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Die erstaunliche Geschichte von Percy Schmeiser

Die Geschichte eines kanadischen Bauers, der den Mut hatte gegen den Agrokonzern Monsanto zu klagen.

Percy Schmeiser, Bauer und Saatgutzüchter aus Kanada wurde weltweit zum Symbol für den Widerstand gegen die brutalen Methoden des internationalen Saatgutmultis Monsanto, die Bauern einzuschüchtern oder sich gefügig zu machen.

Was war geschehen?

Die Nachbarn von Schmeiser bauten gentechnisch veränderten Raps an. Bei der Ernte im Herbst wehte der Wind Saatkörner über die Grundstücksgrenzen. Von den Erntefahrzeugen und Transportfahrzeugen fiel Erntegut herab und landete im Straßengraben und an den Feldrändern. Im Jahr darauf keimte dieses gentechnisch veränderte Saatgut auf Schmeisers Feldern, seine Ernte war zu einem geringen Prozentsatz mit diesen Genpflanzen kontaminiert. Monsanto tat, was es auf der ganzen Welt tausendfach praktiziert: es zieht Proben von den Bauern, die kein Saatgut bei ihnen kaufen, weist die Kontamination nach, unterstellt den freien Bauern, sie würden illegal Monsanto-Saatgut anbauen und damit die Patentrecht von Monsanto verletzen. Dann wird dem Bauer ein Vergleich angeboten: Monsanto wolle auf Schadenersatzzahlungen verzichten, wenn der Bauer in Zukunft das gentechnisch veränderte Saatgut kaufe und für alle Zukunft darauf verzichte, jemals Schadenersatzansprüche an Monsanto zu stellen oder über diesen Deal öffentlich zu reden. Akzeptiere der Bauer nicht, müsse er sich vor Gericht für diese Patentverletzung verantworten. Wie geht es einem Bauer, dem solch eine Drohung ins Haus flattert? Er ist allein auf seinem Hof, muß sich und seine Familie ernähren, hat vielleicht Angst, mit seinen Nachbarn darüber zu reden. Der Bauer gibt nach und denkt: so schlimm wird's schon nicht sein. Nicht so Percy Schmeiser. Er wollte weder das untaugliche gentechnisch veränderte Saatgut, noch sah er ein, weshalb er Monsanto gegenüber Schadenersatzpflichtig sein solle. Immerhin habe doch Monsanto-Saatgut seine Ernte kontaminiert und seine jahrzehntelange Zuchtarbeit - also geistiges Eigentum - zerstört. Monsanto sei ihm gegenüber Schadenersatzpflichtig. Und so begann der lange Weg durch alle Instanzen bis zum Obersten Kanadischen Gerichtshof. In Kanada gab es zum damaligen Zeitpunkt noch keine Richtlinien über das Verständnis von Patentierungen lebender Organismen. Das Unglaubliche geschah: Monsanto erhielt Recht. Schmeiser habe die Patentansprüche Monsantos verletzt. Vom Verletzen der Zuchtarbeit Schmeisers durch Monsanto war keine Rede. Allein da Schmeiser keinerlei Vorteile von dem gentechnisch veränderten Erntegut ziehen konnte, entschied das Gericht, dass er keinen Schadenersatz an Monsanto zahlen müsse. "Lediglich" die Gerichtskosten (immerhin etwa 250.000 Euro) müsse er selbst tragen. Nun erwachte die Welt. Warum schlief sie so lange? Die Bauern, die ein solch langwieriges, kostspieliges und nervenaufreibendes Verfahren nicht durchstehen konnten mögen ihre Lederjacke verflucht haben, die sie als Werbegeschenk von Monsanto beim Unterzeichnen des - aus unserem Rechtsverständnis - sittenwidrigen Knebelvertrages angenommen haben. Zu erkennen, dass man sich und das Recht auf die Redefreiheit für eine Lederjacke, ein Abendessen und Freibier verkauft hat ist für jeden Bauer, für jeden Mann eine Demütigung. Also wird geschwiegen. Weltweit. Stehen die Konzerninteressen über dem jahrtausendealten Recht der Bauern auf Zucht und Nachbau ihrer standortangepassten Sorten? Darf es kapitalorientierten Gesellschaften gestattet werden, die Ernährungssouveränität ganzer Länder zu unterhöhlen? Darf Leben überhaupt patentiert werden? Die Antwort lautet: nein! Und die Strategen von Monsanto wissen dies. Sie scheuen daher weder Kosten noch Kreativität, ihre nutzlosen Genkonstrukte als Heilsbringer gegen den Hunger auf der Welt in den Himmel zu loben. Und sie finden Gehör. Vor allem bei Nichtfachleuten: bei Wissenschaftlern und Politikern. Die Fachleute, die Bauern und Imker aber wissen: ein Nebeneinander von Agrogentechnik und traditioneller Landwirtschaft ist nicht möglich. Kommerzieller Anbau und Versuchsanbau sind staatlich subventionierte oder zumindest geduldete Kontamination. Das zeigen die vergangenen zehn Jahre Erfahrung in Kanada. In Kanada gibt es praktisch keinen gentechnikfreien Raps mehr. Monsanto will vollendete Tatsachen schaffen, ehe es nicht mehr möglich ist. Ehe die Menschen und Politiker in Deutschland, Europa und anderen Ländern dieser Erde erkennen, dass es kein Zurück mehr geben wird, wenn gentechnisch verändertes Erbgut erst einmal ausgebracht ist und sich unkontrolliert verbreitet. "Wir Kanadier wussten vor zehn Jahren nicht, was mit der Gentechnik auf uns zukommt. Heute wissen wir: es war ein Fehler, dieses Zeug ins Land zu lassen. Ihr Europäer habt noch die Wahlfreiheit. Macht die Augen auf und zieht aus der Wirklichkeit, die sich in anderen Ländern bereits ereignet, eure Konsequenzen. Und dann handelt" (Percy Schmeiser). Quelle: Percy Schmeiser