Mit Gentechnik „sicher“ in die Krankheit

Die von Konzernen, Politikern, Medien, Wissenschaftlern und Behörden unablässig verbreitete Mär, die Gentechnik wäre sicher, ist unhaltbar. Dennoch wollen mächtige Kreise die Krise nutzen, um die gefährlichen Laborpflanzen überallhin zu verbreiten. Um unsere Lebensgrundlagen zu retten, müssen wir alle gerade jetzt entschlossen handeln.

Die Schweiz zeigt es vor: Nationale Souveränität und direkte Demokratie als Voraussetzung für Gentechnikfreiheit, weil die Technokraten in der Politik der Wirtschaft dienen.

Kreuz und quer untersuchten sie Wildpflanzen im US-Bundesstaat North Dakota. Was die Forscher der Universität Arkansas entdeckten, überraschte sie selbst: 83 Prozent aller Pflanzen enthielten die manipulierten Gene des Genrapses. Einige Pflanzen waren sogar doppelt bestückt: sowohl mit dem eingebrachten Fremd-Gen des Gentechnikkonzerns Monsanto als auch mit jenem von Bayer. Nur: Nie waren Pflanzen mit beiden Genkonstrukten freigesetzt worden. Sie hatten sich durch Kreuzung in der Natur so entwickelt. Damit muss angenommen werden, dass der Genraps in ganz Nordamerika nicht nur die Äcker, sondern auch die Wiesen erobert hat. Weiter zeigte sich, dass die synthetischen Gene in der Natur stabiler sind als angenommen. Eine neue Dimension der Bedrohung tut sich auf: Neben den Äckern sind nun auch Wild- und Gartenpflanzen durch die Gentechnik akut bedroht. Aus Heilkräutern können gesundheitsschädliche Gentechnik-Pflanzen werden, ohne dass man sie von außen als solche erkennen kann.

Fast gleichzeitig zur Meldung aus Kanada verkündete die EU-Kommission Mitte Juli 2010, den Mitgliedsländern die Wahlfreiheit zuzugestehen, über den Gentechnikanbau selbst zu entscheiden. Bei genauerer Betrachtung wird klar, dass sich die Ereignisse derzeit überschlagen: Zwei Wochen später lässt die EU-Kommission sechs Genmaissorten für den Import zu. Das Europäische Patentamt genehmigt so viele Patente auf Leben wie noch nie; gleichzeitig wird aufgrund des jahrelangen Widerstandes von Einzelkämpfern auf höchster Ebene verhandelt, ob diese Patente nicht doch rechtswidrig sind. Der Gentechnikkonzern Bayer verliert in den USA wegen gentechnischer Verseuchung der Reisbestände eine Millionenklage nach der anderen, während Klonfleisch in Großbritannien illegal auf den Tellern landet. Die Schweiz bleibt im kommerziellen Anbau drei weitere Jahre garantiert gentechnikfrei, in Bayern haben Bauern im wahrsten Sinne des Wortes „Zivilcourage“ bewiesen und damit Gensaaten zurück- sowie die allmächtige CSU an die Wand gedrängt. Ein hessischer Landwirt füllt mit seiner unglaublichen Geschichte einer Gentechnik-Katastrophe einen Saal nach dem anderen und hinterlässt im Publikum tiefe Betroffenheit.

Seit 2005 gehen die Gentechnik-Anbauflächen in Europa kontinuierlich zurück, doch mächtige Organisationen wollen die Krise nutzen, um doch noch durchzustarten. Alles spitzt sich zu und alles ist möglich – sowohl das Ende der Gentechnik als auch das Ende der natürlichen Nahrung. Je mehr wir über die Gefahren der Gentechnik wissen und je entschlossener wir handeln, desto größer ist die Chance, unsere Lebensgrundlagen zu sichern. Einen Etappensieg haben wir bereits erreicht: So erklärte der damalige Nestlé-Chef Helmut Macher 1997, ein Jahr nach dem erstmaligen, großflächigen, kommerziellen Anbau genmanipulierter Pflanzen: „Gen-Food ist das Essen der Zukunft. Wer in zehn Jahren Lebensmittel essen will, die nicht genmanipuliert sind, muss verhungern oder sehr reich sein.“ Der Versuch, die Menschheit mit widernatürlichen Nutzpflanzen zu überrollen und binnen kurzer Zeit vor vollendete Tatsachen zu stellen, ist zumindest in Europa, Asien, Afrika und Ozeanien fehlgeschlagen.

