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Atomstreit: Mutwillige Eskalationen

Merkel droht Iran mit "Reaktionen

Medienberichte vom 4. Februar 2006 zeigen überdeutlich, daß die Eskalation des „Atomstreits“ mit dem Iran planmäßig voranschreitet.
Es begann damit, daß die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) mit deutlicher Mehrheit eine Resolution verabschiedete, die den Iran wegen seines Atomprogramms vor den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bringen wird. Von dem 35 Mitgliedern stimmten 27 für die Resolution, Algerien, Belarus, Indonesien, Libyen und Südafrika enthielten sich der Stimme und Kuba, Syrien und Venezuela stimmten dagegen. Wie vom Iran zuvor für diesen Fall angekündigt, erklärte das Land daraufhin, die Urananreicherung "unverzüglich" in vollem Umfang erneut zu beginnen.
Daß der Iran einerseits wie jedes Land das Recht auf eine friedliche Nutzung der Kernenergie hat, andererseits das iranische Staatsoberhaupt und angesehenster islamischer Führers im so häufig als "fundamentalistisch islamistischen" bezeichneten Iran, Ayat Allah Seyyed Ali Hoseini-Khamenei, eine Fatwa (ein islamisches Rechtsgutachten) ausgesprochen hat, der zufolge Herstellung, Lagerung und Benutzung von Atomwaffen dem Islam zufolge verboten sei, wird dabei vollständig ignoriert.

Ebenfalls am Samstag machte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer Rede vor der "Sicherheitskonferenz" in München klar, wo sie hinsichtlich des Irans steht und ließ damit mehr als erahnen, wie sich Deutschland bei einer Eskalation auf die militärische Ebene verhalten wird. Nicht nur, daß sie dem Iran – noch vor dessen Ankündigung, die Urananreicherung wieder aufzunehmen – vorwarf, "mutwillig die rote Linie überschritten" zu haben, sie verglich den Iran auch direkt mit Nazideutschland, als sie im Hinblick der scharfen Worte des iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadi-Nejad hinsichtlich Israels sagte, "damals haben viele Beobachter von außen gesagt, das sei doch nur die Rhetorik der Nazis, man solle sich nicht so aufregen." In den 30er Jahren habe es noch Zeit und Möglichkeiten gegeben, "da hätte man noch anders reagieren können." Völkerrechtlich ist seine Forderung, Israel "von der Landkarte zu tilgen" zwar zweifellos zu verurteilen, die Bedeutung, die dieser Aussage in den "westlichen" Medien und auch von Merkel zugeschrieben wird, entspricht nicht den Tatsachen, ganz abgesehen davon, daß derartige Forderungen seit Jahrzehnten vom Iran als auch anderen arabischen Ländern geäußert werden.
"Es sind nicht das jüdische Volk, das vernichtet werden sollte und es sind nicht die Gebäude und die Häuser und die Schulen, die die Siedler bauten, sondern es ist der institutionelle Rahmen, der durch die die zionistische Einheit 'Israel' und ihre grundlegende Ideologie, Zionismus, repräsentiert wird", so Dyab Abou Jahjah, Präsident der Arabisch-Europäischen Liga (AEL).
Hinsichtlich der Vorbereitungen eines Angriffskrieges gegen den Iran ist auch ein am Samstag von Spiegel Online veröffentlichter Artikel mit dem Titel "Iran nimmt NATO-Flieger ins Visier" beachtenswert. Darin wird ohne Nennung einer Quelle behauptet, die iranische Flugabwehr habe in letzter Zeit mehrfach im afghanischen Grenzgebiet zum Iran aktive NATO-Flugzeuge mit ihrem Radar "angestrahlt". NATO-Offiziere "sorgen" sich deshalb, daß Maschinen "beim Anflug auf grenznahe Flugplätze mit Raketen beschossen werden könnten."

Tatsächlich scheint es wenig glaubwürdig, daß der Iran selbst so den Vorwand für den geplanten Krieg liefern würde. Andererseits erinnert dieses Szenario nur allzusehr an die Versuche, die irakische Flugabwehr durch massives Bombardement des Landes zum Abschuß von britischen und US-Maschinen zu provozieren. Nachdem dies nicht gelang, dachten US-Präsident George W. Bush und der britische Premierminister in einem Gespräch darüber nach, "U2"-Spionageflugzeuge in den Farben der Vereinten Nationen über dem Irak einzusetzen. Wären sie von dem Irak angegriffen worden, hätte er die UN-Resolution 1441 verletzt und so einen Angriff ermöglicht.

Quelle : www.freace.de, 4.2. 2006