Sie sind im News-Archiv der ZeitenSchrift gelandet.
Aktuelle Beiträge finden Sie im Bereich Aktuell.

Eine Lehre aus dem Holocaust: Nein zur menschenverachtenen Militärmacht Israels

Erklärung der «Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost» (Österreich)

IsraelWir wenden uns an alle Menschen, unabhängig von Konfession und politischer Richtung, die für einen gerechten Frieden in Nahost eintreten. «Jede Stimme» ist uns zur Mitarbeit willkommen. Eine Lehre aus dem Holocaust ist für uns, angesichts des geschehenen Unrechts und Verbrechens nicht zu schweigen. Deswegen und aus Besorgnis um die Zukunft der palästinensischen Bevölkerung und Israels haben wir uns zusammengeschlossen. Wir verurteilen die schon seit 1967 andauernde Besetzung der palästinensischen Gebiete. Darüber hinaus teilen wir auch die Sorge der Mehrheit der EU-Bürger, von denen, laut einer EU-Umfrage schon 2005, 59 Prozent der Befragten Israels Politik für eine der grössten Bedrohungen des Weltfriedens halten.Israels Krieg gegen Libanon im Sommer 2006 ist das jüngste Beispiel dafür. Schon 1982 hatte Israel weite Teile Libanons zerstört, damals 15 000 bis 20 000 Libanesen und Palästinenser getötet und das Land bis zum Jahr 2000 besetzt gehalten. Im jetzigen, schon seit einem Jahr vorbereiteten Krieg, hat Israel nun wieder einen Grossteil der Infrastruktur Libanons zerstört, dabei über 1000 Menschen getötet, 2/3 davon Zivilisten, 1 Million Streubomben abgeworfen und eine verheerende Ölkatastrophe im Mittelmeer verursacht. Es hat diesen Krieg mit Unterstützung bzw. im Interesse der US-Regierung und auch im eigenen Interesse geführt, um die Souveränität Libanons zu zerschlagen und aus Libanon einen abhängigen Vasallenstaat zu machen. So sollen somit auch die US-Pläne für eine Neugestaltung des «Mittleren Ostens» mit der Zerschlagung der Hiz­bollah, der Schwächung des Iran und Syriens umgesetzt werden. Die Umsetzung dieser Pläne war ein Fehlschlag. Und nun soll die Welt, das heisst wir alle, von unseren Steuern wiederum, wie in Gaza und Westjordanland, mit Milliarden Euro für den Wiederaufbau all dessen zahlen, was Israel diesmal in Libanon zerstört hat.

Missbrauch des Holocaust

Israels neuer Krieg gegen Libanon ebenso wie die noch weitere Verschärfung seiner kriegerischen Unterdrückung der Palästinenser sät weiter Ablehnung, Hass und Gewalt in der arabischen Welt. Die menschenverachtende Haltung der scheinbar so überlegenen Militärmacht Israels gegenüber der Zivilbevölkerung, die «weggebombt» wird und um die herum alles zerstört wird, diese Politik macht die Aussicht auf Frieden immer unwahrscheinlicher.

Israel ist die aggressive, expansionistische imperiale Macht im Nahen Osten. Israel, die viertstärkste Militärmacht der Welt und der Welt drittgrösster Waffenexporteur, missbraucht dazu den Holocaust für seine 39 Jahre andauernde Unterdrückungspolitik gegenüber den Palästinensern, ebenso wie für seine Gewaltpolitik gegenüber seinen Nachbarn.

Bezugnehmend auf die 6 Millionen Opfer des Holocausts wird das historisch verständliche Sicherheitsbedürfnis der jüdischen Bevölkerung schamlos missbraucht, um den Landraub und die Gewaltpolitik zu rechtfertigen. Gerade auch in Europa verwendet die offizielle israelische Politik den Vorwurf des Antisemitismus als Vorwand, um zu versuchen, Kritik an ihrer Unrechtpolitik zum Schweigen zu bringen.

Die grosse Mehrheit der Menschen in Europa will, dass sowohl die jüdische als auch die palästinensische Bevölkerung in Frieden und Sicherheit leben kann. Doch mehr und mehr Menschen in ganz Europa und auch in Österreich, die sich gegen jede Form des Rassismus und Antisemitismus wenden, lehnen die israelische Besetzungspolitik gegenüber den Palästinensern ab und erheben ihre Stimme dagegen.

Unsere Gruppe ist, wie unsere 18 Schwesterorganisationen in 11 westeuropäischen Ländern, ein Beweis dafür, dass auch keineswegs alle Menschen jüdischer Herkunft die gegenwärtige Politik der israelischen Regierung unterstützen, wie es die meisten offiziellen Vertreter der jüdischen Gemeinden Europas jedoch lautstark tun. Weder sie noch Israels Regierung, die vorgibt, alle Juden der Welt zu vertreten, hat das Recht, im Namen aller Jüdinnen und Juden zu sprechen. Ihnen halten wir entgegen: Nicht in unserem Namen!