Warnende Wissenschaftler werden abgeschossen

Dies ist dem Mut furchtloser Menschen rund um den Globus zu verdanken, die sich der scheinbar übermächtigen Lobby ohne Rücksicht auf negative Konsequenzen in den Weg stellten. Einer davon ist Arpad Pusztai. Der Wissenschafter sollte in den 1990er-Jahren im Auftrag des schottischen Landwirtschaftministeriums Messmethoden für Sicherheitstests von Gentechnik-Nahrung schaffen. Pusztai entwickelte eine genmanipulierte Kartoffelsorte, die ein Lektin produzierte – ein Stoff, der normalerweise im Schneeglöckchen vorkommt. Dieser „Schneeglöckchen-Stoff“ sollte gegen Schädlinge wirken, aber für Menschen und Säugetiere ungefährlich sein, wie der weltweit führende Experte auf diesem Gebiet wusste. Doch es kam anders: Ratten, die mit den genmanipulierten Kartoffeln gefüttert wurden, waren anfälliger für Infektionen und Krankheiten; Thymusdrüse und Milz zeigten Schäden; einige Tiere hatten kleinere Gehirne, Lebern und Hoden, andere Tiere wiesen Gewebevergrößerungen auf. Außerdem wurden Zellveränderungen festgestellt, die auf ein höheres Risiko für Magen- und Darmkrebs schließen ließen. Die mit gentechnikfreien Kartoffeln gefütterten Ratten blieben gesund, auch wenn sie dieselbe Menge des „Schneeglöckchen-Stoffes“ – diesmal aber gentechnikfrei – zu fressen bekamen wie die Vergleichsgruppe.

Wie konnte es sein, dass ein normalerweise völlig harmloser Stoff plötzlich solche Schäden anrichtet – noch dazu teilweise schon nach nur zehn Tagen Verfütterung? Das wusste der britisch-ungarische Wissenschaftler zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Aber er wusste, dass er die Bevölkerung schnell warnen musste. Sein Chef, Institutsdirektor Philip James, erlaubte dies und so sagte Pusztai am 10. August 1998 in der britischen Fernsehsendung World in Action zum Thema Gentechnik-Nahrung: „Wenn ich die Wahl hätte, würde ich sie sicher nicht essen.“ Und: „Als ein in diesem Bereich aktiver Wissenschaftler finde ich es sehr sehr unfair, unsere Mitmenschen als Versuchskaninchen zu missbrauchen.“

Gleich nach der Sendung gratulierte ihm sein Chef und freute sich über das losbrechende Medieninteresse – schließlich erhoffte er sich gute Geschäfte mit dem Verkauf des Tests. Doch dann erhielt James, wie Pusztai später von ehemaligen Kollegen erfuhr, zwei persönliche Anrufe des damaligen Premierministers Tony Blair. Der Wissenschaftler musste zum Schweigen gebracht werden, habe die Kernaussage gelautet. Doch auch Blair war angerufen worden, wie Pusztai ebenfalls mitgeteilt wurde: von US-Präsident Bill Clinton, der sich von wenigen schottischen Wissenschaftlern nicht die „Biotech-Revolution“ kaputtmachen lassen wollte. Zwei Tage nach seinem Interview wurde Pusztai gekündigt. Genauso erging es seiner Frau und Vorgesetzten Susan Bardocz, ebenfalls eine Wissenschaftlerin von internationalem Ruf. Beide erhielten Redeverbot und Pusztais Arbeit wurde konfisziert. Eine beispiellose Kampagne gegen seine Person brach los, seine Arbeitsgruppe mit allen 19 Personen wurde aufgelöst. Ein Jahr später, am 16. Oktober 1999, veröffentlichte das Wissenschaftsmagazin The Lancet jedoch die Studienergebnisse und bestätigte Pusztai. Insbesondere die Auswirkungen auf den Magen-Darm-Trakt wurden beschrieben. Man warnte, dass diese Probleme auch beim Verzehr anderer gentechnisch veränderter Pflanzen auftreten können.

