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ARD zensiert Putin-Interview

Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein. Diesen Satz von Karl Marx sollte sich auch und vor allem die ARD als öffentlich-rechtliches Medium hinter die Ohren schreiben.

Manipulation durch Weglassen
von Tilo Schönberg (08.09.2008)

Erinnern wir uns kurz: Georgien überfiel in der Nacht vom 7. auf den 8. August die Hauptstadt Südossetiens mit Mehrfach-Raketenwerfen, also Waffen, die dafür da sind, großflächige Zerstörungen anzurichten. Damit hat Georgien bewusst die Tötung der (schlafenden) Zivilbevölkerung in Kauf genommen, wenn nicht gar beabsichtigt. Seitdem wird in der westlichen Presse mit Hilfe von PR-Agenturen verzweifelt versucht, Georgien als Verteidiger der Freiheit und Russland als Aggressor darzustellen.

Das „öffentlich-rechtliche“ Fernsehen macht dabei keine Ausnahme. In der Sendung „Maybrit Illner“ vom vergangenen Donnerstag durfte der Verantwortliche für den Tod von über 1.400 Zivilisten per Live-Schaltung dem deutschen Publikum seine Lügen von der russischen Invasion auftischen. Nur wenig später veröffentlicht die ARD auf ihrer Webseite ein Interview mit dem russischen Ministerpräsidenten Putin - ohne den geringsten Hinweis darauf, dass dieses Interview nur in Teilen wiedergegeben wird. Im Gegenteil überschreibt die ARD dieses gekürzte Interview mit den Worten: „Neun Minuten Interview mit Wladimir Putin im Wortlaut“. Damit wird dieses Interview, das eigentlich 20 Minuten dauerte, nicht nur verfälscht dargestellt, nein, man sorgt so dafür, das deutliche Aussagen Putins die Bevölkerung nicht erreichen, weil sie nicht in das Bild passen, das die neoliberale Einheitspresse derzeit vom Kaukasus-Konflikt zeichnen möchte.

Beispiel gefällig:
Auf die Frage, warum er (Putin, A.d.R.) sein Land mit Gewalt in diese Situation getrieben hätte, lässt die ARD Putin antworten: „Ich bin überzeugt, dass das Ansehen eines jeden Landes, das im Stande ist, das Leben und die Würde der Bürger zu verteidigen, eines Landes, das eine unabhängige Außenpolitik betreiben kann, dass das Ansehen eines solchen Landes mittel- oder langfristig steigen wird.“

Nochmal im Klartext. Die ARD will uns damit unterjubeln, das Putin den Einmarsch nach Georgien befohlen hätte um das Ansehen Russlands zu steigern! Öffentlich-rechtlicher Rundfunk! Was die ARD weggelassen hat, war der kurze Disput mit Thomas Roth vor dieser Antwort:

Wladimir Putin: Was meinen Sie, wer hat den Krieg begonnen?
Thomas Roth: Der letzte Auslöser war der georgische Angriff auf Zchinwali.
Wladimir Putin: [Ich] Danke Ihnen für diese Antwort. So ist es auch, das ist die Wahrheit. Wir werden dieses Thema später ausführlicher erörtern. Ich möchte nur anmerken, dass wir diese Situation nicht herbeigeführt haben.

Erst jetzt fährt Putin fort: „Ich bin überzeugt, dass das Ansehen … usw.“ Die ARD schneidet also genau den Satz aus dem Interview indem der Ministerpräsident Russlands klarstellt, das nicht Russland es war, das diesen Krieg angefangen hat, sondern Georgien. Einfach rausgeschnitten – so etwas nennt man Zensur.

Lesen und Vergleichen Sie selbst:

 Damit wollte die ARD verhindern, dass man hierzulande solche Sätze des russischen Ministerpräsidenten liest:

„… Der französische Aussenminister war in Nordossetien und hat sich mit Flüchtlingen getroffen. Die Augenzeugen berichten, dass die georgischen Streitkräfte mit Panzern Frauen und Kinder überfahren haben, die Leute in die Häuser getrieben und lebendig verbrannt haben. Georgische Soldaten haben, als sie nach Zchinwali kamen, - so im vorbeigehen – Granaten in die Keller und Bunker geworfen, wo Frauen und Kinder sich versteckt hatten. Wie kann man so etwas anders nennen, als Genozid? ... “

„… Wenn Sie erlauben, dann sage ich, was ich darüber denke. Es gab die Sowjetunion und den Warschauerpakt. Und es gab die sowjetischen Streitkräfte in der DDR, und man muss es ehrlich zugestehen, das waren Okkupationskräfte, die nach dem Ende des zweiten Weltkriegs in Ostdeutschland geblieben sind unter dem Deckmantel der Koalitionsstreitkräfte. Nach dem Zerfall der Sowjetunion, des Warschauerpaktes sind diese Okkupationskräfte weg. Die Gefahr von Seiten der Sowjetunion ist weg. Die NATO aber, die amerikanischen Streitkräfte, in Europa sind immernoch da. Wofür?
Um Ordnung und Disziplin in den eignen Reihen zu halten, um alle Koalitionspartner innerhalb eines Blocks zu halten, braucht man eine außenstehende Gefahr. Und Iran ist da nicht ganz passend für diese Rolle. Man will daher einen Gegner wiederauferstehen lassen und dieser soll Rußland sein. In Europa jedoch fürchtet uns niemand mehr…“

„… Wurde die Resolution 1244 angenommen? Ja! Dort wurde unterstrichen geschrieben: territoriale Souverenität Serbiens! Die Resolution haben die in den Müll weggeworfen. Alles vergessen. Sie wollten die Resolution zuerst umdeuten, anders interpretieren, aber es ging nicht. Alles vergessen. Warum? Das Weißen Haus ordnete an, und alle führen aus! Wenn die europäischen Länder auch weiterhin eine solche Politik führen, dann werden wir über europäische Angelegenheiten in Zukunft mit Washington reden müssen ...“

Aua. Putin spricht Klartext. Das tut weh und passt nicht ins Bild. Deswegen streicht man diese und noch mehr Sätze aus dem Interview. Den Zusammengeschnittenen Rest verkauft man uns dann als „Interview im Wortlaut“ – neoliberale Drecksjournaille

Quelle: 0815-Info; Copyright: Tilo Schönenberg