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Häufigere Krebserkrankungen von Kindern um Atomanlagen

Zur Geschichte der Strahlengrenzwerte der Bevölkerungsbelastung durch Atomanlagen

von Prof. Dr. med. Dr. h.c. Edmund Lengfelder, Strahlenbiologisches Institut der Ludwig-Maximilians-Universität

AtomkraftwerkVor kurzem erschien eine deutsche Studie, welche im Auftrag des deutschen Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) von 2003 bis 2007 die Frage untersuchte, ob zwischen der Häufigkeit von Krebserkrankungen im Kindesalter und der Nähe des Wohnortes der betroffenen Kinder zu einem Kernkraftwerk ein Zusammenhang besteht. Um es vorwegzunehmen: Die sowohl aus Befürwortern wie Kritikern der Atomkraft bestehende externe Expertenkommission, die vom BfS berufen wurde, konzipierte eine ausserordentlich detaillierte, wissenschaftlich rundum abgesicherte Untersuchung, deren Resultate an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übriglassen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind an Krebs, insbesondere an Leukämie, erkrankt, steigt drastisch, je näher es an einem Kernkraftwerk aufwächst (siehe nebenstehende Graphiken aus der Studie). Die Studie dokumentiert den Zusammenhang unzweideutig. Und es gibt kein anderes Agens ausser Strahlung (mit Abluft und Abwasser verbreitete Radioaktivität), mit dem ein AKW in nennenswerte Verbindung gebracht werden kann und für das eine tumorinduzierende Wirkung bekannt ist.

Nach Vorliegen der Ergebnisse nun behauptet die Mathematikerin und Leiterin der Forschungsgruppe, welche die Studie um set zte, Maria Blettner, im Summary zur Studie, dass die Zahl der Krebsfälle mit zunehmender Nähe zum AKW zwar steigt – was schlicht nicht bestritten werden kann –, die Ursache dafür jedoch nicht geklärt sei. In klarem Gegensatz zu jeder strahlenbiologischen und strahlenphysikalischen Logik.
Um sicherzustellen, dass die Botschaft auch so durch den Blätterwald gehe, wurde die Studie vor der Pressekonferenz der «Süddeutschen Zeitung» zugespielt – sicher mit der freundschaftlichen Erläuterung der «wichtigsten Resultate der Studie». Denn in der wohl kurzen Zeit bis Redaktionsschluss dürfte kein Journalist in der Lage sein, 335 Seiten eines hochwissenschaftlichen Textes durchzuarbeiten – und den Primeur wollte sich die «Süddeutschen Zeitung» wohl kaum nehmen lassen.

Den anderen Journalisten dürfte es nach der Pressekonferenz kaum besser ergangen sein: Pressemappe, Summary, ein paar Blicke in die Studie – danach musste der Text schon bald geliefert sein. Kaum einer wird sich die Zeit genommen haben, die verwischende Tendenz des Summary anhand einer eingehenden Lektüre der Studie herauszufiltern.

Vor dem Hintergrund der Ergebnisse dieser Studie muss das Thema Kernkraftwerke neu aufgerollt werden. Ohne sein Gewissen gegenüber der Volksgesundheit schwer zu belasten, kann man an den hier vorliegenden Resultaten nicht vorbeigehen. Um es auf den Punkt zu bringen: Der bei einem AKW übliche Reingewinn von 1 Million Euro pro Tag für den kleinen Kreis der Aktionäre und Betreiber fordert in der Bevölkerung der Umgebung Leukämie- und Krebsopfer. Sicher müssten zumindest die heute geltenden Grenzwerte für Strahlenbelastung massiv reduziert werden, wenn wir so etwas wie nachhaltige Gesundheitsfürsorge für unsere Kinder und die kommenden Generationen überhaupt ernst nehmen.

Dass die Schweiz nun – auf entsprechenden politischen Druck – ebenfalls eine solche Studie in Auftrag geben will, ist zu begrüssen, wenn dies vor dem Hintergrund ernster Sorge und mit ebensoviel Ausgewogenheit und Sorgfalt bei der Planung geschieht wie dies bei der nun veröffentlichten aus Deutschland der Fall war.

