Zwillingsflammen: Ewige Liebe der Himmlischen Art

Schon mal der ‘verlorenen Hälfte’ nachgetrauert? Schon nach der ‘Dualseele’ gesucht? Eines Tages in zehn oder zehntausend Jahren werden wir mit ihr vereint sein – so sicher, wie die Sonne aufgeht. Bis dahin dürfen wir uns noch in der irdischen Liebe üben!

Dual-Seelen: Die ewige Suche nach dem zweiten 'Ich'...

Dual-Seelen: Die ewige Suche nach dem zweiten 'Ich'...

Kündigt sich ein Tag an, der unser ganzes Leben verändern wird? Spüren wir, daß die Hand des Schicksals an diesem einen Tag uns berühren wird und alles umstürzen, was war? Für den Dichter Novalis war der 17. November 1794 so ein Tag: Er wurde der zwölfjährigen Sophie von Kühn vorgestellt. Novalis schrieb später seinem zwei Jahre jüngeren Lieblingsbruder Erasmus über die Begegnung, daß „eine Viertelstunde mein Leben bestimmt hat“. Die Liebe traf sie beide beim ersten Anblick. Novalis wußte, daß er dieses junge Mädchen dereinst heiraten wollte.

Ludwig Tieck, ein anderer großer Schriftsteller jener Epoche, schildert die erste Begegnung zwischen Friedrich und Sophie so: „Der erste Anblick dieser schönen und wunderbar lieblichen Gestalt entschied für sein ganzes Leben, ja man kann sagen, daß die Empfindung, welche ihn durchdrang und beseelte, der Inhalt seines ganzen Lebens ward... Novalis ward zum Dichter, so oft er nur von ihr sprach.“

Allein, den beiden sollte kein irdisches Glück beschieden sein. Sophie starb nur zwei Tage nach ihrem fünfzehnten Geburtstag. Drei Tage nach ihrem Tod schrieb Novalis an Karl Ludwig Woltmann: „Meine Trauer ist grenzenlos, wie meine Liebe. Drei Jahre ist sie mein stündlicher Gedanke gewesen. Sie allein hat mich an das Leben, an das Land, an meine Beschäftigungen gefesselt. Mir ihr bin ich von allem getrennt, denn ich habe mich fast selbst nicht mehr.“ Sein ganzes Sehnen gilt nun der jenseitigen Welt, und er verzehrt sich im Wunsche, ihr nach zu sterben, um dort, im ‘Himmel’, wieder mit ihr vereint zu sein. „Ich sehe sie, den Engel meines Lebens, meine ewige Sophie, bald, sehr bald wieder. ... Der Augenblick des Wiedersehens ist der freudigste Aufblick, den ich noch unter dieser Sonne habe. Sie umgibt mich unaufhörlich – alles was ich noch tue, tue ich in ihrem Namen. Sie war der Anfang – sie wird das Ende meines Lebens sein“, schreibt er vier Wochen nach ihrem Dahinscheiden.

Das Jahr, innerhalb dessen Novalis seiner Sophie nachsterben wollte, verstrich, ohne daß sein Tod eintrat. Doch an ihrem vierten Todestag, und vielleicht war dies eine Folge seiner ungebrochenen geistigen Verbundenheit mit Sophie, wurde Novalis zunehmend schwächer. Nur sechs Tage später, am 25. März 1801, starb Novalis, auf seinem Gesicht ein seliges Lächeln – gerade so, als ob sie, Sophie, ihn aus diesem Leben abgeholt hätte.

„SIE WIRD MEINE INNERSTE SEELE, DIE HÜTERIN MEINES HEILIGEN FEUERS SEIN. WELCHE EWIGKEIT VON TREUE FÜHLE ICH IN MIR!“

Heinrich von Ofterdingen an Mathilde Klingsohr in Novalis’gleichnamiger Geschichte.

