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Bush: Er lügt wenn er den Mund auftut

Es wird eng für Bush und Blair: Der Irak erweist sich immer mehr als ein modernes Vietnam.

Von John Pilger

Am Gedenksonntag, kurz vor Bush's desatrösen Besuch in Großbritanien, war Blair am Denkmal für den unbekannten Soldaten. Er bot den ungewöhnlichen und flüchtigen Anblick eines "Staats Killers" dessen Ansehen nichts mehr gilt. Sein Gesichtsausdruck war schuldbewusst, als er sich oberflächlich vor den "glorreichen Toten" verneigte. William Howard Russel von der Times schrieb über einen Premier Minister der verantwortlich für das Gemetzel auf der Krim war: "Er bewegt sich wie einer mit Blut an den Händen". Blair hielt sich nicht lange auf nachdem er mit einstudierter Mine der Königin, deren Vorrecht es ihm ermöglichte seine Verbrechen im Irak zu begehen, seinen Respekt gezollt hatte. "Schleich dich nach Hause, und bete das du niemals die Hölle kennen lernst in die unsere Jugend in ihrer Unbekümmertheit geht." schrieb Siegfried Sasson im Jahre 1917.

Blair weiss das sein Spiel zuende geht. Bush's Empfang in Großbritannien demonstrierte dies und die CIA beschreibt den Widerstand im Irak als "umfassend, stark und wird stärker", ca. 50000 Widerständler schätzt man. "Wir könnten in dieser Situation verlieren," wird an das Weisse Haus berichtet. Das Ziel sollte sein für das "Endstadium zu planen".

Ihre Lügen sind zur Satire geworden. Bush erzählte David Frost, die Welt müsse wirklich ihre Ansichten über Saddam Hussein's nukleare Waffen ändern, da die "modernster Art" seien. Besonders war ich von Donald Rumsfeld's Einschätzung begeistert, als er sagte: "Die Botschaft ist, daß es bekannte Bekanntheiten gibt - d.h. es gibt Dinge von denen wir wissen, daß wir von ihnen wissen. Dann gibt es bekannte Unbekanntheiten - d.h. Dinge von denen wir heute wissen, daß wir es nicht wissen. Aber dann gibt es noch die unbekannten Unbekanntheiten... Dinge von denen wir nicht wissen, daß wir nichts von ihnen wissen. Aber jedes Jahr entdecken wir ein paar mehr dieser unbekannten Unbekanntheiten."

In einer noch nie in dieser Art dagewesenen Zusammenkunft früherer amerikanischer Geheimdienstler und Pentagonbeamten in Washington hat, in den Worten von Ray McGovern, eines ehemaligen CIA Analysten und Freund von Bush's Vater, festgestellt: "Wir wissen jetzt, daß noch nie ein amerikanischer Präsident so oft, unverschämt und nachweisbar gelogen hat. ......Wir können daher davon ausgehen, daß er jederzeit wenn er etwas sagt, bereit ist zu lügen.

Blair und sein Außenminister wagen es auch noch darauf hinzuweisen daß die Millionen Menschen die mit der Bush Bande nicht einverstanden sind, "Zeitgeist gemäß, anti-amerikanisch seien". Ein aufschlußreiches Beispiel ihrer Verlogenheit demonstrierte kürzlich Jack Straw. Auf BBC Radio 4, versuchte er Washingtons Lehre eines "präventiven Kriegs" zu verteidigen. Straw erzählte dem Interviewer: "Artikel 51 [der UN Charta], auf welchen sie sich gerade bezogen - sie sagten, sie würde sich nur auf Selbst-Verteidigung beziehen - in Wirklichkeit geht die Charta weiter und bezieht sich auf das Recht von Staaten "präventive Aktionen" zu unternehmen.

Straw log. Keines seiner Worte war wahr. Artikel 51 bezieht sich nicht auf ein "Recht von Staaten präventive Aktionen zu unternehmen" oder etwas ähnliches. Nirgendwo findet man in der UN Charta etwas derartiges erwähnt. Artikel 51 bezieht sich nur auf "das Grundrecht individueller und kollektiver Selbstverteidigung sollte ein bewaffneter Angriff erfolgen" und im weiteren schränkt der Artikel dieses Recht sogar noch ein. Darüber hinaus wurde die UN Charta so gestaltet, daß ein beanspruchtes Recht auf einen präventiven Krieg ungesetzlich ist.

