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Coca Cola: Undenkbar, Untrinkbar

Hungerstreiks in Kolumbien, Hungermärsche in Indien, Diskriminierungsklagen in den USA und ein Skandal mit karzinogenem Wasser in Großbritannien - dem Coca Cola-Konzern bläst ein steifer Wind entgegen.

Von Michaela Simon, 01.04.2004

Coca Cola ist vielleicht die erfolgreichste amerikanische Marke, die es je gab. Dennoch droht dem Konzern, seit sechs Wochen auf der Suche nach einem neuen Chef, ein Führungsvakuum. Der Börsenwert lässt zu wünschen übrig. Und als wäre der tägliche Kampf gegen Pepsi nicht schon hart genug, kommen ständig neue Coke-Gegner hinzu. So hat der Getränkemagnat nicht nur misshandelte Gewerkschaftler und entlassene Arbeiter, sondern auch das FBI am Flaschen-Hals: Ermittelt wird wegen unlauteren Geschäftspraktiken in der Zusammenarbeit mit asiatischen Zwischenhändlern. Und in den USA musste das Unternehmen kürzlich fast 200 Millionen Dollar zahlen, um ein von afro-amerikanischen Mitarbeitern angestrengtes Verfahren wegen Diskriminierung abzuwenden. Ein zweites Verfahren in einem anderen Betrieb steht bevor. Bürgerrechtler Jesse Jackson warnte den Konzern bereits vor einem möglichen Boykott durch die schwarze Kundschaft. Für eine ganze Kaskade von Erniedrigungen sorgte die Dasani-Geschichte in Großbritannien. Mit Dasani, einem stillen Wasser, wollte Coca Cola sich auf dem extrem wachstumsstarken Wassermarkt freischwimmen. Die erste Welle des Hohns schlug hoch, als das "reine" Getränk sich als simples gereinigtes Leitungswasser entpuppte. Mit der zweiten Welle stellten sich die "hochentwickelten Reinigungsverfahren", welche angeblich auf NASA Raumfahrttechnik basierten, ebenso als simpel und nicht gerade neu heraus(umgekehrte Osmose). Die dritte Welle schließlich spülte das neue Produkt ganz vom Markt; im Dasani-Wasser waren unzulässig hohe Konzentrationen von Bromat gefunden worden, einer potentiell krebserregenden Substanz. Das Bromat soll im Zuge des Herstellungsprozesses bei der Hinzufügung von Kalzium angefallen sein, im südenglischen Leitungswasser, dem Ausgangsprodukt - das 3000mal weniger kostet als Dasani - fand sich zumindest nichts davon.

Um Wasser geht es auch in dem Streit zwischen Coca Cola und einen kleinen indischen Reisbauern-Dorf. Der Konzern sauge förmlich die Gemeinde trocken, so der Vorwurf. Seit 1998, als ein gewaltiger Abfüllbetrieb der Coca-Cola-Company in Plachimada errichtet wurde, führe der täglich eigens dafür gebohrte Brunnen bis zu 1,5 Millionen Liter Wasser ab. Der Grundwasserspiegel soll sich durch die extensive Wasserentnahme stark gesenkt haben, was zu einem Austrocknen zahlreicher Brunnen in der Gegend geführt habe.

Laut der britischen Organisation Actionaid handelt es sich bei dem geschilderten Fall um eines der übelsten Beispiele dafür, was multinationale Unternehmen in armen Ländern anrichten. Das Werk sei in eine blühende landwirtschaftliche Gemeinde eingebrochen, Kokosnussplantagen und Reisfelder im weiten Umkreis lägen vertrocknet brach. Einem BBC-Bericht zufolge befinden sich in dem Schlamm, der anfänglich von Coca Cola noch als "gutes" Düngemittel an Landwirte abgegeben und später oft einfach in trockene Flussbette gekippt wurde, hohe Anteile von Blei und Kadmium. Der Coca-Cola-Konzern ist einer der größten direkten Auslandsinvestoren Indiens. Seit Beginn der Protestaktionen gegen den Abfüllbetrieb, dessen "Treiben" sich im Laufe des letzten Jahres zu einer regelrechten cause celébre von Globalisierungsgegnern entwickelt hat, kam es bereits zu mehr als 300 Festnahmen.

Mitte März ist der Betrieb nun tatsächlich geschlossen worden; angesichts der großen Wasserknappheit weigerten sich die Behörden, Coca Cola eine Lizenzverlängerung zu gewähren. Ein Sieg Davids gegen Goliath - doch es ist ein dorniger Sieg, denn ca. 800 Menschen waren - ohne ordentliche Verträge - von der Firma abhängig und sind nun arbeitslos. In einem Hungermarsch protestierten sie am Montag gegen die "diskriminierende Politik" der Regierung.

"Coca-Cola wird bald von einem globalen Boykott zuvor nie da gewesener Kraft und Wut erschüttert werden", prophezeit Naeem Mohaiemen. Tatsächlich hat auch die Klage der kolumbianischen Ernährungsgewerkschaft gegen die Coca-Cola-Werke erneut Aufmerksamkeit erregt. Mitte 2001 hatte die Gewerkschaft SINALTRAINAL die Coca-Cola-Company und die Coke and Panamerican Beverages, Inc angeklagt, Mitverantwortung für ermordete und gefolterte kolumbianische Gewerkschaftsführer zu tragen.

Coca Cola versucht gerne, Verantwortung für die Beschäftigungsbedingungen der Arbeitnehmer in ihren Abfüllfirmen, in denen die überwiegende Mehrheit der Coca Cola Arbeitnehmer tätig ist, abzulehnen. In immer mehr Ländern berichten die Gewerkschaften in den Abfüllbetrieben über willkürliche und gewerkschaftsfeindliche Verhaltensweisen der Unternehmensleitungen. Dabei geht es unter anderem um Betriebsschließungen ohne Verhandlungen mit der Gewerkschaft und systematische Kampagnen zur Schwächung oder Ausschaltung der Gewerkschaften.

Am 15.März haben jetzt Gewerkschafter vor Abfüllanlagen in Barrancabermeja, Bogotá, Bucaramanga, Cali, Cartegena, Cúcuta, Medellín und Valledupar den Hungerstreik ausgerufen - eine verzweifelte Reaktion auf fortgesetzte Entlassungen und Repressalien gegen Gewerkschafter.

Aus Solidarität gab es auch in den USA Studenten-Demonstrationen gegen Coca Cola, die seit Juli 2003 laufende "Unthinkable, undrinkable"-Kampagne findet immer mehr Freunde; Arbeiter und Gewerkschafter in den USA und Kanada sorgten zum Beispiel dafür, dass die Coca-Cola-Automaten aus ihren Kantinen verschwanden. Und die Webseite der Campaign to Stop Killer Coke führt ein Sündenregister für die "böse Brause".