Israel missachtet internationales Recht

Der von der Uno-Generalversammlung mit 144 zu 4 Stimmen als völkerrechtswidrig abgelehnte Verlauf des israelischen Mauerbaus auf palästinensischem Gebiet wird 15 Prozent des Westjordanlandes, Heimat von 275 000 Palästinensern, von Palästina abschneiden und auf Israels Seite bringen. Laut Uno wird die Mauer 680 000 Palästinenser von ihrer Heimat trennen. Der weitere Ausbau der israelischen Siedlungen auf palästinensischem Gebiet, es leben dort schon etwa 460 000 Menschen, soll letztlich zur Annexion der wichtigsten Landstriche der besetzten Gebiete führen, mit der Absicht, den Palästinensern die Lebensgrundlage zu entziehen, sie wenn möglich zu vertreiben bzw. sonst unter gefängnisähnlichen Bedingungen dahinvegetieren zu lassen. Dieser Ausbau spricht allen Behauptungen Hohn, dass Israels Machthaber mit den Palästinensern Frieden schliessen und ihnen einen Staat zugestehen wollen.

Israel missachtet seit Jahrzehnten internationales Recht, wie zum Beispiel die Genfer Konvention, die Universal-Erklärung der Menschenrechte, und hat seit 1947 alle UN-Resolutionen, die seine Politik gegenüber den Palästinensern betrifft, ignoriert. Seit der Staatsgründung gibt es die Pläne für ein «Gross-Israel», das hiesse die völlige Vertreibung der Palästinenser, und diese Pläne werden durch den Ausbau der Siedlungen immer weiter vorangetrieben. Ein Ex-General, Chef der nationalreligiösen Partei und früher Regierungsmitglied, meinte 2002, dass die Vertreibung aller Palästinenser verlockend, aber nur unter Kriegsbedingungen durchführbar sei. In den letzten Jahren werden diese Stimmen offener, die sich für eine «ethnische Säuberung» der Palästinenser aus den besetzten Gebieten aussprechen, ebenso wie verlangt wird, dass die arabischen Staatsbürger Israels das Land verlassen sollen. Diese Pläne vertreten bestimmte Gruppierungen in der israelischen Politik.

Aber welche Partei auch immer in Israel die Regierung stellt, die Verletzung bzw. Tötung der Palästinenser, Landenteignung, Häuserzerstörung, Baumentwurzelung, die Vorenthaltung jeglicher Menschen-, Bürger- beziehungsweise politischer Rechte, die Einkerkerung der Menschen (seit 1967 waren 25 Prozent der Palästinenser, das sind etwa 650 000 Menschen, schon einmal im Gefängnis), die Zerstörung ihrer sämtlichen nationalen und öffentlichen Institutionen und ihrer Infrastruktur und die absichtliche und systematische Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen wird weiter betrieben. Der Zweck dieser Poli­tik des Staatsterrorismus ist die Kolonisierung des Westjordanlandes.
Es ging und geht Israels Mächtigen nicht um Frieden, sondern um die Annexion von Land!

Israel – Flugzeugträger der USA

Mitte der 90er Jahre wollte die Mehrheit der israelischen Bevölkerung Friedensgespräche und war auch für den Abzug der Siedler. Doch für die führenden israelischen Poli­tiker-Generäle (Barak und Sharon) kam das nicht in Frage. Es galt Bedingungen zu schaffen, mit der Siedlungspolitik fortfahren zu können und die Bevölkerung dafür zu gewinnen. Pläne zur Zerschlagung der Strukturen der Palästinenser und zur Vertreibung Arafats gab es schon seit 1996. Seit Oktober 2000 diskutierten israelische Militärkreise wieder offen Pläne, die völlige militärische Kontrolle über die Palästinensergebiete zu übernehmen und die Westbank in viele isolierte Zellen aufzuteilen. Das war einen Monat vor dem Wiederaufflammen der palästinensischen Terroranschläge an israelischen Zivilisten (3. November 2000). Das heisst, die Wiederbesetzung der Gebiete war von langer Hand geplant und keineswegs wie behauptet Vergeltungsmassnahme als Reaktion auf Anschläge der Palästinenser!

Ein Beratergremium des US-Verteidigungsministeriums hat Israel schon im Jahre 2000 empfohlen, die PLO als Gesprächspartner abzulehnen, Arafat zu demontieren und im übrigen auch vorgeschlagen, Libanon anzugreifen! Die US-Regierung hat, ebensowenig wie Israels Machthaber, ein Interesse an einem lebensfähigen, souveränen Palästinenserstaat. Dieser wäre eine Bedrohung für die korrupten Ölstaaten und andere arabische Herrscher, die mit den USA kooperieren. Und die US-Regierung bestimmt letztlich, wieweit Israel gehen darf. Denn ohne die Unterstützung der USA könnte Israel die Besetzung der Palästinensergebiete nicht aufrechterhalten. Ein Minimum von etwa 5 Milliarden US-Dollar pro Jahr erhält Israel aus Washington, und das seit Jahrzehnten. Seit 1967 boomt vor allem auch die Zusammenarbeit zwischen dem US-amerikanischen und dem israelischen Militärindustriekomplex. Mit 2 Milliarden Dollar unterstützen die USA zum Beispiel derzeit die Entwicklung des israelischen Raketenabwehrsystems «Arrow». Schon Bruno Kreisky nannte Israel einen «Flugzeugträger der USA».