30 wissenschaftliche Studien: 30 x Gesundheitsgefahren

Doch anstatt dankbar zu sein, verbannte die „wissenschaftliche Gemeinschaft“ Pusztai dauerhaft aus ihrer Mitte. Zu gefährlich war er für seine Kollegen weltweit geworden. Inzwischen fand Pusztai auch heraus, warum die Ratten krank wurden: „Die Probleme kamen durch die Einfügung des Gens.“ Das Fremd-Gen hat demnach bewirkt, dass sich die gentechnisch veränderte Kartoffel deutlich von der Ausgangskartoffel im Protein-, Stärke- und Zuckergehalt unterschied. Mit anderen Worten: Genmanipulierte Pflanzen sind nicht gleichwertig („substanziell äquivalent“) zur jeweiligen gentechnikfreien Ausgangssorte – trotzdem wird die Lüge der „substanziellen Äquivalenz“ bis heute offiziell aufrechterhalten. Weltweit gibt es rund 30 unabhängige wissenschaftliche Studien über den Verzehr von Gentechniknahrung. Sie zeigen eine Gemeinsamkeit, die das Ehepaar Arpad Pusztai und Susan Bardocz zusammengefasst hat, nämlich„besorgniserregende Gesundheitsauswirkungen“. Alle Studien, ohne Ausnahme. Pusztai brachte durch seine Aussagen den donnernden Gentechnik-Zug erstmals ins Stocken. Das Medienecho war so groß und die Reaktionen der Menschen waren derartig stark, dass sich die EU-Kommission gezwungen sah, zwischen 1998 und 2004 die Zulassung neuer gentechnisch veränderter Organismen (GVO) zu stoppen.

Doch an ihm wurde ein Exempel statuiert, das allen Wissenschaftlern weltweit signalisierte: Wenn du dich gegen die Gentechnik stellst, kann es dir genauso ergehen. Dennoch ließen sich einige Kollegen nicht einschüchtern, sondern von ihrem Gewissen leiten:

