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Die Ukraine – Kettenglied der «bunten Revolutionen» einer erträumten US-Weltherrschaft

von Dr. Hans-J. Falkenhagen, Berlin, und Brigitte Queck, Potsdam1

UkraineDass der Ukraine im Rahmen der sogenannten «bunten Revolutionen» eine wichtige Rolle bei der Beschneidung der Macht Russ­lands in diesem Raum und der ganzen Welt zukommt, hat schon der frühere US-Präsidentenberater Zbigniew Brzezinski erkannt, indem er in seinem Buch «Die einzige Weltmacht» schreibt: «Die Ukraine ist ein geo­politischer Dreh- und Angelpunkt […]. Ohne die Ukraine ist Russland kein eurasischer Staat mehr.» (vgl. ebenda S. 74). In diesem globalen Zusammenhang müssen wir die Ereignisse in der Ukraine im Jahre 2004, unter dem Namen «orangene Revolution» bekannt geworden, sowie den derzeitigen Machtkampf zwischen dem Noch-Präsidenten Jusch­tschenko sowie dem Ministerpräsidenten Janukowitsch, der, wie die Wahlen vom März 2006 und derzeitige Umfragewerte ergaben, von der Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung unterstützt wird, betrachten.

Beim Staatsbesuch von Präsident Juschtschenko in den USA im April 2005 gab es Gespräche über die Einbeziehung der Ukraine nicht nur in die Nato, sondern auch in ein Raketenabwehrsystem der USA, d.h. eine Vorverlegung dieses Systems direkt an die Grenzen Russlands. Das bedeutet eine erhebliche Einschränkung, wenn nicht Paralysierung der russischen Möglichkeiten, auf eine Bedrohung durch US-Atomwaffen zu reagieren.(s.u.a. «Junge Welt» vom 23. November 2006, Seite 11). Um die Ukraine in die Hand zu bekommen, wurden von den USA und anderen westlichen Staaten sowie durch sogenannte Nichtregierungsorganisationen u.a. des Multimilliardärs Soros schon Milliardenbeträge an die Juschtschenko-Anhänger übergeben.

Soros rühmt sich erfolgreicher Revolutionen

Wie eindeutig beschrieb Soros doch in seinem Buch: «Die Vorherrschaft der USA – eine Seifenblase» die Rolle seiner Stiftungen auch beim Sturz des sozialistischen Weltsystems: «Meine Stiftungen trugen zu den Regimewechseln in der Slowakai (1998), Kroatien (1999) und Jugoslawien (2000) bei und mobilisierten die Zivilgesellschaft, um Wladimir Meciar, Franco Tudjman und Slobodan Milosevic aus ihren Ämtern zu vertreiben. Dies sind nur einige der wichtigsten Erfolge. Die Aufgabe meiner Stiftungen bestand darin, den Übergang von geschlossenen zu offenen Gesellschaften zu begleiten und zu fördern.» (vgl. ebenda, S. 135 ).

Die frühere Aussenministerin und Vorsitzende des National Democratic Institute, Madeleine Albright, hat auf einer Veranstaltung der Soros Foundation in Kiew am 17. Februar 2002 die in der Ukraine tätigen zahlreichen NGOs aufgefordert, gegen die herrschende Regierung Front zu machen, weil diese zu sehr mit Russland zusammenarbeitet und auch die Privatisierung nicht hinreichend zugunsten westlicher Investoren betreiben würde. Deswegen sei «Demokratisierungshilfe» vonnöten, um die Entwicklung der Ukraine von der geschlossenen zur offenen Gesellschaft voranzutreiben. Und so flossen Unsummen von Geldern in die sogenannte «orangene Revolution», die Ende 2004 die Marionette der USA, Juschtschenko, an die Macht brachte. Allein von seiten der Regierung der USA flossen bis 2005 3,3 Milliarden US-Dollar. Rund zwei Drittel davon wurden über die US-Agentur für Internationale Entwicklung (USAID) vermittelt (s. Demokratieexport nach Osteuropa: US-Strategien in der Ukraine, in : «Blätter für deutsche und internationale Politik», Nr. 12/2005). Nach dem Juli 2006 wurden erneut hohe Dollarbeträge bereitgestellt, diesmal mit dem Ziel, den im August 2006 vom Parlament gewählten neuen Ministerpräsidenten Janukowitsch zu stürzen. Beträge von weiteren Hunderten von Millionen US-Dollar und Eurobeträge wurden auch von den EU-Staaten für die sogenannte Ukrainehilfe zur Verfügung gestellt, die bis 2004 und wieder ab Anfang August 2006 für die Unterstützung der sog. Oppositionskräfte, im Klartext für subversive Arbeit dienen. In diesem Zusammenhang wurden auch für die Einflussnahme über die Medien bedeutende Finanzmittel gewährt.