Vorbemerkung

Zunächst: Damit Sie sich ein kleines Bild zu meiner Person machen können, finden Sie untenstehend einen kurzen Lebenslauf. Dort finden Sie auch, dass meine wissenschaftliche Beschäftigung zu Strahlenwirkung und Strahlenrisiko auch das Verfassen eines Fachbuchs zu diesem Thema beinhaltete. Seit 20 Jahren sind Schwerpunkte meiner Tätigkeit die gesundheitlichen und radioökologischen Folgen der Tschernobyl-Katastrophe und die Induktion von Erkrankungen auch durch niedrige Strahlendosen, die in den Tschernobyl-Gebieten in grösserer Entfernung zum Reaktorstandort in riesigen Flächen anzutreffen sind. Ich selbst war in den vergangenen 17 Jahren mehr als 150mal als Arzt und Wissenschaftler in der Region Tschernobyl. Im Jahr 2006 haben mehrere Fachorganisationen einen internationalen Tschernobyl-Kongress veranstaltet, auf dem in grosser Zahl ausgewiesene Wissenschaftler in Fülle über gesundheitliche und andere Folgen der Katastrophe, auch im niedrigen Dosisbereich, berichtet haben. Der Kongressband mit allen Referaten ist jetzt erschienen.

Zur Geschichte der Grenzwerte

Nun zur Geschichte der nach aktueller deutscher Rechtslage gültigen Grenzwerte der Strahlenbelastung durch ein AKW für die Bevölkerung. Diese Werte betragen 0,3 mSv über den Luftpfad + 0,3 mSv über den Nahrungspfad.

Wie kamen diese Werte zustande? Mit dieser Frage habe ich mich vor vielen Jahren intensiv befasst und gemeinsam mit meinem längst pensionierten Kollegen Scholz eine ausführliche Publikation (37 Seiten) geschrieben:

Strahlenschutz in der Bundesrepublik Deutschland: Das 30-Millirem-Konzept, veröffentlicht im Bericht Nr. 1 (1989) des Otto Hug Strahleninstituts (ISBN 0941-0791). Bei Bedarf kann ein Exemplar über mich noch bezogen werden. Durch Internationalisierung der Messwerte wurden aus 30 Millirem die heute gebräuchlichen 0,3 mSv. Ausgangspunkt für das 30-Millirem-Konzept war die Empfehlung der Internationalen Strahlenschutzkommission (ICRP) aus dem Jahre 1958 (ICRP-1: Recommendations of the Commission on Radiological Protection, Pergamon Press, London, 1958). Damals war nur die genetisch signifikante Dosis (Gonadendosis) im Blickpunkt der Überlegungen, und zwar nur in bezug auf die Zeitspanne von der Geburt bis zum Alter von 30 Jahren eines Menschen. Man nahm an, dass Kinder nur bis zu diesem Alter gezeugt werden.

ICRP-1: «Nach Schätzung verschiedener wissenschaftlicher Gremien würde eine Gonadendosis von 6–10 rem, die von der Konzeption an bis zum Alter von 30 Jahren infolge des Einflusses aller künstlichen Strahlenquellen akkumuliert wird, für die Allgemeinheit eine beträchtliche Belastung durch genetische Schäden bedeuten. Sie kann aber als tragbar und gerechtfertigt angesehen werden im Hinblick auf die Vorteile, die erwartungsgemäss durch die Anwendung der Atomenergie erwachsen.»

Dann heißt es zu einem Grenzwert von 1,5 rem, den einige Länder für künstliche Quellen an set zen wollten: «Das aber würde diesen Ländern unerträgliche Beschränkungen auferlegen» (Anmerkung: in der Atomenergieentwicklung). Die Kommission empfahl dann, medizinische Strahlenbelastung aus dem Grenzwertkonzept herauszunehmen «[…] und bei allen anderen künstlichen Strahlenquellen einen Grenzwert von 5 rem für die genetische Dosis zu verwenden».

In ICRP-9 (1965) wurde das Konzept übernommen und weiterhin eine Erhöhung der Mutationsrate der Bevölkerung in Kauf genommen: «Die genetische Dosis, der die Bevölkerung bis zum Ende des mittleren Zeugungsalters durch den Betrieb aller kerntechnischen Anlagen ausge set zt ist, soll […] auf keinen Fall 5 rem überschreiten. Es handelt sich um eine Dosis zusätzlich zur Belastung durch natürliche Hintergrundstrahlung und durch medizinische Maßnahmen.» Dann heißt es, eine Gonadendosis von 5 rem als Grenzwert «gewährt einen vernünftigen Spielraum für die Expansion der Atomenergieprogramme».

Da man sich bewusst war, dass die absichtliche Auferlegung von genetischen Schäden im Interesse der Atomenergieentwicklung bei einem allgemeinen Bekanntwerden dieser Einstellung bei der Bevölkerung zu einem erheblichen Verlust an Vertrauen in diese offiziellen Strahlenschutzgremien führen würde, suchte man nach einer plausibel erscheinenden Begründungsalternative. Nun fand man in der Schwankungsbreite der natürlichen Strahlenbelastung eine numerisch passende Größe und begann, diese zur Begründung der alten Grenzwerte heranzuziehen.