Eine ungewöhnliche Liebe? Oder nur eine, die durch die Sensitivität des Dichters über das Normale hinausgehoben wurde? Was sollen wir von Friedrich Klopstock (1724-1803) halten und seiner Liebe zu Meta Moller (1728-1758)? Meta bezeichnete Klopstock in einem Brief als „den ersten unter den Menschen“ und verriet ihm, daß sie im Alter von dreizehn Jahren eine Vision hatte: „Ich machte mir damals schon ungefähr so ein Bild von meinem Manne, als der Himmel ihn mir jetzt gibt.“ Klopstock wiederum schrieb am 27. August 1752: „Wie glücklich bin ich! – Sie ist die beste unter allen Mädchen, die jemals gen Himmel gesehn haben. Sie ist meine Einzige! Mein, mein ist sie, ganz mein!“ Und an Meta schrieb er einige Monate später: „Es dünkt mir, als ob Du, meine Zwillingsschwester mit mir im Paradiese geboren wärst. Gegenwärtig sind wir noch nicht da, aber wir werden dahin zurückkehren. Da wir hier schon so glücklich sind, wieviel mehr werden wir es dort sein.“

Am 12. Dezember 1752 notierte Klopstock in einem Brief an seinen Freund Bodmer: „Wenn ich ein Mädchen wäre, würde ich sie sein; und sie würde ich sein. Das ist so gewiß, als nur irgend die älteste Wahrheit sein kann. O, in unaussprechlichen Stunden, in Stunden der vollen Glückseligkeit, ist sie: Mein Mädchen;... meine Freundin; mein Freund; meine Schwester; meine Braut! Alles auf einmal, oder jenes besonders, wie es die Liebewollte, gewesen.“ Und in demselben Brief: „Manchmal denke ich, sie ist ich, und dann getraue ich mich nicht von ihr zu reden.“ Mehr als einmal bezeichnete Klopstock Meta als „die nächste Verwandte“. Und seine Geliebte schrieb am 24. November 1752an Klopstock:„ Ehe ich von Dir geliebt wurde, fürchtete ich das Glück. Mir war bange, daß es mich von Gott zerstreuen möchte. Wie sehr irrte ich mich! ... eine Glückseligkeit wie die meine, kann mich nicht von Gott zerstreuen( oder ich müßte gar nicht fähig sein, eine solche Glückseligkeit zu genießen), sie nähert mich ihm viel mehr. Die Rührung, der Dank, die Freude, alle Empfindungen der Glückseligkeit machen meine Anbetung noch feuriger.“

Fast genau dieselben Worte vernehme ich von Georg, dem das seltene Privileg vergönnt war, in seinem Leben seiner ‘ewigen Liebe’ zu begegnen. „So eine Erfahrung macht einen sehr demütig, und sie hat in mir noch vielmehr Respekt, noch viel mehr Liebe zu Gott hervorgebracht.“

Die „ewige Liebe“ zu jenem Menschen, welcher „der perfekte Deckel auf den Topf“ ist, die vollkommene Ergänzung, gleichsam ein Teil von einem selbst – sie sind nicht nur törichte Sehnsucht des Menschen. Esoteriker nennen sie Dualseelen oder Zwillingsstrahlen oder auch die ‘Göttlichen Ergänzungen’ oder ‘Schwesterseelen’. „Jeder Mensch hat eine Schwesterseele“, erklärt Omram Michael Aivanov. „Zu der Zeit, da er als Flamme, als Feuerfunke aus dem Schoße Gottes hervorging, war er zwei Wesen in einem, wobei sich beide vollkommen ergänzten, jedes des anderen Hälfte war. Diese beiden sind nunmehr voneinander getrennt, begaben sich in zwei verschiedene Richtungen und entfalten sich nun, jede auf ihre Weise. Sie können einander im Laufe ihrer Entwicklungsphasen wieder erkennen, weil jedes das Bildnis der anderen in den Tiefen ihrer Seele trägt. So verwahrt denn der Mensch in seinem Innersten das Bildnis seiner Schwesterseele. Wenngleich verschwommen, ist es doch in ihm. Darum kommt auch jeder Mensch mit der geheimen Hoffnung auf die Erde, irgendwo einer Seele zu begegnen, die ihm alles gibt, was ihm gebricht und innerlich vollkommen mit ihm übereinstimmt.“

Jeder Mensch hat eine Dualseele. Dies ist Gesetz. Wenn der ‘ewige’, geistige Körper des Menschen von seinen kosmischen Eltern geschaffen wird, die dazu ihr Licht aus dem Herzen aussenden und vereinigen, um einen männlichen und einen weiblichen Geistkörper zu erschaffen, vereinigen Vater-Mutter-Gott (welche natürlich auch Zwillingsflammen sind) die Flammen ihrer beider Herzen, um so einen neuen Geistfunken zu erschaffen. Mutter-Gott trägt diesen in ihrem Herzen, um ihn dann den neu geschaffenen Geistkörpern einzupflanzen. Da sie dies tut, teilt sie den dreifaltigen Gottesfunken in zwei Teile, und legt einen davon dem weiblichen und einen dem männlichen Geistkörper ins geistige Herz. Nun beseelt göttliches Leben die neu erschaffenen Wesen, die sich nun auf den Weg der Erfahrungen machen können. Eines fernen Tages, wenn sie Vollkommenheit erlangt haben und ‘aufgestiegen’ und frei sind, werden sie wieder zueinander finden – zwei Wesen, entstanden aus einer Flamme und daher ewig einander zugehörig.

