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Geständnisse eines Wirtschaftsattentäters

Am 9. November 2004 führte Amy Goodman von Democracy now ein Radiointerview mit dem ehemaligen Bankier und Verfasser des Buches "Confessions of an Economic Hitman" (Geständnisse eines Wirtschaftsattentäters). So wurden wir auf diesen aufschlußreichen Insiderbericht aufmerksam. Es folgt, leicht gekürzt, Goodmans Interview mit John Perkins.
Insider WirtschaftIch wußte, daß diese Geschichte erzählt werden mußte, denn was am 11. September geschah, war eine direkte Konsequenz dessen, was die wirtschaftlichen Attentäter tun. - John Perkins
 
John Perkins wurde angeworben, um über ein privates Ingenieurunternehmen an den Machenschaften der Weltbank und des Weltwährungsfonds gegen die Entwicklungsländer mitzuwirken. Man stürzte diese Länder in unbezahlbare Schulden, um sie abhängig zu machen. Wenn eine Regierung sich weigerte und auf ihrer Souveränität und dem Gemeinwohl der Bevölkerung bestand, wurden die "Schakale" - Berufskiller und Fachleute für Destabilisierung - herangeholt, um Morde oder einen blutigen Umsturz auszuführen. Perkins beschreibt seine Tätigkeit als economic hitman, kurz "EHM", in Indonesien, Ekuador, Panama und Saudi-Arabien.
 
In einer Stellungnahme vom 17. November schrieb Lyndon LaRouche, er könne den Inhalt von Perkins Buch großenteils anhand seiner eigenen politischen Erfahrungen mit dem "EHM-Komplex" in den letzten 30 Jahren bestätigen. Diese Struktur sei nicht rein anglo-amerikanisch, sondern ein "venezianischer Komplex" der internationalen synarchistischen Finanzoligarchie. LaRouche erinnert an deren Vorgehen gegen seine eigenen Initiativen für eine neue, gerechte Weltwirtschaftsordnung (die Internationale Entwicklungsbank 1975, Operation Juarez 1982, das europäische Produktive Dreieck 1989, die Eurasische Landbrücke 1991 und das Neue Bretton Woods seit 1997). Das Buch liefere wahrscheinlich auch neue Einsichten in die Morde an Aldo Moro, Jürgen Ponto, Alfred Herrhausen, Indira und Rajiv Gandhi und Omar Torrijo aus Panama.
 
Goodman: Erklären Sie doch bitte den Begriff "Wirtschaftsattentäter" oder EHM ["economic hit man"], wie Sie ihn nennen.
Perkins: Wir wurden ausgebildet und im Grunde war es unsere Aufgabe, das amerikanische Imperium aufzubauen; Situationen zu schaffen, daß so viele Ressourcen wie möglich in unser Land flossen, an unsere Unternehmen und an unsere Regierung - und wir waren wirklich erfolgreich. Wir haben das größte Imperium der Weltgeschichte aufgebaut. Das ist im Lauf der letzten 50 Jahre seit dem Zweiten Weltkrieg geschehen - wobei nur sehr wenig militärische Macht eingesetzt wurde. Es geschieht nur in seltenen Fällen wie dem Irak, daß das Militär als letztes Mittel eingesetzt wird. Dieses Imperium wurde im Gegensatz zu allen anderen in der Geschichte durch wirtschaftliche Manipulationen aufgebaut, durch Schwindel, durch Betrug, durch Verführung der Menschen zu unserem way of life, durch wirtschaftliche Attentäter. Ich war einer von ihnen.
 
