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Durch Hintertür in den Irak

Stromversorgung: 5,5 Milliarden Dollar für Privatisierung. Konferenz in London. Siemens in Bagdad dabei

Von Karin Leukefeld, Bagdad

Während in London am Mittwoch und Donnerstag eine internationale Konferenz über die zukünftige Einflußnahme auf die Stromwirtschaft im Irak beriet, hatten es die Einwohner von Bagdad mit zahlreichen Stromausfällen zu tun: Vor Ort existiert nach wie vor keine regelmäßige Stromversorgung, derweil sich das Elektrizitätsministerium bereits Gedanken über die Privatisierung der Kraftwerke macht. Dabei werden nach Auskunft des vom Provisorischen Regierungsrat eingesetzten Ministers Ayham Al Samari zwei verschiedene Vorschläge diskutiert. Der Favorit des Ministers ist der BOT-Plan, der steht für "Building, Operating and Transmission". Danach sollen private Firmen den Wiederaufbau (building) von Kraftwerken übernehmen, die sie dann fünf bis zehn Jahre lang betreiben (operating) und anschließend wieder an die Regierung zurückgeben (transmission). Der zweite Vorschlag trägt das Kürzel BOO. Es steht für "Building, Operating and Own". Der Unterschied zu BOT ist, daß die Kraftwerke nach einem Betrieb von einigen Jahren in das Eigentum der Betreiberfirmen übergehen soll (own).

Das Geld für den Wiederaufbau kommt aus den USA. Die US-Agentur für Internationale Entwicklung, USAID, hat bereits einen Vertrag über 5,5 Milliarden US-Dollar mit der Baufirma Bechtel für die Rekonstruktion des Stromnetzes abgeschlossen. Bechtel hat dafür Subunternehmer verpflichtet, die nach Aussagen des Konzerns 69 Prozent des Geldes erhalten. Trotz der großen Summen geht der Wiederaufbau auch zehn Monate nach dem Irak-Krieg nur schleppend voran. Bis heute sind nach Angabe des Elektrizitätsministeriums lediglich 60 Prozent des Stromnetzes wiederhergestellt. Während in ländlichen Gebieten die Bevölkerung manchmal nur zwei Stunden am Morgen und zwei Stunden am Abend mit Strom versorgt wird, ist Elektrizität auch in den großen Städten knapp. In Bagdad soll der Strom jeweils drei Stunden an- und drei Stunden ausgeschaltet sein. Doch ist das Verhältnis oft vier zu zwei, manche Viertel haben bis zu 48 Stunden keinen Strom. Glücklich ist, wer einen Generator hat. Der Verkauf von Kilowattstunden Strom an die Nachbarschaft ist ein lukratives Geschäft geworden.

Anders war das in der Nachkriegszeit 1991. Damals waren durch massive Luftangriffe der US-geführten alliierten Luftwaffe von insgesamt 10 000 Megawatt Kapazität 9 000 zerstört worden. Nach nur zwei Monaten aber konnten bereits 7 000 Megawatt wieder geliefert werden. Heute gibt die Besatzungsbehörde viele Aufträge an asiatische oder arabische Subunternehmer, die mit Billiglohnarbeitern anrücken. Doch auch deutsche Firmen sind im Geschäft. Im größten Kraftwerk Bagdads, in Al Dhora, arbeiten Experten der Firma Siemens mit irakischen Arbeitern an zwei Siemens-Generatoren, die generalüberholt werden müssen. Da die Amerikaner offiziell deutsche Firmen nicht beteiligen mochten, hat Siemens sich an ein arabisches Sprichwort erinnert: "Läßt man dich nicht durch die Tür herein, steige durchs Fenster." Siemens stieg mit seiner amerikanischen Tochterfirma Westinghaus ein, als Subunternehmer.

Quelle: Junge Welt vom 12.02.2004