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Wenn Journalisten sich weigern, die Wahrheit über Israel zu sagen

Aus Angst als Antisemiten verleumdet zu werden, stimmen wir den schrecklichsten Taten im Nahen Osten zu.

Von Robert Fisk: When journalists refuse to tell the truth about Israel

Was wäre wohl gewesen, wenn wir das Apartheid-System in Südafrika gegen die schwarze Mehrheitsbevölkerung unterstützt hätten? Was, wenn wir die weiße südafrikanische Führung als hard-line-Krieger anstatt als Rassisten bezeichnet hätten? Was, wenn wir die Erschießung von 56 schwarzen Demonstranten in Sharpeville als einen zu verstehenden Ausfall der südafrikanischen Sicherheitskräfte erklärt hätten? Was, wenn wir geschrieben hätten, dass die schwarzen Kinder, die von der Polizei erschossen wurden, in Wirklichkeit von ihren Eltern für die Sache geopfert worden waren? Was, wenn wir die terroristische ANC Führung dazu aufgerufen hätten, ihre Leute zu kontrollieren? Fast jeden Tag aber stellen wir genau so den israelisch-palästinensischen Konflikt dar. Ganz egal, wie viele Jugendliche auch von den Israelis erschossen werden, ganz egal wie viele Morde - auf beiden Seiten - begangen werden, und ganz egal, wie blutig die Reputation des israelischen Premiers auch ist, wir berichten über diesen fürchterlichen Konflikt, als ob wir die weißen Südafrikaner gegen die Schwarzen unterstützen würden. Nein, Israel ist nicht Südafrika (obwohl es das Apartheidregime unterstützt hat) und die Palästinenser sind auch nicht die Schwarzen von den Armenvierteln. Aber es gibt keinen wirklichen Unterschied zwischen Gaza und den Slums der Schwarzen von Johannesburg; und es gibt keinen wirklichen Unterschied zwischen der Taktik der israelischen Armee in den besetzten Gebieten und der südafrikanischen Polizei. Das Apartheidregime hatte Todesschwadronen, genau so wie Israel heute auch. Doch benutzen diese zumindest nicht Helikopter und Raketen.

Seit dem Zweiten Weltkrieg ist kein Volk so zum Bösen gemacht worden wie die Palästinenser. Und kaum ein Volk wurde so permanent entschuldigt wie die Israelis. Israelische Botschaften schreiben jetzt überall auf der Welt Journalisten an und sagen ihnen, daß es nicht fair ist, den israelischen Premier einen hardliner zu nennen. Und die Reporter parieren.

Sharon, so wird uns gesagt, wandelt sich vielleicht zum Pragmatiker, ein anderer de Gaulle gewissermaßen; in Wirklichkeit ist er wie die französischen Putschistengeneräle in Algerien. Die benutzten auch Folter und ermordeten ihre arabischen Opponenten. Es bedurfte eines israelischen Autors - Nehemia Strasler, in Ha´aretz - der sagte, daß Sharons Karriere von allem anderen als vom Frieden durchhaucht sei. Er stimmte gegen das Friedensabkommen mit Ägypten 1979. Er stimmte gegen den Truppenabzug aus dem Südlibanon 1985. Er war gegen die Teilnahme Israels bei der Friedenskonferenz in Madrid 1991. Er war gegen das Knessetvotum zum Osloabkommen 1993. Er war gegen einen Frieden mit Jordanien 1994. Er stimmte gegen das Hebronabkommen 1997. Er verurteilte den Rückzug Israels aus dem Libanon 2000. Er baut nun jüdische Siedlungen in den besetzten Gebieten, und verstößt damit vollkommen gegen internationales Recht.

Wir jedoch sollen glauben, daß der korrupte, von Parkinson geplagte Arafat schuld ist am Krieg. Er kann seine Leute nicht kontrollieren. Er wird von George W.Bush verdammt und sein Volk von der israelischen Führung regelrecht bestialisiert. Rafael Eytan, ehemaliger leitender Beamter, bezeichnete gewöhnlich die Palästinenser als Kakerlaken in einem Glastopf. Menachem Begin nannte sie zweibeinige Tiere. Rabbi Ovdia Yousef, der geistige Führer der Shaspartei, nannte sie Schlangen. Im August letzten Jahres, bezeichnete Barak sie als Krokodile. Letzten Monat, nannte Rehavem Zeevi, der israelische Tourimusminister, Arafat, einen Skorpion. Selbst das südafrikanische Regime gab den Schwarzen nicht so böse Namen.

Und wehe dem Journalisten oder Diplomaten, der sich dazu äußert. Zu Anfang des Jahres klagte das Simon-Wiesenthal-Center in Paris die Schwedische Präsidentin der Europäischen Union an, anti-jüdische Gewalt zu schüren. In einem Brief an den schwedischen Premier Minister schrieb das Center, Israel zu verurteilen, Terroristen zu eliminieren käme dem Argument der Alliierten gleich, die während des Zweiten Weltkrieges gesagt haben, dass es den Antisemitismus in Deutschland fördern würde, wenn man die Gleise, die zu Auschwitz führen, bombardieren würde. Schweden greife hiermit in einzigartiger Weise den Staat der Überlebenden des Holocausts an. Und was war jetzt genau das schwedische Verbrechen? Die Präsidentin hatte gewagt zu sagen, dass die Praxis der Eliminierung (von Gegnern) ein Hindernis bei dem Friedensprozess darstelle und neue Gewalt provoziere. Sie bezog sich noch nicht einmal auf die Todesschwadronen.

In ihrer Februarausgabe beging die Newsweek ein wirkliches virtuelles Vergehen, als sie auf dem Titelbild unter der Überschrift Terror goes global - exclusive: Bin Ladens international Network ein angsterregendes Foto von einem Mann zeigte, dessen Gesicht mit einem arabischen Tuch verdeckt war, und der eine Pistole in der Hand hielt. Der Leser denkt natürlich, dass dies ein Mitglied von Osama bin Ladens Netzwerk des globalen Terrors sei. Aber ich habe den finnischen Photografen ausfindig gemacht, der dieses Foto geschossen hat. Er nahm es auf bei einem Begräbnis in der Westbank. Dieser Mann war ein bewaffnetes Mitglied der palästinensischen Tanzimmiliz - und hatte nichts mit Bin Laden zu tun. Die Tanzim sind zwar auch gewalttätig genug, aber dieses Titelbild diffamierte das gesamte palästinensische Volk, in dem man es in Verbindung brachte mit dem Mann, der verantwortlich ist für die Bombardierung von US-Botschaften in Afrika.

Wie dieser tapfere amerikanische Autor Charley Reese in seiner regelmäßigen Kolumne schrieb, haben die Israelis sich ihren eigenen unbesiegbaren Feind geschaffen. Sie haben den Palästinensern so viel Leid und Verzweiflung und Demütigungen zugefügt, dass diese nichts mehr zu verlieren haben. Wir haben dies auch getan. Unser Schweigen, unsere Weigerung, die Wahrheit zu sagen, unsere Angst als Antisemiten beschimpft zu werden, der schwerwiegendste Vorwurf gegen Journalisten - bedeutet gleichzeitig, dass wir die schlimmsten Verbrechen im Nahen Osten mit unterstützen und zulassen. Vielleicht sollten wir uns noch einmal Berichte über das Apartheidregime anschauen und uns daran erinnern, dass es einmal Männer gab, die Ehre hatten.

Quelle: http://www.denkfabrik-info.de Lesen Sie weitere interessante Artikel auf unserer News-Seite