Goodman: Wie kam das? Für wen arbeiteten Sie?
Perkins: Während ich Ende der 60er Jahre an der Wirtschaftshochschule studierte, wurde ich von der Nationalen Sicherheitsbehörde (NSA) rekrutiert, dem größten und am wenigsten verstandenen Geheimdienst; aber dann arbeitete ich für private Unternehmen. Der erste wirkliche wirtschaftliche Attentäter in den 50er Jahren war Kermit Roosevelt, Teddys Enkel, der die Regierung des Irans stürzte, eine demokratisch gewählte Regierung, die Regierung Mossadegh, der in jenem Jahr vom Magazin Time zum Mann des Jahres gekürt wurde... Es wurde einiges Blut vergossen, aber es gab keine Militärintervention, es wurden nur Millionen Dollars ausgegeben, und Mossadegh durch den Schah von Persien ersetzt. Da haben wir verstanden, daß die Idee des EHM extrem gut war. Wir mußten uns keine Sorgen über einen Krieg mit Rußland machen, wenn wir so vorgingen. Das Problem mit [Kermit] Roosevelt war, daß er ein CIA-Agent war. Er war bei der Regierung angestellt, und wenn man ihn erwischt hätte, wären wir in große Schwierigkeiten geraten, es wäre sehr peinlich gewesen. Da wurde entschieden, daß Organisationen wie die CIA und die NSA wirtschaftliche Attentäter (EHM) wie mich rekrutieren sollten, die dann in privaten Firmen arbeiteten - Beraterfirmen, Ingenieurbüros, Bauunternehmen etc., so daß, wenn wir erwischt würden, keine Verbindung zur Regierung festzustellen wäre.
 
Goodman: Gut. Was war das für eine Firma, für die sie arbeiteten?
Perkins: Das war eine Firma namens Chas. T. Main in Boston (Massachusetts). Wir hatten etwa 2 000 Beschäftigte, und ich wurde Chefökonom. Am Ende arbeiteten 50 Leute unter mir. Meine eigentliche Aufgabe war es, Geschäfte auszuhandeln. Ich gab anderen Ländern Kredite, die viel zu groß waren, als daß sie je zurückgezahlt werden könnten - sagen wir, 1 Mrd.$ für ein Land wie Indonesien oder Ekuador, unter der Bedingung, daß 90% dieses Kredits an amerikanische Unternehmen wie Halliburton oder Bechtel zurückfließen würden, um Infrastruktur zu bauen... Diese Unternehmen gingen dann hin und bauten ein elektrisches System oder Häfen oder Autobahnen, die im Grunde nur den reichsten Familien des Landes nützten. Den Armen dieser Länder blieben letztlich die gewaltigen Schulden, die sie unmöglich zurückzahlen konnten. Ein Land wie Ekuador muß heute mehr als 50% seines nationalen Haushalts dafür aufwenden, seine Schulden zu bedienen. Und das kann es einfach nicht. Wir haben sie also in der Hand. Wenn wir mehr Öl wollen, dann gehen wir nach Ekuador und sagen: "Schaut, Ihr könnt eure Schulden nicht zahlen. Also gebt uns eure Ölkonzerne, euren Regenwald am Amazonas, der voller Öl ist." ... Wir vergeben also diese gewaltigen Kredite, von denen der größte Teil in die USA zurückfließt, und dem Land bleiben eine Menge Schulden und eine Menge Zinsen. Im Grunde werden sie unsere Zinsknechte, unsere Sklaven. Es ist ein Imperium. Man kann es nicht anders sagen...
 
Goodman: Sie sind der Autor des Buches "Geständnisse eines Wirtschaftsattentäters: Wie die USA die Globalisierung nutzten, um die armen Ländern um Billionen zu betrügen". Sie sagen, Sie hätten aufgrund von Bestechung und aus anderen Gründen lange Zeit gezögert, dieses Buch zu schreiben. Was meinen Sie damit? Wer hat versucht, Sie zu bestechen - was haben Sie angenommen?
Perkins: Ich habe in den 90er Jahren eine halbe Million Dollar angenommen, die ich bekam, damit ich das Buch nicht schrieb.
 
Goodman: Von wem?
Perkins: Von einem großen Baukonzern.
 
