Sie sind im News-Archiv der ZeitenSchrift gelandet.
Aktuelle Beiträge finden Sie im Bereich Aktuell.

2000 Einwendungen gegen »Cholera-Kartoffel«

Umweltinstitut München fordert Stopp für Anbau von Pharma-Pflanzen

Das Umweltinstitut München hat dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Berlin am Freitag rund 2000 Einwendungen gegen einen geplanten Freisetzungsversuch mit genmanipulierten Kartoffeln zugestellt. Die von der Universität Rostock entwickelten Pflanzen enthalten pharmazeutische Stoffe. Sie sollen ab Mai im Freiland angebaut werden und bis 2008 in Groß Lüsewitz in der Nähe von Rostock wachsen.

Pharma-Pflanzen können aufgrund einer Manipulation ihres Erbgutes pharmazeutisch wirksame Proteine, Antikörper, Impfstoffe oder Hormone produzieren. Die transgenen Kartoffeln der Universität sollen der Produktion von Impfstoffen dienen. Zu diesem Zweck wurden Teile aus dem Cholera-Bakterium und dem Virus, das die tödliche »Chinaseuche« bei Kaninchen hervorruft, in verschiedene Kartoffellinien eingebaut. Der Versuch wäre ein Präzedenzfall: Nie zuvor wurden Pharma-Pflanzen in Deutschland auf freiem Feld angebaut. Bislang sind sie in keinem Land der Welt zum kommerziellen Anbau zugelassen.

Nach Ansicht von Andreas Bauer, Agrarwissenschaftler und Gentechnikreferent beim Umweltinstitut München, ist es ausgeschlossen, im Freiland die vollständige Kontrolle über genmanipulierte Pflanzen zu behalten. Ihr Anbau sei deshalb unverantwortlich. Zudem seien mögliche Umweltfolgen völlig unerforscht und die gesetzlich vorgeschrieben Sicherheitsmaßnahmen für Freisetzungsversuche mit Pharma-Pflanzen ungenügend: »Selbst in den USA, wo Gentechnik-Pflanzen weitgehend im rechtsfreien Raum und ohne Prüfung angebaut werden, gibt es strengere Regeln für solche Versuche als in der EU.«

Vor kurzem erschien eine englische Studie über die weltweite Kontamination durch genmanipulierte Pflanzen. Sie kommt zu dem Schluß, daß Verunreinigung über Pollen, Saatgut, Transport und falsche Deklaration inzwischen weltweit in großem Maßstab auftritt – selbst in Ländern, in denen genmanipulierte Pflanzen gar nicht angebaut werden dürfen. Bei fast allen weltweit durchgeführten Freilandversuchen mit Pharma-Pflanzen wurden die wichtigsten Nahrungspflanzen der Menschheit verwendet: Mais, Reis, Soja, Kartoffeln oder Gerste. Eine Kontamination der Nahrungskette mit Pharma-Konstrukten ist dadurch programmiert. So konnte 2002 in den USA erst in letzter Sekunde die Verunreinigung der Nahrungskette mit einem Schweineimpfstoff, den die Firma ProdiGene in Gen-Mais angebaut hatte, verhindert werden.

Das Umweltinstitut München fordert daher von der Genehmigungsbehörde, dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, den Anbau der Pharma-Kartoffeln zu stoppen. Zudem verlangt es vom Bundesforschungsministerium, das den Versuch finanziell unterstützt, keine weiteren Steuergelder für die Entwicklung dieser oder anderer Pharma Pflanzen bereitzustellen.

Quelle : Junge Welt, 2. 5. 2006 (ots/jW)