Staatsstreich des US-Vasallen Juschtschenko

Wie kam es dazu, dass der anfangs im Rahmen der «orangenen Revolution» umjubelte Juschtschenko nun nicht mehr den Rückhalt in der ukrainischen Bevölkerung besitzt?
Ein wesentlicher Grund dafür war nicht nur die prowestliche Haltung von Präsident Juschtschenko, der kompromisslos den Beitritt seines Landes in die Nato befürwortet, sondern auch der nicht von der Hand zu weisende wirtschaftliche Aufschwung in den 9 Monaten der Amtszeit der Parlamentsregierung unter Janukowitsch.

So wuchsen das Bruttoinlandprodukt und die Industrieproduktion ab August 2006 bis März 2007 auf das Jahresmittel bezogen um 18%. Das fand auch seinen Niederschlag in um 25% gestiegenen Arbeitslöhnen und Renten. Auch die Inflationsrate ging in beträchtlichem Masse zurück. Da aber die Nato-Länder schon Milliardenbeträge zum Sturz der prorussischen ukrainischen Regierung unter Janukowitsch ausgegeben haben, versuchen sie nun 3 Jahre nach der gescheiterten «orangenen Revolution» in der Ukraine zum erneuten Angriff überzugehen. Nach der Rückkehr Juschtschenkos aus den USA verkündete dieser am 2. April 2007 ein Dekret (Ukas) zur Auflösung des Parlaments und beraumte für den 27. Mai diesen Jahres völlig gesetzwidrig Parlamentsneuwahlen an.
Das am 2. April 2007 von Juschtschenko erlassene Dekret ist dem Wesen nach ein Staatsstreich, zielt auf die Liquidierung der parlamentarischen Demokratie und ist letztlich ein Umsturzversuch zur Änderung der Machtverhältnisse auf ukrainischem Boden zugunsten der USA und der anderen Nato-Länder, zuungunsten Russlands sowie zur Einschränkung der Souveränität der Ukraine.

Das aber ist nicht nur das Werk eines in Panik geratenen ukrainischen Präsidenten, der seine persönliche Machtbasis schwinden sieht. Das Ganze ist mit Sicherheit wie schon im Jahre 2004 mit gewissen Nato-Politikern abgestimmt. Es lag dabei von vornherein in der Absicht Juschtschenkos, die Wahlen zu manipulieren und somit auch keine fairen Wahlen zuzulassen, weil diese seine Fraktion haushoch verlieren würde (nach derzeitigen Umfragewerten würde nämlich die Juschtschenko-Fraktion weniger als 10% der Wählerstimmen erhalten!). Deswegen will Juschtschenko Neuwahlen zu seiner beabsichtigten Präsidentendiktatur nicht unter parlamentarischer Kontrolle durchführen, wie dies bei normalen Parlamentswahlen üblich ist, bei denen die Auflösung des alten Parlaments erst nach dem Tag der Neuwahlen erfolgen würde.

Ermächtigungsgesetz à la Hitler

Wahlen unter Ausnahmebedingungen ohne parlamentarische Kontrolle aber kämen einer Art Ermächtigungsgesetz wie 1933 unter Hitler gleich.
Um diesem Ziel näher zu kommen, erliess Juschtschenko folgende verfassungswidrige Massnahmen:

  • über den von ihm ernannten Verteidigungsminister Anatolij Grytsenko liess er erklären, er werde Juschtschenko, der noch immer als Oberbefehlshaber des Landes fungiert, folgen und wenn nötig, auch mit bewaffneter Macht eingreifen;
  • das Amt des Sicherheitsdienstchefs, das z. Z. vakant ist und gegenwärtig von einem vom Präsidenten provisorisch eingesetzten Sicherheitschef verwaltet wird, nutzte Juschtschenko zu seinen Zwecken aus, indem er veranlasste, illegal Telefongespräche von Parlamentariern, Richtern des Verfassungsgerichtes, der allgemeinen Gerichte, der Zentralen Wahlkommission usw. abzuhören und gegen diese auch Personenüberwachungen durchzuführen;
  • da er mit seinem angekündigten Dekret zur Parlamentsauflösung nicht nur im Parlament, sondern auch in den höheren Armeekreisen sowie der Bevölkerung auf Widerstand gestossen war, liess Juschtschenko verkünden, dass er einer Fortsetzung der Parlamentsarbeit und auch der Verabschiedung verschiedener Gesetze zustimme, sich aber gegen die nunmehr vom Parlament ins Auge gefassten sowohl Parlaments- als auch Präsidentenneuwahlen, die nunmehr bis spätestens zum 9. Dezember 2007 stattfinden sollen, wende;
  • am 2. und am 10. Mai mischte er sich in ungesetzlicher Weise in die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichtes ein, indem er 3 Verfassungsrichter eigenmächtig entliess, darunter die Verfassungsrichterin Sjusanna Stanik, stellvertretende Vorsitzende des Verfassungsgerichtes, die noch unter Kutschma für eine 9jährige Amtszeit berufen worden war, sowie den Verfassungsrichter Walerij Pschenitschnij;
  • er entliess ferner und ebenso gesetzwidrig die Mitglieder des Rates für Nationale Sicherheit, O. Medwedko und W. Onopenko;
  • er berief den durch ihn ernannten Generalstaatsanwalt S. Piskun zum Mitglied seines Nationalen Rates für Sicherheit und Verteidigung;
  • er entliess verfassungswidrig den Sekretär des Nationalen Rates für Sicherheit und Verteidigung, Witali Gajduk und setzte an seine Stelle Iwan Pljuschtsch;
  • er berief per Dekret eigenmächtig auch den Leiter des Sicherheitsdienstes des Gebietes von Odessa, W. Turiz, ab.