Goodman: Welcher Konzern war es?
Perkins: Stone-Webster. Es war juristisch gesehen keine Bestechung, denn ich wurde als Berater bezahlt. Das war alles ganz legal. Aber ich habe im Grunde nichts dafür getan. Wie ich in den Geständnissen eines Wirtschaftsattentäters geschrieben habe: Es war klar, daß ich das Geld als Berater annahm, aber dafür nicht viel tun mußte - aber ich durfte auch kein Buch über dieses Thema schreiben. Und sie wußten, daß ich an einem solchen Buch arbeitete, das ich damals "Gewissen eines wirtschaftlichen Attentäters" nannte. Es ist wirklich eine außergewöhnliche Geschichte, fast wie ein James Bond ...
 
Goodman: Das Buch liest sich jedenfalls so.
Perkins: So war es auch. Als mich die Nationale Sicherheitsbehörde rekrutierte, haben sie mich einen Tag lang mit dem Lügendetektor getestet. Sie haben alle meine Schwächen herausgefunden und mich sofort verführt. Sie haben die stärksten Drogen unserer Kultur eingesetzt - Sex, Macht und Geld - , um mich zu vereinnahmen. Ich stamme aus einer sehr alten Familie aus Neuengland, Calvinisten, die erstaunlich starke moralische Wertvorstellungen haben. Ich halte mich insgesamt für einen guten Menschen, und ich denke, meine Geschichte zeigt, wie dieses System und diese stärksten Drogen Sex, Macht und Geld Menschen verführen können, denn ich wurde mit Sicherheit verführt. Und wenn ich nicht selbst dieses Leben als wirtschaftlicher Attentäter geführt hätte, könnte ich kaum glauben, daß jemand so etwas tut. Deshalb habe ich dieses Buch geschrieben ...
 
Goodman: Sie beschreiben in Ihrem Buch, wie Sie halfen, einen Plan umzusetzen, durch den Milliarden saudi-arabischer Petrodollars in die amerikanische Wirtschaft zurückgelenkt wurden, was die engen Beziehungen zwischen dem Königshaus Saud und den aufeinanderfolgenden amerikanischen Regierungen weiter zementierte ...
Perkins: Ja, das war eine faszinierende Zeit. Ich erinnere mich gut - Sie sind dafür vielleicht noch zu jung - , aber ich erinnere mich noch daran, wie die OPEC Anfang der 70er Jahre ihre Macht nutzte und die Öllieferungen einschränkte. Die Autos stauten sich an den Tankstellen. Das Land fürchtete, daß es vor einem neuen Zusammenbruch und einer Depression wie 1929 stand, und das war inakzeptabel. Deshalb hat das Finanzministerium mich und einige andere wirtschaftliche Attentäter angeheuert. Wir gingen nach Saudi-Arabien...
 
Goodman: Man nannte Sie wirklich "wirtschaftliche Attentäter"?
Perkins: Ja, so haben wir uns selbst tituliert. Offiziell war ich Chefökonom. Wir nannten uns selbst die EHM. Niemand hätte uns das geglaubt... Wir haben dieses Abkommen ausgearbeitet, wonach das Königshaus Saud zustimmte, den größten Teil der Petrodollars in den USA zu reinvestieren und sie in amerikanische Regierungsanleihen anzulegen. Das Finanzministerium nutzte dann die Zinsen aus diesen Wertpapieren, um amerikanischen Firmen Aufträge zu erteilen und in Saudiarabien neue Städte zu bauen, neue Infrastruktur usw. Und das Haus Saud stimmte auch zu, den Ölpreis innerhalb für uns akzeptabler Grenzen zu halten. Das haben sie auch in all diesen Jahren getan. Und wir verpflichteten uns, das Haus Saud an der Macht zu halten, solange sie dies taten... Auch im Irak versuchten wir, die gleiche Politik zu verfolgen, die in Saudi-Arabien so erfolgreich war, aber Saddam Hussein biß nicht an. Wenn die EHM scheitern, dann sind in diesem Szenario der nächste Schritt die sogenannten "Schakale". Die Schakale sind von der CIA bestellte Leute, die versuchen, einen Putsch oder eine Revolution anzuzetteln. Wenn das nicht funktioniert, dann führen sie Mordanschläge aus, oder versuchen es jedenfalls. Im Fall des Irak haben sie Saddam nicht zu fassen bekommen. Seine Leibwächter waren zu gut. Er hatte Doppelgänger. Sie sind nicht an ihn herangekommen. Die dritte Verteidigungslinie, wenn die wirtschaftlichen Attentäter und die Schakale versagen, sind dann unsere jungen Männer und Frauen, die wir dorthin schicken, damit sie dort sterben und töten. Und das haben wir offensichtlich im Irak getan.
 