Am 13. Oktober 1969 hat die deutsche Atomkommission folgendes entschieden: «[…] Die von der Wissenschaft angegebene und einzuhaltende genetische Dosis von 5 rem in 30 Jahren sollte von der Kerntechnik nur zu etwa einem Drittel (2 rem in 30 Jahren) in Anspruch genommen werden.» So kam es zu den 30 Millirem pro Jahr durch Abluft und 30 Millirem pro Jahr durch Nahrung. Weiter heißt es bei der deutschen Atomkommission: «Voraus set zung einer derartigen theoretischen Ableitung (d.i. die Festlegung von 30 Millirem pro Jahr) ist, dass diese Strahlenbelastung bei noch zumutbarem Aufwand unvermeidlich ist.»

Damit wird klar, dass der zumutbare Aufwand für die Betreiber von Atomanlagen Grundlage der Grenzwertfest set zung wurde, die natürlich mit einer unvermeidlichen Strahlenbelastung einhergeht und damit Gesundheitsschäden bewusst in Kauf nimmt.

Krebsrisiko nicht berücksichtigt

Das somatische Strahlenrisiko, also das Krebsrisiko aller Altersgruppen der Bevölkerung, war in diesen Grenzwerten überhaupt nicht enthalten, insbesondere auch nicht für die Bevölkerung, die zum überwiegenden Teil älter als 30 Jahre ist! Selbst im Jahre 1987, also nach Tschernobyl und nach der Verabschiedung des Strahlenschutzvorsorgege set zes, war im umfangreichen Jahresbericht des Bundesumweltministers zur Strahlenbelastung in der Bundesrepublik Deutschland immer noch nur die genetisch signifikante Dosis die einzige Bewertungsgröße! Die somatisch signifikante, also die das Krebsrisiko bewertende Dosis wurde im Bericht immer noch nicht thematisiert. Auf dieser Basis wurden auch die durch AKW-Immission bedingten Dosen errechnet.

Die nachgeschobene Begründung der alten, bis heute verwendeten Grenzwerte durch die Schwankungsbreite der natürlichen Strahlenbelastung soll darüber hinwegtäuschen, dass natürliche Strahlenbelastung signifikant (zu 5 bis 10%) zur Zahl der Krebserkrankungen (425 000 im Jahr 2002) und Krebstoten (210 000 im Jahr 2002) in Deutschland beiträgt, die durch die zusätzlichen Strahlendosen aus künstlichen Quellen noch erhöht wird.

Grenzwerte müssen drastisch gesenkt werden

Auf der Grundlage solider wissenschaftlicher Erkenntnisse müssen die Grenzwerte drastisch gesenkt werden. Denn nicht die Betreiber der künstlichen Strahlenquellen und deren «Vorteile» (ICRP-1) und «Spielräume» (ICRP-9) gilt es zu schützen, sondern die Bevölkerung.
Die jetzt vorgelegte Studie hat in der Aussage im Vergleich zu den Ergebnissen der früheren Michaelis-Studie (Zeitraum 1980–1990) noch ein deutlich größeres Gewicht:

•    Auch innerhalb des 5-km-Radius wurde eine genaue Bestimmung des graduellen Abstands vom AKW vorgenommen, und dieser floss in die Analyse ein.
•    Leukämien nahmen stärker zu als andere Tumorarten, verglichen mit der Tumorinzidenz in den Kontrollgebieten. Leukämien bei Kindern sind die am ehesten durch Strahlung ausgelösten Tumoren.

•    In der beratenden Expertengruppe zur Studie haben sich AKW-Befürworter und AKW-Gegner auf ein Studiendesign geeinigt, so dass die Methodik weitgehend einhellig akzeptiert ist.

Allerdings verkleinert die Abstandsbeschränkung der durchführenden Blettner-Gruppe auf 5 km Entfernung zum AKW das an die Öffentlichkeit übermittelte Ergebnis, weil die Studie auch in grösserer Entfernung vermehrt Krebsfälle gezeigt hat. Die Ergebnisse würden somit noch deutlicher ausfallen.