Nato-Protektorat oder Souveränität?

Sowohl Juschtschenko als auch Janukowitsch waren vor kurzem in Brüssel. Beide erklärten überraschend, dass sie gegen einen Nato-Beitritt ihres Landes nichts einzuwenden hätten.
Das wiederum veranlasste einige Medienvertreter zu der Schlussfolgerung, Juschtschenko und Janukowitsch würden 2 Seiten der gleichen Medaille repräsentieren.
Aber der «kleine Unterschied» zwischen beiden ist der, dass Juschtschenko seit seinem Amtsantritt als Präsident nicht müde wird, für einen schnellen Nato-Beitritt seines Landes einzutreten, während Janukowitsch dies stets von einer Volksabstimmung abhängig gemacht hat. Und wegen dieses «kleinen Unterschieds» darf man gespannt sein, ob man am Volk vorbei, quasi über eine Präsidentendiktatur durch Juschtschenko, die Ukraine in ein Nato-Protektorat verwandelt oder ob das ukrainische Volk frei entscheiden kann, ob es diesen Weg gehen will.

Auch wurde fälschlicherweise das Treffen zwischen Juschtschenko und Janukowitsch am 4. Mai als Kompromiss zwischen beiden eingeschätzt. Doch wie sah dieser angebliche «Kompromiss» aus?

Nachdem der ukrainische Präsident erst per Dekret bis zum 26. Mai, dann bis zum 24. Juni Parlamentsneuwahlen mit der Forderung nach einer Auflösung des derzeitigen Parlaments angeordnet hatte, wurde das von Janukowitsch und dem Parlament abgelehnt. Im Interesse der Stabilität der Ukraine erklärten sich Ministerpräsident Janukowitsch sowie das Parlament schliesslich bereit, Parlamentsneuwahlen zuzustimmen, diese aber mit Präsidentenneuwahlen zu verknüpfen. Präsidentenneuwahlen wurden und werden von Juschtschenko nach wie vor abgelehnt, während das Parlament für beides, Parlaments- und Präsidentenneuwahlen bis spätestens am 9. Dezember, plädiert. Inzwischen aber hat Juschtschenko nunmehr den 3. Verfassungsrichter entlassen und damit die Arbeit des Verfassungsgerichtes bezüglich der Entscheidung über die Rechtmässigkeit seiner Präsidentendekrete weiterhin blockiert. So kommentierte der ukrainische Parlamentsvorsitzende Olexander Moros diesen von vielen Zeitungen angeblich erzielten Kompromiss zwischen dem ukrainischen Präsidenten und dem Parlament wie folgt:
 «Die Worte des Präsidenten über einen Kompromiss sind ein Bluff». O. Moros, sowie die Mehrheit des ukrainischen Parlaments kritisierten in scharfen Worten das insgesamt gesetzwidrige Vorgehen Juschtschenkos und erklärten, dass sie ab sofort formelle und informelle Gespräche mit dem Präsidenten solange ruhen lassen wollen, bis der Status quo wiederhergestellt ist, d. h. bis dieser alle verfassungswidrigen Dekrete bezüglich der Vertreter der Rechtssprechung aufhebt. Denn ein Eingriff in ein schwebendes Verfahren des Verfassungsgerichtes, das zudem in seiner Arbeit durch den Präsidenten ständig behindert wird, würde überall auf der Welt als ein Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz bewertet werden (vgl. rada.kiev.ua vom 11. und 12. Mai 2007).

Quellenangaben

  • 1 Dr. Hans-J. Falkenhagen, Wirtschaftswissenschafter und Übersetzer, und Brigitte Queck, dipl. Staatswissenschafterin für Aussenpolitik und Übersetzerin (Tel./Fax: +49 (0)331 71 17 71 oder E-Mail: anna.demok@gmx.de)