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Uranwaffeneinsatz im Irak: Wer untersucht die Folgen?

Im aktuellen Irakkrieg haben die Amerikaner ein Mehrfaches an radioaktiver Munition verschossen, als während des ersten Golfkrieges. Doch schon damals verursachte dies unter den irakischen Kindern sehr viele Mißbildungen. Ein Gespräch mit Dr. Souad Naji Al-Azzawi, Umweltingenieurin an der Universität von Bagdad:

Interview: Rüdiger Göbel Sie haben seinerzeit im Südirak die Folgen des Uranwaffeneinsatzes während des Golfkrieges 1991 untersucht. Gibt es bereits Erkenntnisse über die Verwendung von "Depleted Uranium" (DU - abgereichertes Uran) im jetzigen Krieg? Im Gegensatz zu 1991 hat die US-Armee DU-Munition dieses Mal nicht nur auf militärisches Gerät außerhalb der Städte verschossen. Uranwaffen wurden auch in dicht bevölkerten Wohngebieten eingesetzt. Die Folgen werden weitaus verheerender sein als 1991. Damals wurde DU-Munition hauptsächlich westlich von Basra im Südirak verschossen. Wir können heute allerdings praktisch keine detaillierten Untersuchungen durchführen. Durch die Plünderungen und Brandstiftungen in den Universitäten und anderen öffentlichen Einrichtungen fehlt es uns an allem. Wir haben keine Meßgeräte und keine Labors mehr. Was wir wissen, haben wir in erster Linie von westlichen Journalisten erfahren. Mit welchen Folgen rechnen Sie für die irakische Bevölkerung? Die Folgen hängen natürlich von der Menge der DU-Munition ab, die zum Einsatz gebracht wurde. Seitens der USA gibt es hierüber keine Angaben, wir können den Umfang nur schätzen. Die Zahlen reichen von 1000 bis 2000 Tonnen. 1991 waren es etwa 300 Tonnen - mit bereits verheerenden Folgen. Die Zahlen von Leukämieerkrankungen oder Mißbildungen bei Neugeborenen sind enorm gestiegen. Unsere Ärzte sind mit einer größeren Zahl von Krebserkrankungen konfrontiert, die immer aggressivere Formen annehmen. Das wird von niemandem bestritten. Nach den jüngsten Uranwaffeneinsätzen werden wir dasselbe nicht nur in Basra, sondern auch in Bagdad und anderen irakischen Städten erleben. Wie kann der irakischen Bevölkerung geholfen werden? Wir müssen möglichst schnell und umfassend untersuchen, wo überall Uranwaffen zum Einsatz gekommen sind, um die Folgen abschätzen und die Schäden in Grenzen halten zu können. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) sind hier gefordert. Klar ist: Im Irak selbst kann diese Aufgabe heute niemand leisten. Allerdings verweigern die Besatzungsmächte den UN-Organisationen jede Untersuchung in diese Richtung. Das ist eine schöne Befreiung! Sie fordern also WHO und UNEP auf, entsprechende Untersuchungen im Irak durchzuführen? Natürlich. Aber ohne Kooperation der US-Truppen ist dies angesichts der schlechten Sicherheitslage nicht möglich. Ohne Schutzzusagen der Besatzungsmächte wird niemand kommen. Die UNO kann nicht einfach Experten mit dem notwendigen Gerät in den Irak schicken und Untersuchungen durchführen. Solange die USA bei ihrer Nichtkooperation bleiben, wird nichts passieren. Fundierte Studien wird es also erst geben, wenn die Besatzungstruppen abgezogen sind, und das kann dauern. Das ist ein Verbrechen an den Menschen im Irak. Laura Bush rühmte kürzlich überschwenglich ihren Mann. Vor allem Frauen im Irak und in Afghanistan hätten von der Politik des US-Präsidenten profitiert. Welchen "Profit" ziehen Sie als Wissenschaftlerin in Bagdad aus der Operation "Iraqi Freedom"? George W. Bush und seine Frau sollten einmal in den Irak kommen, dann würden sie vielleicht aufhören, weitere Lügen zu verbreiten. Die Situation wird zunehmend schlechter. Die irakischen Frauen wurden um 40, 50 Jahre zurückgeworfen. Mit der US-Besatzung kamen islamische fundamentalistische Gruppen, schiitische wie sunnitische. Sie stellen im 25köpfigen Übergangsrat ihre Vertreter. Sie breiten ihre Macht überall in Bagdad und in anderen Städten aus. Frauen können nicht mehr alleine auf die Straße oder zur Arbeit gehen. Weil zunehmend mehr Mädchen entführt werden, schicken Eltern ihre Töchter nicht mehr in die Schule. Wir Frauen können nicht mehr anziehen, was wir wollen, sondern werden gezwungen, Schleier zu tragen. Vor dem Krieg waren wir frei, uns zu kleiden, wie wir wollten. Diese Freiheit haben wir verloren. Die Gesellschaft wird zunehmend von Fundamentalisten bestimmt. Quelle: http://www.jungewelt.de/2003/11-11/020.php Lesen Sie weitere interessante Artikel auf unserer News-Seite