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Das heimliche Sterben der Haie

Vor 50 Jahren war Weißspitzen-Hochseehai der am weitesten verbreitete Hai der Welt. Heute steht die Art kurz vor dem Aussterben: Die Fischerei-Industrie hat nach Meinung von Forschern ganze Arbeit geleistet.

Es ist schockierend, dass wir bis heute nichts davon gemerkt haben, sagte die kanadische Wissenschaftlerin Julia Baum von der Dalhousie University Halifax. Im Golf von Mexiko sei der Bestand der Weißspitzenhaie in nur 50 Jahren um 99,3 Prozent zurückgegangen. Ihr Kollege Ransom Myers verglich die Dezimierung mit dem Verschwinden der Büffelherden in den Prärien Amerikas.

Anfang der fünfziger Jahre lebten im Golf von Mexiko nach den Erkenntnissen der Forscher Hundertfünfzig Mal mehr Weißspitzenhaie als heute. Die bis zu drei Meter langen Raubfische galten damals als die weltweit am weitesten verbreitete Hai-Art. Im Golf von Mexiko sei sie bereits "ökologisch gesehen ausgestorben", sagte Baum.

Der massive Rückgang der Population blieb unbemerkt, weil keinerlei Zahlen vorlagen. "Fangstatistiken für diese und viele weitere Hai-Arten aus den sechziger, siebziger und achtziger Jahren existieren nicht", beklagt Baum. Erst bei den neuen Untersuchungen sei die faktische Ausrottung erkannt worden.

Die kanadischen Biologen glauben, die Gründe zu kennen. Kontinuierliche Überfischung und die Nachfrage nach Haifischflossen-Suppe hätten die Tragödie verursacht, so Ransom Myers. "Wenn die Haie überleben sollen, dann müssen wir den Fischfang einschränken und das Fangen von Haien weltweit verbieten." Vor allem den Thunfischjägern gehen Haie immer wieder als Beifang in die Netze.

Auch bei anderen Hai-Arten ist die Population stark zurückgegangen. Die Zahl der Seidenhaie etwa sank im Golf von Mexiko innerhalb der vergangenen 50 Jahre um 90 Prozent. Seit den neunziger Jahren sinkt die Zahl der Haie um jährlich zehn Prozent.

Baum und Myers fürchten, dass die Hai-Dezimierung nicht nur den Golf von Mexiko betrifft, sondern weltweit stattfindet. Dazu fehlten jedoch Informationen. "Für viele Gebieten existieren entsprechende Zahlen nicht", so Baum. "Wie bei vielen anderen Meeresbewohnern auch, bemerken wir das Aussterbe-Risiko erst, wenn es zu spät ist."

Quelle: SPIEGEL ONLINE