Drohender Genozid im Gaza-Streifen

Die geplante Annexion von weiteren 50 Prozent des Westjordanlandes hiesse das Aus für einen Palästinenserstaat und damit eine Situation völliger Perspektivlosigkeit für das palästinensische Volk. Der erfolgte Gaza-Abzug von ein paar tausend illegalen Siedlern und der Armee diente nicht zuletzt zur Rechtfertigung der Annexion weiterer wertvoller Gebiete im Westjordanland. Gleichzeitig ist Gaza der Welt grösstes Gefängnis und Israel der Gefängniswärter. Ja, der Abzug der Siedler aus Gaza erleichtert es der Armee nun, Gaza zu beherrschen. Sie überfällt immer wieder seine Insassen, tötet mehr Palästinenser als je zuvor, sie zerstört dort sämtliche Strukturen für ein menschenwürdiges Leben. Die Fortsetzung dieser israelischen Politik, sowohl im Gaza-Streifen wie im Westjordanland, bedeutet einen drohenden Genozid, eine Katastrophe für die Palästinenser und letztlich auch für die Israeli ebenso wie eine Gefahr für den arabischen Raum als auch eine Bedrohung für Europa, ja für den Frieden in der Welt.

Gerade weil uns der Holocaust im Bewusstsein bleibt, können wir nicht zulassen, dass die Millionen Opfer eines Volkes, des jüdischen Volkes, als Rechtfertigung für die Unterdrückung, die Opfer und das Einsperren bzw. die beabsichtigte Vertreibung eines anderen Volkes, des palästinensischen, dienten und dienen.

Apartheid-Regime Israel nicht unterstützen
• Wir verlangen, dass die EU sich von der US-Politik im Mittleren Osten distanziert und eine eigenständige Friedenspolitik im Interesse der Völker der Region ebenso wie in unser aller Interesse macht!
• Wir verlangen, dass die österreichische Poli­tik und die EU, der grösste Handelspartner Israels, jedweden wirtschaftlichen und politischen Druck auf Israel ausüben, um die Regierung zur Einhaltung der UN-Beschlüsse, der UN-Charter sowie der IV. Genfer Konvention zu bringen!
• Wir verlangen Warenboykott von israelischen Waren aus den besetzten Gebieten beziehungsweise jegliche Sanktionen, inklusive Investitionsstopp!
• Wir verlangen eine Behandlung des Themas vor dem EU-Parlament!
• Wir verlangen, dass die EU Israel deutlich macht, dass sie das dortige «Apartheid-Regime» weder finanziert noch sonstwie unterstützt, bis es bereit ist zum Friedenschluss mit dem palästinensischen Volk, im Interesse der Beteiligten und des Friedens auf der Welt!
• Wir verlangen internationalen Schutz für die Palästinenser durch die Stationierung von UN-Truppen in Gaza und Westjordanland!
• Wir unterstützen alle Menschen, die zur Verwirklichung dieser Forderung aktiv sind und laden zur Mitarbeit ein.
– Es wird erst Frieden geben, wenn die palästinensische Bevölkerung nicht mehr täglich schikaniert, beschossen oder bombardiert wird und ihr nicht mehr die Lebensgrundlagen zerstört werden.
– Es wird erst Frieden geben, wenn die Trennungsmauer abgerissen wird.
– Es wird erst Frieden geben, wenn es eine gerechte Lösung für das Flüchtlingsproblem gibt.
– Es wird erst Frieden für Israeli und Palästinenser geben, wenn die Siedlungen in den besetzten Gebieten geräumt werden.
– Es wird erst Frieden für Israeli und Palästinenser geben, wenn die Besetzung beendet wird.

Wien, September 2006
Mit friedlichen Grüssen, «Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost»,
www.nahostfriede.at

Viele fragen sich, was kann ich angesichts dieser politischen Lage überhaupt tun? Gegen Unrecht kann man nicht dadurch ankämpfen, dass man darüber schweigt! Informieren Sie Kollegen, Bekannte, Freunde! Leiten Sie unsere Infos weiter! Reden Sie darüber! Das ist ein Beitrag zum Frieden! Wir freuen uns über Diskussionsbeiträge zu unseren Aussendungen an: nahostfriede@gmx.at    •

Quelle: http://www.arendt-art.de/deutsch/palestina/Stimmen_Israel_juedische/european_jews_

for_just_peace_presseerklaerung_september_2006.htm
European Jews for a Just Peace is a federation of Jewish Peace groups working and campaigning in 10 European countries.