„EHE ES EINES VON UNS BEENDEN WUSSTE, GEHÖRTEN WIR UNS AN. – WIR WAREN EINE BLUME NUR UND UNSERE SEELEN LEBTEN IN EINANDER...“

Hyperion an Diotima im Roman Friedrich Hölderlins, der sich als Hyperion sah und seine unsterblich Geliebte Susette Gontard als Diotima

Allerdings: Diese wunderbare Wahrheit berauscht manche Esoteriker etwas gar sehr. Gar schnell ist man bei einer neuen, heftigen Verliebtheit der Ansicht, daß es sich ganz bestimmt um die Zwillingsseele handeln müsse– bis zwei, drei Jahre verstrichen sind und der erste Schein der Verklärung verflogen – und sich die ‘Dualseele’ als nervtötender Quälgeist entpuppt –was dann natürlich den betroffenen ‘Dualseelensucher’ verführt, zu glauben, er dürfe seine Suche nun von vorn beginnen.

Ich kenne eine ganze Handvoll Leute, die in schöner Regelmäßigkeit ihre ‘Dualseele’ trafen, vor lauter Verzückung blind in die x-te Ehe hinein liefen – und, wenn dann die erste Verzauberung (denn nicht wahr, Dualseelen müssen sich ja nicht prüfen, die können ja gleich sofort zum Standesamt rennen) einer dumpfen Ernüchterung Platz gemacht hatte, sich aus dem Staub machten – um dann bei irgend einem tollen Kurs „diesmal wirklich“ ihre „wahre, ewige Dualseele“ kennenzulernen.

„Same procedure as every year“ konnte man da nur bei sich denken. Denn in Wirklichkeit scheint die Erde nicht der ideale Ort für die Vereinigung von durchaus real existierenden Zwillingsflammen zu sein. Erinnern wir uns: Die Erde ist ein Schulzimmer, kein Paradiesgarten. Wir sind hier zum Lernen. Das können wir mit Partnern, die nicht absolut ideal zu uns passen, offenbar besser. Denn eine Verbindung mit einem Dualseelenpartner kann leicht aus zweien eine ferne, abgeschiedene Insel machen, die sich selbst genügt und sonst gar niemanden braucht. Ich kenne ein (wirkliches, nicht eingebildetes!) Dualseelenpaar, das so trunken war, sich gefunden zu haben, daß es fast nur noch den eigenen Mythos lebte. Stunden verbrachten sie damit, jedem neu getroffenen Menschen ihre wunderbare Geschichte zu erzählen, verteilten ihr wahrgewordenes Märchen als Geschichte unter die Menschen, und versponnen sich immer mehr in einen Kokon aus Liebesfäden, der sie zunehmend unempfindlicher und unerreichbarer machte für den Rest der Welt. Da sie sowieso fast immer einer Meinung waren, bestätigten sie sich gegenseitig auf ihrem Weg, der in die Irre führte. Letztendlich mag ihr Zusammenkommen für das Wachstum ihrer Seelen von Nachteil gewesen sein, da sie auf ihrer gemeinsamen, einsamen Insel immer weiter weg von all dem trieben, was wahr und real und wirklich war – und wofür sie vor dem gelebt hatten.

Daß Zwillingsstrahlen sich auf Erden begegnen, ist selten. Und wenn, dann oft in Situationen, die es ihnen verunmöglichen, zusammenzukommen – beispielsweise, weil der eine oder beide anderweitig verheiratet sind. Und wenn sie sich finden, dann dauert ihre Verbindung in vielen Fällen nicht sehr lange. Thomas Ulrich präsentiert in seinem schönen Buch Dualseelen und Seelenpartner eine ganze Reihe von großen Lieben, unter denen es doch einige wirkliche Dualseelenbegegnungen gehabt haben mag. Und alle sind von Tragik umflort, von unerfülltem Sehnen begleitet.