist Ian Stevenson, er ist Professor an der University of Virginia in Charlottesville und Begründer der wissenschaftlichen Reinkarnationsforschung.

Unbefriedigt mit den modernen Theorien, welche die immensen Unterschiede in Verhalten und Begabung zwischen einzelnen Menschen allein auf die Gene zurückführen wollen, begann Prof. Ian Stevenson, die Antworten auf viele ungeklärte Fragen auf eigene Faust zu suchen. Im Jahr 1960 erfuhr er von einem Kind in Sri Lanka, das behauptete, sich an ein früheres Leben zu erinnern. Er befragte dieses Kind und seine Eltern gründlich, und ebenso das Ehepaar, von dem das Kind behauptete, sie seien seine Eltern im vergangenen Leben gewesen. Der Fall schien Dr. Stevenson so überzeugend, daß er begann, weitere Fälle zu erforschen. Je mehr Fällen er nachging, desto stärker wurde seine Überzeugung, daß Reinkarnation möglicherweise eine Realität ist. Und desto größer wurde sein Wunsch, dieses bisher unbekannte Gebiet der Welt der Wissenschaft zugänglich zu machen. 1974 veröffentlichte er sein erstes Buch, Reinkarnation – 20 überzeugende und wissenschaftlich bewiesene Fälle. Darin befaßt er sich mit Fällen aus Indien, Sri Lanka, Brasilien, Alaska und dem Libanon.

Prof. Stevenson fand heraus, daß Kinder zum ersten Mal in sehr jungem Alter (zwischen 2 und 5 Jahren) über ein früheres Leben sprechen, und die behaupteten Erinnerungen dann im mittleren Kindesalter in Vergessenheit geraten. Solch spontane Erinnerungen von kleinen Kindern sind wissenschaftlich am wertvollsten, weil man Kindern nicht vorwerfen kann, sich ihr Wissen vor der Untersuchung des Falles aus historischen Quellen beschafft zu haben. In etwa der Hälfte der Fälle wurde das Vorleben mit einem gewaltsamen Tod beendet – mit entsprechenden Verletzungen des Körpers. Die körperlichen Spuren solcher Verletzungen traten in vielen Fällen im neuen Leben wieder auf – als Narben, Mißbildungen und Muttermale. Stevenson versuchte nun, solche körperlichen Merkmale im Vorleben der Betroffenen nachzuweisen. Die vielen Übereinstimmungen, die er fand, hält er für geradezu objektive Kriterien für das Vorliegen einer erneuten Verkörperung. Er argumentiert, daß Mißbildungen bei Neugeborenen nur zum Teil auf Erbfaktoren, Virusinfektionen oder chemische Stoffe zurückzuführen seien. Bei 43 bis 70 Prozent der Fälle sind die Ursachen aus medizinischer Sicht nicht zu erklären.

Kritiker werfen Ian Stevenson vor, seine Beispiele von Wiederverkörperung spielten sich nur in Asien ab, wo sie sich einer ernsthaften Überprüfung entzögen und vom Umfeld aufgrund religiöser Überzeugung ohnehin gefördert würden. Diesem Argument entzieht das neuste Werk von Stevenson, Reinkarnation in Europa, den Boden. Er belegt darin mit meisterhafter Präzision die überzeugendsten Reinkarnationsfälle in Europa. Fälle, die von Engländern, Franzosen, Deutschen und anderen aufgezeichnet wurden, obwohl teilweise das Weltbild den Erfahrungen in keiner Weise entsprach und die betroffenen Menschen von ihren eigenen Erlebnissen zutiefst aufgewühlt wurden. Vier von zweiundzwanzig im Buch enthaltenen Fällen von Kindern, die sich an ein früheres Leben erinnern, stellen wir nachfolgend vor.

