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Abgeschnittene Wurzeln

"Was, bitte, brauchen die Menschen dringender: die liebe EU-Verfassung oder den lieben Gott?" , fragt Günther Nenning in einer seiner zumeist sehr lesenswerten Kolumnen "Anders gesehen".

Und seine Antwort: "Beides probiert, kein Vergleich!" Deshalb fordert er, dass Gott in der zukünftigen EU-Verfassung vorkommen sollte: "Aber nein, das darf nicht sein. Egoismus, Zynismus, Verachtung aller höheren und höchsten Dinge - sie haben sich in den komplizierten Verhandlungen zum Verfassungstext unverhüllt gezeigt (...) So wurde die EU-Verfassung ein doppelter Pfusch: zweitens ein Kompromiss-Kauderwelsch, unverständlich für den normalen Bürger - erstens ein (angeblich) historisches Dokument, in welchem Gott nicht vorkommen darf. Also, der liebe Gott hält das ja leicht aus, dass er in vergänglichem Papierwerk nicht vorkommt. Im Übrigen ist es eine Schande und eine Entlarvung. Da gibt es im EU-Parlament eine deutliche Mehrheit von Abgeordneten der europäischen Volksparteien, die sich doch zum Christentum, zur christlichen Soziallehre usw. (angeblich) bekennen. Da gibt es quer durch alle europäischen Gruppierungen und Institutionen vermutlich eine große Zahl von religiös Gesinnten. Keinen hat der fehlende Gottesbezug ernsthaft aufgeregt. Alle sind voll verstrickt und gefangen im ständigen Hin und Her ihrer sonstigen Interessen. Gesiegt hat eine kleine, aber mächtige Zahl von praktizierenden Atheisten und Antiklerikalen, die eisern entschlossen waren: alles, aber Gott darf nicht herein. Da war es wieder einmal der Papst, der klare Worte gesprochen hat. Es ist schon so: Er ist der einzige mannhafte Politiker, den wir haben. Er sagte: "Man schneidet nicht die Wurzeln ab, aus denen man geboren wurde." Dazu der orthodoxe Patriarch Bartholomaios I.: "Niemand, der sich mit Europa befasst, kann die christlichen Wurzeln Europas leugnen." Oh doch, man kann. Und so schaut dann dieses Europa auch aus. Gewiss kommt es auf das Herz an und nicht auf das Verfassungspapier. Aber ebenso gewiss ist: Diese EU-Verfassung trägt das Kainsmal eines Europa ohne Gott. Wenn der Papst fordert, Europa dürfe sich nicht die Wurzeln abschneiden - meint er nicht nur einen historischen Tatbestand: ein Europa, das seine christlichen Wurzeln verleugnet - er meint auch etwas sehr Aktuelles und sehr Persönliches: Jeder Einzelne von uns, der sein Leben nur noch auf wirtschaftliche Interessen, auf Egoismus, Fit and Fun reduziert - lebt falsch. Ohne Wurzeln gibt es kein Glück." Quelle: KRONEN ZEITUNG vom 24. Juni 2004 Lesen Sie weitere interessante Artikel auf unserer News-Seite