  • 1998 lehnten sich drei Wissenschaftler der nationalen kanadischen Gesundheitsbehörde gegen die Markteinführung des Rinderwachstumshormons Somatotropin (kurz: rBST bzw. rBGH) unter dem Markennamen Posilac so vehement auf, dass Posilac die nationale Zulassung nicht erhielt. In der Natur dient Somatotropin der Kuh dazu, nach dem Kalben körperliche Reserven zu mobilisieren, um mehr Milch zu bilden. Zwei Injektionen des genmanipulierten Produktes pro Monat sollten reichen, um die Milchleistung der Tiere um mindestens fünfzehn Prozent pro Jahr zu erhöhen – dass die Tiere einen solchen Dauerstress nicht lange aushalten, ist wieder ein anderes Thema. Die Wissenschaftler stützten sich zum einen auf alarmierende Studien – unter anderem war bekannt, dass Rinder unter Euterentzündungen sowie Fortpflanzungsproblemen leiden. Zum anderen brachten sie auch ein millionenschweres Angebot von Monsanto an die Behörde ans Tageslicht. Doch ab diesem Zeitpunkt wurde das Trio „gemobbt, kaltgestellt, geschnitten“, wie der beteiligte Wissenschaftler Shiv Chopra feststellte – und schließlich 2004 entlassen.
  • Die russische Biologin Irina Ermakova bekam Probleme, als sie 2005 eine Studie über das weltweit häufigste verfütterte Gentechnik-Futtermittel veröffentlichte: Sie hatte trächtige Rattenweibchen in drei kleine Gruppen geteilt: eine erhielt genmanipuliertes Sojamehl zum Futter zugemischt, eine normales Sojamehl und eine Futter ohne jegliches Sojamehl. In den beiden Gruppen, bei denen die „werdenden Mütter“ kein Gensoja fressen mussten, starben innerhalb der ersten drei Lebenswochen 7 bzw. 9 Prozent der Jungratten, nach Gensoja-Verzehr waren 55,6 Prozent der Jungratten tot (25 von 45). Außerdem wogen die „Gensoja-Jungen“ bei der Geburt weniger als die anderen und waren auch danach im Schnitt kleiner.
  •  Im Sommer 2010 veröffentlichte ein weiterer Russe, der Biologe Alexej V. Surov, eine weitere Studie zum Gen-Soja von Monsanto, das auf 91 Prozent der amerikanischen Sojafelder angebaut wird. Auch er fand Wachstums- und Fortpflanzungsstörungen: Nachdem drei Generationen von Hamstern zwei Jahre lang mit dem Gen-Soja gefüttert wurden (es gab mehrere Gruppen mit unterschiedlich hohen Gensoja-Anteilen in der Diät), waren die Ergebnisse verheerend. Bereits in der dritten Generation waren die meisten Versuchstiere unfruchtbar. Außerdem war das Wachstum der jungen Hamster stark vermindert, und die Sterblichkeitsrate unter den Neugeborenen stieg stark an. Diese Ergebnisse waren am deutlichsten bei der Gruppe mit dem maximalen Gensoja-Konsum zu beobachten.
  •  Die französische Organisation CRIIGEN (Committee for Independent Research and Genetic Engineering) untersuchte die Zulassungsunterlagen des Monsanto-Genmais MON 863 noch einmal. Darin zeigten die Versuchstiere Anzeichen für eine Leber- und Nierenschädigung und hatten ein merkbar anderes Gewicht als die mit gentechnikfreiem Mais gefütterten Artgenossen. „Mit den vorliegenden Daten kann nicht geschlussfolgert werden, dass der gentechnisch veränderte Mais MON 863 ein sicheres Produkt ist“, erklärte Untersuchungsleiter Gilles-Eric Séralini. Die Antwort der EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit): Die Séralini-Studie bringe keine neuen, „toxikologisch relevanten“ Ergebnisse. Ebenso ignoriert die vielfach als „Skandalbehörde“ bezeichnete Institution die Forschungsergebnisse von Raffaele Mazza an der italienischen Universität Piacenza aus dem Jahr 2005: Sie wies bei Schweinen, die mit dem in der EU angebauten Genmais MON 810 gefüttert wurden, Bruchstücke des manipulierten Gens in Blut, Leber, Milz und Nieren auf. Seither ist klar, dass wir Gentechnik über Fleisch, Eier oder Milchprodukten auf dem Teller haben, sobald Tiere mit „Genfraß“ gefüttert wurden. Beim 2009 durchgewunkenen Genmais 59122xNK603 von Pioneer sind laut EFSA gleich gar keine Tests nötig – obwohl der Mais sogar vier Gift-Fremdgene enthält. Séralini & Co. dazu: „Regierungen, Biotech-Saatgut- und Pestizidunternehmen haben beschlossen, auf Tierfütterungsstudien gänzlich zu verzichten… stattdessen ziehen sie es vor, Gentechniknahrung direkt am Volk zu testen!“ Als der Wissenschaftler Anfang 2010 einen vielbeachteten Auftritt beim Fernsehsender France 5 hatte und als Gutachter letztlich den geplanten Auberginen-Anbau in Indien zu Fall brachte, startete die Französische Gesellschaft für Pflanzenbiotechnologie (AFBV) eine Verleumdungskampagne gegen ihn und sein Institut.

Wie gefährlich die Gentechnik sein kann, zeigt das Beispiel des normalerweise weitgehend nebenwirkungsfreien Schlafmittels L-Tryptophan in den USA: Als ein Unternehmen den Herstellungsprozess änderte und das Präparat mit genmanipulierten Bakterien produzierte, häuften sich im ganzen Land rätselhafte Erkrankungen. Mindestens 37 Menschen starben. Aufdeckern ist es zu verdanken, dass der Zusammenhang mit der Gentechnik klar aufgezeigt wurde. Warum sich die etablierte Wissenschaft trotz solcher Praxiserfahrungen und vieler warnender Stimmen nach wie vor in den Dienst der Lobbys stellt, erklärt der Norweger Terje Traavik, wissenschaftlicher Direktor des unabhängigen staatlichen Forschungszentrums GenØk an der Universität Tromsø: „Eine der größten Gefahren der Gentechnik besteht darin, dass 95 Prozent aller Wissenschaftler auf diesem Gebiet für die Industrie arbeiten, auf der Seite der Produzenten. Keine fünf Prozent sind wirklich unabhängig.“