Der Fall von Helmut Kraus in Österreich

Helmut Kraus war vier Jahre alt, als er begann, häufig über ein früheres Leben zu sprechen. Er pflegte seine Bemerkungen mit Worten einzuleiten wie: „Früher, als ich groß war...“. Eine Freundin der Familie, die Helmut regelmäßig vom Kindergarten nach Hause brachte, hörte ihm aufmerksam zu. Sie beschrieb ihn als „sehr gesprächig“. Eines Tages sagte Helmut zu ihr: „Als ich groß war, wohnte ich an der Manfredstraße 9.“ Zufällig kannte Helmuts Begleiterin die Bewohnerin des betreffenden Hauses, Anna Seehofer. Sie befragte sie nach Männern, die im Haus gewohnt hätten und inzwischen verstorben seien. Anna Seehofer mutmaßte, daß Helmut sich auf ihren Cousin bezog, General Werner Seehofer, der, nachdem seine erste Frau gestorben war, einige Zeit im Haus gewohnt hatte. Tatsächlich paßten weitere Aussagen, die Helmut machte, zum Leben und Tod von General Seehofer.

Werner Seehofer war Offizier in der Kaiserlichen Österreichischen Armee. Im militärischen Rang stieg er immer weiter auf und wurde im Januar 1918 zum General befördert. Während des Ersten Weltkrieges war er Kommandeur einer Division an der Italienfront, wo er sechs Monate nach seiner Beförderung verletzt wurde, in italienische Gefangenschaft geriet und kurz darauf an seinen Kopfverletzungen starb.
Der vierjährige Helmut Kraus (geboren am 1. Juni 1931) erzählte, er sei ein „hoher Offizier im großen Krieg“ gewesen. Er gab jedoch niemals an, daß er General gewesen war und nannte auch nicht den Namen Seehofer. Seine zur Identifizierung am meisten beitragenden Aussagen entstanden, als er Adressen von Orten erwähnte, wo er im früheren Leben gewohnt habe. Neben der Wiener Adresse, die Rückschlüsse auf seine frühere Identität zugelassen hatte, gab Helmut auch korrekt die Linzer Adresse an, wo seine Schwiegerfamilie aus dem früheren Leben gewohnt hatte.

Helmut war etwa vier Jahre alt, als seine Begleiterin – es war warmes Wetter in Linz – Helmuts Mantel offen ließ, als sie sich mit dem Jungen auf den Heimweg machte. Helmut bestand darauf, daß sein Mantel zugeknöpft wurde, denn, so sagte er, „ein Offizier darf nicht mit offenem Mantel umhergehen“. Wenn Soldaten des Weges kamen, während die beiden auf der Straße waren, nahm Helmut Haltung an und grüßte, bis sie vorüber waren. Einmal wurde Helmut zu General Seehofers Witwe (seiner zweiten Frau) mitgenommen. In ihrer Gegenwart zeigte er sich scheu; dies wurde als eine Art von Wiedererkennen gedeutet, vielleicht, weil er gewöhnlich recht leutselig war.

Helmut hatte eine auffällige Angst vor lauten Geräuschen, zum Beispiel Gewehrschüssen. Mit den Jahren entwickelte er ein lebhaftes Interesse für Reiten und Sport – wie General Seehofer, welcher ein „leidenschaftlicher Reiter“ war und Sport ganz allgemein liebte. Er sprach noch bis ins Alter von etwa sieben Jahren über das frühere Leben, dann hörte er damit auf.

Helmuts Vater war Biologe, und es gab keine Soldaten in der Familie. Statt für ein Leben beim Militär entschloß er sich, in die Gastronomie zu gehen und machte eine entsprechende Ausbildung.

Der Fall von Gillian und Jennifer Pollock in England

Die Erinnerungen der zwei Pollock-Schwestern an ihr Vorleben ist in Europa der bekannteste und bedeutendste Fall. Ian Stevenson veröffentlichte einen detaillierten Bericht über diesen Fall im Jahr 1997.