Goodman: Können Sie uns erklären, wie Torrijo umgekommen ist?
Perkins: Omar Torrijo war der Präsident Panamas. Omar Torrijo hatte mit Carter den Kanalvertrag geschlossen. Sie erinnern sich, der Vertrag wurde vom Kongreß nur mit einer Stimme Mehrheit angenommen. Es war ein sehr umstrittenes Thema. Außerdem fing er an, mit den Japanern über den Bau eines Kanals auf Meereshöhe zu verhandeln. Die Japaner wollten in Panama einen Kanal auf Meereshöhe finanzieren und bauen. Torrijo redete mit ihnen darüber, und darüber war der Bechtel-Konzern - George Shultz war Präsident und Caspar Weinberger der Chefberater - sehr verärgert. Als Carter abgewählt wurde (und es ist interessant, wie dies geschah), als er die Wahl verlor und Reagan kam, kamen von Bechtel Shultz als Außenminister und Weinberger als Verteidigungsminister, und sie waren sehr verärgert über Torrijo. Sie versuchten ihn dazu zu bewegen, den Kanalvertrag neu auszuhandeln und nicht mit den Japanern zu reden. Er weigerte sich standhaft. Er war ein prinzipientreuer Mann, ein erstaunlicher Mann, dieser Torrijo. Und dann starb er bei einem Flugzeugabsturz, der mit einem Tonbandgerät zusammenhing, in dem Sprengstoff war. Ich hatte mit Torrijo zusammengearbeitet, ich wußte, daß die EHM gescheitert waren. Ich wußte, daß die Schakale hinter ihm her waren, und dann hörte ich, daß sein Flugzeug explodiert war, in dem sich ein Tonbandgerät mit einer Bombe befunden hatte. Ich habe keinen Zweifel, daß dies von der CIA sanktioniert war, und viele lateinamerikanische Ermittler sind zu dem gleichen Schluß gekommen. In unserem Land bekamen wir davon natürlich nichts zu hören.
 
Goodman: Was hat Sie veranlaßt, umzudenken?
Perkins: Ich hatte die ganze Zeit Schuldgefühle, aber ich wurde verführt. Die Macht dieser Drogen - Sex, Macht und Geld - über mich war sehr groß. Und natürlich wurde ich für das, was ich tat, gelobt. Ich war Chefökonom. Ich tat Dinge, die Robert McNamara gefielen.
 
Goodman: Wie eng haben Sie mit der Weltbank zusammengearbeitet?
Perkins: Mit der Weltbank? Sehr, sehr eng. Die Weltbank stellt das meiste Geld, das die EHM einsetzten - sie und der IWF. Aber nach dem 11. September änderte ich meine Meinung. Ich wußte, daß diese Geschichte erzählt werden mußte, denn was am 11. September geschah, war eine direkte Konsequenz dessen, was die wirtschaftlichen Attentäter tun. Und wir können uns in diesem Land nur dann wieder sicher fühlen, wenn wir diese Systeme, die wir geschaffen haben, um positive Änderungen in der Welt herbeizuführen, auch nutzen. Ich glaube wirklich, daß wir es können. Ich glaube, daß die Weltbank und andere Institutionen herumgedreht und das tun werden können, wofür sie ursprünglich gedacht waren, nämlich, beim Wiederaufbau der zerstörten Regionen der Welt zu helfen. Helfen - den armen Völkern wirklich helfen. Jeden Tag verhungern 24'000 Menschen, wir können das ändern.
 
Quelle: Aus der Neuen Solidarität Nr. 49/2004
 
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