von Amira Hass Kurz nach dem Mord in Shfaram wurde berichtet, dass die Verwundeten und die Familien der Mordopfer eine schriftliche Anerkennung als Opfer von Terrorismus erhalten und entsprechend behandelt und entschädigt werden sollen. Da kam sofort die Frage auf, seit wann kommt so etwas Selbstverständliches und Normales in die Schlagzeilen? Aber Gleichheit unter Juden und Arabern ist nichts Selbstverständliches. Insofern war diese Pressenotiz, die niemals eine besondere Nachricht sein sollte, angemessen und in Ordnung. Die Pressenotiz – und die Atmosphäre von Abscheu, die dazuführte – kann Bürokraten in den Finanz- und Gesundheitsministerien und bei der Nationalen Versicherungsgesellschaft herausfordern; denn sie operieren sonst nach den Gewohnheiten und Gesetzen, die arabische Bürger diskriminieren. Eine Pressemitteilung wie diese bietet eine Gelegenheit, andere Bereiche von Ungleichheit unter Juden und Arabern zu untersuchen, die die Definition des Staates als Demokratie in Frage stellen. Ein solch offensichtlicher Bereich von Ungleichheit ist die Haltung des Gerichts- und Gefängnissystems gegenüber arabisch-israelischen Angeklagten und Gefangenen, die aus Sicherheitsgründen festgehalten werden, und der Diskriminierung, die man zwischen ihnen und jüdischen Angeklagten und Gefangenen macht. Sicherheitsgefangene die israelische Araber sind, werden auf drei Ebenen diskriminiert, verglichen mit israelischen Juden, die Arabern Schaden zugefügt haben: a)Im Strafmaß, das israelische Richter verhängen; b) in ihren Chancen von vorzeitiger Entlassung ( als Ergebnis einer Amnesty oder guter Führung nach 2/3 Verbüßung der Haft) c)was ihre Haftbedingungen betreffen Als 1993 Yoram Skolnik einen Araber ermordete, der an Händen und Füßen gefesselt war, wurde ihm lebenslange Gefängnisstrafe gegeben. Präsident Weizmann reduzierte seine Gefängnisstrafe zweimal: zunächst auf 15 Jahre, dann auf 11 Jahre und drei Monate. Er wurde letztlich nach sieben Jahren Haft entlassen. Skolnik steht mit auf einer Liste von Juden, die Araber ermordet haben und nach dem juristischen System entlassen wurden. Im Gegensatz dazu werden arabische Gefangene zu lebenslang verurteilt, auch wenn sie nicht des Mordes angeklagt wurden. Z.B. Mukles Burghal und Mohammad Ziade wurden vor 18 Jahren zu lebenslanger Haft verurteilt. Sie wurden für schuldig befunden, eine Granate auf einen Bus mit Soldaten geworfen zu haben. Die Granate explodierte nicht. Für Burghal, der die Granate warf, wurde die Haft auf 40 Jahre reduziert. Das Strafmaß, zu dem man Ziade verurteilte, der nur einen Wink gegeben hatte, wann der Bus kommt, erhielt unverändert lebenslange Gefängnisstrafe. David Sharvit aus der Siedlung Bracha wurde 1994 zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt, nachdem er bei einem 13 jährigen Araber schweren körperlichen Schaden verursacht hatte. Ariyeh Chelouche wurde zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, nachdem er versuchte, 1990 Araber zu ermorden. Menachem Livni war unter denen, die 1984 wegen Mordes an Hebroner College-Studenten angeklagt waren und lebenslänglich bekamen. Alle sind heute frei. Aber Othman Meragha und Mahmoud Zahra von Jerusalem wurden 1989 zu 27 Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie Molotowcocktails geworfen hatten und Schaden angerichtet hatten. Sie sind noch immer im Gefängnis. Burghal, Ziade, Zahra und ihre Freunde, die nicht mordeten, leben unter viel härteren Bedingungen im Gefängnis als der Mörder Ami Popper, der das Blut von 7 arabischen Arbeitern an seinen Händen hat: seine lebenslange Haft wurde auf 40 Jahre reduziert, er durfte heiraten, seine Frau darf ihn besuchen, sie brachte ihm 5 Kinder zur Welt, er besucht sie, er hat Heimaturlaub und darf täglich telefonieren. (Arabische) Sicherheitsgefangene, die israelische Bürger sind und Bewohner Jerusalems sind, dürfen das öffentliche Telefon nicht benützen, erhalten keinen Urlaub, um ihre Familien zu besuchen, nicht einmal, wenn ein Elternteil oder ein Verwandter stirbt oder gestorben ist. Sie erhalten weniger Stunden für einen Spaziergang im Gefängnishof als kriminelle Gefangene; die Besuche ihrer Familien finden hinter Eisengittern und hinter Plastik oder Glasabsperrungen statt. Es ist ihnen sogar verboten, ihre Kinder zu umarmen und ihre Frau zu berühren. Eine lange Reihe von Israelis sind an der Ungleichheit, die täglich in den Gefängnissen praktiziert wird, beteiligt: die Richter, die viel härtere Strafen auf Araber legen als auf Juden, die ähnliche und schwere Straftaten begangen haben; die Mitglieder von Kommissionen, die über reduzierte Strafen von jüdischen Mördern entscheiden und die wissen, dass das Komitee, das über verkürzte Gefängnisfristen entscheidet, eine frühere Entlassung von arabischen Gefangenen, einschließlich Mördern verweigert; die Präsidenten Israels, die das Strafmaß reduzieren und Juden Amnesty gewähren; und ihre Berater, die Chefs der Rechtsschulen, die kein Gezeter anheben und eine ständige Überprüfung des Rechtssystem verlangen, das verschiedene Standards der Verurteilung und der Haftstrafen hat, die von der Volkszugehörigkeit der betreffenden Person abhängen. Möge das Lynchen in Shefaram nicht als Entschuldigung dafür dienen, diese inhärente strukturelle Diskriminierung innerhalb des israelischen Rechtssystem zu ignorieren.
Quelle: Ha'aretz / ZNet Deutschland 10.08.2005 Lesen Sie weitere interessante Artikel auf unserer
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