Krieg in Gaza

Lange Zeit dominierte der schreckliche Angriffskrieg der Hamas auf Israel die globale Berichterstattung. Lesen Sie hier nun, was die Leitmedien uns im Palästina-Konflikt verschweigen.

Was verschweigen uns die Leitmedien zum Palästina-Konflikt im Nahen Osten?

Das Gas in Gaza

In der vierten Woche nach dem barbarischen Überfall der Hamas auf Israel gab das israelische Energieministerium etwas bekannt, das im Raketenhagel des Gazakriegs ungehört verhallte: Laut einer Mitteilung vom Sonntag, dem 29. Oktober 2023, hat Israel weitere zwölf Lizenzen an internationale Mineralölkonzerne vergeben, um vor der Küste nach Erdgas zu suchen. „In den letzten anderthalb Jahrzehnten wurden im östlichen Mittelmeer große Gasvorkommen entdeckt und Israel hofft, dass noch mehr gefunden werden, um die Pläne für den Gasexport nach Europa voranzutreiben, das auf der Suche nach neuen Energiequellen ist“, kommentierte Reuters.

Bereits 2017 wurden die Erdgas- und Ölvorkommen im Levant-Becken, dessen bislang größte Ressource das von Israel beanspruchte Leviathan-Erdgasfeld ist, auf einen Nettowert von 524 Milliarden US-Dollar geschätzt. Israel wolle diese Bodenschätze alleine ausbeuten, ohne den anderen Anrainerstaaten den ihnen zustehenden Gewinnanteil abzutreten. Diesen Vorwurf erhebt ein im Juli 2019 veröffentlichter Bericht der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung UNCTAD. Die Studie befasst sich aus ökonomischer Sicht mit dem Palästinaproblem. Ihr Titel lautet: „Die wirtschaftlichen Kosten der israelischen Besatzung für das palästinensische Volk: Das unausgeschöpfte Erdöl- und Erdgaspotenzial“. Demnach liegen das besetzte Westjordanland und der Gazastreifen „über beträchtlichen Erdöl- und Erdgasvorkommen“, wie sie auch direkt vor der Küste Gazas liegen. „Die Besatzung hindert die Palästinenser jedoch nach wie vor daran, ihre Energiefelder zu erschließen, um davon zu profitieren“, betont der UN-Bericht. „So wird dem palästinensischen Volk die Nutzung dieser natürlichen Ressourcen zur Finanzierung der sozioökonomischen Entwicklung und zur Deckung seines Energiebedarfs vorenthalten. (…) Dies ist nicht nur völkerrechtswidrig, sondern verstößt auch gegen das Naturrecht und das moralische Gesetz.“ Israel habe sich auf diese Weise viele Milliarden Dollar angeeignet, die eigentlich den Palästinensern zustehen, lautet das UNCTAD-Fazit.

Nachdem sich die israelische Armee 2006 aus dem besetzten Gazastreifen zurückgezogen hatte, sagte der frühere Premierminister Shimon Perez, nun habe Gaza die Chance, zu einem „Singapur des Nahen Ostens“ zu werden. Mit Blick auf die fossilen Energievorkommen klingt diese Bemerkung weniger utopisch, als man meinen könnte. Dass die Palästinenser dann die radikalislamische Hamas wählten, war aber nicht der einzige Grund für das bis heute unveränderte Armutsghetto im Gazastreifen, wie besagter UN-Bericht aufzeigt. In ihrer Schlussbemerkung warnten die Autoren vor vier Jahren mit prophetischem Blick: „Die Erdgas- und Erdölvorkommen können eine Quelle für zusätzliche Konflikte und Gewalt sein, wenn einzelne Parteien diese Ressourcen ohne Rücksicht auf den gerechten Anteil der anderen ausbeuten. Was eine Quelle von Reichtum und Möglichkeiten sein könnte, könnte sich als katastrophal erweisen, wenn diese gemeinsame Ressource individuell und exklusiv ausgebeutet wird, ohne das internationale Recht und die internationalen Normen zu beachten.“

Levant-Becken: Vor und unter dem Gaza-Küstenstreifen liegen ebenfalls Gasfelder (rot) und Ölfelder (grün).

Auch beim Krieg im Osten Europas geht es (unter anderem) um fossile Brennstoffe. Die Ukraine verfügt über die zweitgrößten Erdgasreserven in Europa und transportierte zudem über Pipelines billiges russisches Erdgas zu uns. Jetzt verpflichtet sich Deutschland vertraglich, zwanzig Jahre lang sehr teures (und minderwertiges) Fracking-Flüssiggas aus den USA zu importieren. Dass Hunter Biden, der Sohn des US-Präsidenten, schon vor Jahren trotz fehlender Qualifikation in den Vorstand eines ukrainischen Erdgasunternehmens gehievt wurde, sei hier nur am Rande erwähnt.

Konkurrenz zum Suezkanal?

Ein Fünftel des gesamten Welthandels wird durch den Suezkanal in Ägypten verschifft. Daher ist er von großer strategischer und wirtschaftlicher Bedeutung. Und deshalb existieren seit den 1960er-Jahren Pläne für einen gut 250 Kilometer langen Ben-Gurion-Kanal, der den etwas nördlich von Gaza gelegenen israelischen Mittelmeerhafen Aschkelon mit der ganz im Süden Israels gelegenen Stadt Eilat am Golf von Akaba verbinden soll. Der größte Teil dieser Wasserstraße würde durch die kaum bewohnte Negev-Wüste führen. Laut freigegebenen Dokumenten aus dem Jahr 1963 plante das US-Energieministerium mit Israel zusammen, für den Kanalbau Hunderte von Atombomben unter der Wüste zu zünden.

Mit einer solchen Verbindung zwischen Mittelmeer und Rotem Meer würde Israel zu einer Weltmacht im globalen Seehandel aufsteigen. Doch die Palästinenser sind im Weg. Offiziell soll der geplante Kanal nördlich um den Gazastreifen herumgeführt werden – also mitten durch inzwischen dicht besiedeltes israelisches Gebiet. Das ist kaum machbar. Würde man den Kanal hingegen quer durch den Gazastreifen bauen, könnte man das vermeiden. Zudem wäre die Strecke kürzer und damit billiger. Das ließe sich aber nur verwirklichen, nachdem die meisten Palästinenser aus dem Gazastreifen vertrieben worden wären.

Ethnische Säuberung?

Der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant sagte zu Beginn des Kriegs, es sei das Ziel von Israels Militäroffensive, „die Realitäten im Gazastreifen für die nächsten 50 Jahre zu verändern“. Und er drohte: „Wir kämpfen gegen menschliche Tiere und handeln entsprechend.“ Dass Premier Netanjahu die Palästinenser vor der angekündigten Militäroffensive aufgefordert hatte, ihre Heimat im Norden des Gazastreifens zu verlassen, muss nicht unbedingt allein durch humanitäre Beweggründe motiviert gewesen sein. Am 17. Oktober 2023 veröffentlichte die israelische Denkfabrik Misgav Institute for National Security and Zionist Strategy nämlich ein Positionspapier, in dem sie einen Vorschlag für die Zwangsumsiedlung der zweieinhalb Millionen in Gaza lebenden Palästinenser unterbreitet. Es bestehe „derzeit eine einzigartige und seltene Gelegenheit, den gesamten Gazastreifen in Zusammenarbeit mit der ägyptischen Regierung zu evakuieren“.