Mit anderen Worten, der Außenminister fabrizierte eine Bedingung die es in der UN-Charta gar nicht gibt und verbreitete sie als Tatsache. Wenn Straw die Wahrheit spricht verbreitet er Angst und Schrecken. Kürzlich gab er zu, Bush habe ihn zu den kritischen Gesprächen mit dem US Vizekönig von Bagdhad, Paul Bremer, nicht konsultiert. Straw sagte, er wäre zu den "Gesprächen mit Bremer nicht eingeladen gewesen". Die Abschrift des Auswärtigen Amtes zu dem Vorgang erwähnt nicht die Beschwerde Straw's, "die USA und das UK sind die Besatzungsmächte und wir müssen uns dieser Verantwortung stellen". Die Mißachtung der USA gegenüber ihres treuesten Vasallen war niemals offensichtlicher.

Beide sind nun am Verzweifeln. Die panischen Reaktionen des Bush Regimes erinnern an israelische Rachefeldzüge. Mit F-16 Flugzeugen werden 500 kg Bomben auf zivile Wohngegenden, genannt "Verdachtszonen" abgeworfen. Amerikanische Soldaten verbrennen die Ernte der Bauern: auch eine israelische Taktik. Die Parallelen sind nun Palästina und Vietnam; mehr Amerikaner sind im Irak gestorben, als in den ersten drei Jahren in Vietnam.

Für Bush und Blair wird es nicht genügen auf das "Heldentum unserer wundervollen Truppen zu verweisen". Dieser populistische Zauber wird diesmal keine Wunder wirken. "Mein Mann ist vergeblich gestorben" heißt die Schlagzeile des Independent vom vergangenen Sonntag. Lianne Seymour, die Witwe des Kommandeurs Ian Seymour, sagt: "Sie haben die Jungs in die Irre geführt. Man kann nicht einfach ein Unrecht begehen und darauf hoffen später eine Begründung dafür zu finden." Die moralische Logik ihrer Worte wird von einer Mehrheit der Briten geteilt, wenn auch nicht vom immer kleiner werdenden Hofstaat Blair's. Wie heruntergekommen erscheint da doch der kriegshetzerische Konkurrent des Independent, der Observer, mit seinen Boulevardgeschichten und Händeringen, nachdem er sich seiner stolzen liberalen Tradition entledigt hat.

"Die da unten", die toten und leidenden Iraker sind es nicht wert auf unsere Titelseiten zu kommen, genausowenig wie der Amnesty International Report der amerikanische und britische Truppen der Folter bezichtigt. Ermittler von Amnesty International haben Berichte von 20 ehemaligen Gefangenen aufgenommen. "In einem Falle ist die Rede von Elektroshocks.....wenn Sie jemanden die ganze Nacht über schlagen und jemand blutet und Zähne brechen, dann ist das mehr wie eine Tracht Prügel," sagte der Amnesty International Rechercheur, "Ich denke das ist Folter." Die Amerikaner halten 4000 Gefangene fest - mehr, so wird geschätzt, als Sadam Hussein jemals in seinen Folterkammern hatte.

Während Bush in London war, vertagte Baroness Symons, Staatssekretärin im Auswärtigen Amt, wieder einmal ein seit langem geplantes Treffen mit Familien von englischen Staatsbürgern die im amerikanischen Konzentrationslager, Guantanamo Bay auf Kuba gefangen gehalten werden. Dies ist ihr schon zur Gewohnheit geworden. Die Familien und ihre Rechtsanwälte wollen Fragen stellen wegen angeblicher Folter, dem sich verschlechternden mentalen Gesundheitszustand der Gefangenen und der Kriminalisierung der muslimischen Bevölkerung Großbritanniens. Nun schon zwei Jahre gefangengehalten in Guantanamo, wird diesen englischen Staatsbürgern ihr Recht auf ein ordentliches Verfahren vorenthalten und an den amerikanischen Kriegsherrn delegiert.

Blair's Probleme fangen erst an. Es gibt Anzeichen eines Shiiten- Aufstands im südlichen Irak, dem Besatzungsgebiet der Engländer. Es heißt eine shiitische Untergrundarmee formiert sich, still und geduldig, wie es schon unter dem Shah des Iran der Fall war. Falls dieser Aufstand zustande kommt, wird noch viel mehr Blut an den Händen des Premierministers kleben bleiben.

Zum 11 November, am Remembrance Day, (Gedenktag für die toten Soldaten der Kriege)schrieb Hywel Williams einen ergreifenden Artikel über "Die verwertbare Vergangenheit - Zeiten, die in Propaganda gepackt werden können . . . [durch diejenigen] die Interessen und eigene Karrieren zu fördern haben . . . Wir sind jetzt ein Land, dekoriert mit dem Unkraut des Krieges . . . Die Erinnerung an die Toten ist nicht mehr eine saisonale Angelegenheit, sondern sie wird zu einem kontinuierlichen Totenfest, indem individuelle Seelen in die Rechtfertigung aller british-amerikanischer Kriege gepresst werden. Es scheint kein Ende für dieses Leid zu geben.

Ja, aber nur wenn wir nichts dagegen tun.
Quelle: New Statesman / ZNet 21.11.2003