Das Ehepaar John und Florence Pollock hatte mehrere Kinder, zwei von ihnen – Joanna und Jacqueline – kamen ums Leben, als eine wahnsinnige Fahrerin mit ihrem Auto auf den Bürgersteig raste, wo die beiden Mädchen mit einer Freundin spazierten. Die Kinder starben auf der Stelle. Diese Tragödie ereignete sich am 5. Mai 1957. Joanna war elf, Jacqueline sechs Jahre alt.

John und Florence Pollock waren Christen, zumindest formell. Im Jahre 1957 interessierte sich Florence nicht für Reinkarnation und glaubte auch nicht, daß sie stattfinden könnte. John hingegen hatte schon lange Jahre einen starken Glauben an die Wiederverkörperung gehabt. Nach dem Tod der Mädchen gelangte er zur Überzeugung, daß sie in die Familie wiedergeboren würden, und zwar als Zwillinge. Als am 4. Oktober 1958 die eineiigen Zwillinge Gillian und Jennifer Pollock geboren wurden, waren andere vielleicht überrascht, John jedoch nicht.

Als die Zwillinge allmählich sprechen konnten, machten sie – im Alter zwischen drei und sieben Jahren – einige Aussagen über das Leben von Joanna und Jacqueline. Gillian erinnerte sich an das Leben von Joanna, Jennifer an das von Jacqueline. In seinem detaillierten Bericht führte Ian Stevenson sechs Aussagen und fünf Beispiele von Wiedererkennen auf, die ihre Eltern ihnen zuschrieben. John und Florence hörten auch, wie die Zwillinge miteinander über den Unfall sprachen, bei dem Joanna und Jacqueline ums Leben gekommen waren.

Gillian und Jennifer hatten sehr ähnliche Gesichtszüge, wie es bei eineiigen Zwillingen zu erwarten ist. In ihrem Körperbau jedoch entsprachen sie in gewissem Maße demjenigen von Joanna bzw. Jacqueline. Joanna war etwas schlanker gewesen – so auch Gillian; Jacqueline war etwas stämmiger – so auch Jennifer. Jennifer hatte zwei Muttermale, Gillian keines. Ein Muttermal auf Jennifers Stirn, in der Nähe der Nasenwurzel, entsprach der Narbe von einer (mit drei Stichen genähten) Verletzung, die Jacqueline erlitten hatte, als sie im Alter von drei Jahren auf einen Eimer fiel. Das andere Muttermal war ein hyperpigmentierter Naevus an der linken Hüfte von Jennifer, welcher schon Jacqueline an der gleichen Stelle gehabt hatte.

Joanna hatte einen spreizfüßigen Gang gehabt – so auch Gillian. Wie bereits erwähnt war Joanna elf Jahre alt gewesen, als sie starb, und sie konnte gut schreiben. Jacqueline hingegen war erst sechs und hatte noch nicht gelernt, ein Schreibwerkzeug ordentlich zu gebrauchen. Sie hielt es in ihrer Faust anstatt zwischen Daumen und Zeigefinger, und trotz der Bemühungen des Lehrers, ihr zu zeigen, wie ein Stift korrekt zu halten war, konnte sie sich dies nicht angewöhnen, bis sie starb. Als nun die Zwillinge im Alter von etwa viereinhalb Jahren anfingen zu schreiben, hielt Gillian den Bleistift sofort richtig, während Jennifer ihn in der Faust hielt, wie Jacqueline es einst getan hatte.
Beide Zwillinge hatten eine Phobie vor Fahrzeugen – ebenfalls nicht verwunderlich, bedenkt man, daß sie durch ein Fahrzeug zu Tode gekommen waren.

Weil Joanna im Vorleben fünf Jahre älter gewesen war, neigte Jacqueline, als die Jüngere, dazu, der Führung ihrer älteren Schwester zu folgen. Joanna ihrerseits hatte die Tendenz gehabt, die jüngere Jacqueline zu „bemuttern“. Gillian und Jennifer verband eine ähnliche hierarchische Beziehung; Jennifer wandte sich um Geleit und Rat an Gillian, die wiederum eine Art mütterlicher Sorge für Jennifer zeigte.