Das BfS gibt in seinen Jahresberichten als Durchschnittswert der Belastung der deutschen Bevölkerung durch Atomkraft eine Obergrenze von 0,01 mSv pro Jahr an. Die im Jahresbericht/Parlamentsbericht angegebenen Jahresdosiswerte für eine Referenzperson sind auf Grund zahlreicher Annahmen zu den Expositionsbedingungen berechnete, nicht gemessene Werte. Die Basisdaten dazu (Art, Höhe und Zeitprofil der Emissionen radioaktiver Stoffe) werden von den AKW-Betreibern selbst erhoben und verarbeitet. In ihrer Studie nennt Frau Blettner für eine 50jährige Person eine Jahresdosis infolge der Immission durch das AKW Gundremmingen von 0,00032 mSv. Von wem sie diese Zahl hat, weiss ich nicht. Tatsache ist auch, dass die in Millisievert angegebene Dosis nach dem Konzept des effektiven Dosismodells errechnet wird, in die die gemittelten Heilungschancen der Krebserkrankungen verschiedener Organe über sogenannte Wichtungsfaktoren eingerechnet werden.
In der Literatur ist die Verdopplungsdosis für kindliche Leukämie (Alter 2 Jahre) mit 10 mSv angegeben. Als Verdopplungsdosis wird eine Strahlendosis bezeichnet, die zu einer Verdoppelung der «normalen», also ohne erkennbare Ursache auftretenden Krebserkrankungshäufigkeit führt. In dieser Größenordnung ist der Beitrag durch den AKW-Betrieb für Kleinkinder im Nahbereich anzunehmen, um die in der Studie gefundenen Ergebnisse zu erklären.

Persistierende Ignoranz und Lernresistenz der zuständigen Behörden

Dass die in offiziellen Regelwerken zum Strahlenschutz gemachten Angaben an der Realität weit vorbeigehen können, zeigen die Ausführungen der aktuellen Katastrophenschutzrichtlinien nach kerntechnischen Unfällen. Dort sind nach wie vor die seit Jahren vorliegenden publizierten Ergebnisse aus der Tschernobyl-Region zum Schilddrüsenkrebs, zur Evakuierungsfläche usw. einfach nicht zur Kenntnis genommen worden. Die Anordnungen und Empfehlungen in den Textbausteinen, die im Katastrophenfall per Rundfunk zur Information der deutschen Bevölkerung verlesen werden sollen, sind streckenweise schlichtweg falsch und führen die Bevölkerung zu deren Schaden in die Irre, sie zeugen von einer persistierenden Ignoranz und Lernresistenz der zuständigen Behörden.
Im Falle der aktuellen Kinderkrebsstudie wurde bereits durch Personen, die sich als Wissenschaftler bezeichnen, ins Gespräch gebracht, dass nicht nur die Bestrahlungsintensität, sondern auch die optische Wahrnehmung eines AKW (Größe der auf der Netzhaut des Auges abgebildeten AKW-Bildfläche) mit dem Abstandsquadrat abnimmt.
Diese abstruse Deutung kommt mir in den Sinn, wenn Frau Blettner sagt, dass nicht Strahlung, sondern etwas unbekanntes anderes der erwiesenen Erhöhung der Leukämie- und Krebsrate von Kindern im Nahbereich von Atomkraftwerken in Deutschland zugrunde liege.
Nicht selten ist das Argument zu hören, dass die Strahlenbelastung durch Fliegen oder medizinisches Röntgen viel höher sei, und auch Rauchen und andere zivilisatorische Gegebenheiten das Krebsrisiko erhöhen würden, und die Gesellschaft dies akzeptiere. Dem ist zu entgegnen, dass sich jedermann diesen Risiken ohne großen Aufwand entziehen kann oder sie wegen eines persönlichen höherwertigen Nutzens (zum Beispiel beim Röntgen) bewusst toleriert. Einer Strahlenbelastung durch ein naheliegendes Atomkraftwerk können sich die im Umkreis wohnenden Menschen nur durch Wegzug mit den damit verbunden großen finanziellen und persönlichen Belastungen entziehen. Ein persönlicher Nutzen durch ein AKW ist, abgesehen von einigen Beschäftigten und den Gewinn-beteiligten des Kraftwerks, nicht gegeben. Außerdem gab es an den Standorten die bestehenden Siedlungsstrukturen bereits, bevor die AKWs hineingebaut wurden.

Unverzüglicher Ausstieg aus Atomtechnik  geboten

Bei alldem darf aber nicht vergessen werden, dass der unverzügliche Ausstieg aus dieser Technik besonders deshalb geboten ist, weil nach einem großen Unfall, dem Super-GAU (katastrophale Unfälle kommen bekanntlich auch bei Weltraumfähren, ICE-Zügen, Magnetschwebebahnen und anderen hochtechnisierten Systemen vor), die Lebensgrundlagen eines ganzen Landes und von Millionen von Bürgern zerstört werden. 

Prof. Dr. med. Dr. h. c. Edmund Lengfelder,
Strahlenbiologisches Institut der Ludwig-Maximilians-Universität,
Schillerstrasse 42,
D-80336 München
Tel. +49 89 2180 75 834, Fax +49 89 2180 75 835
E-Mail: Lengfelder@lrz.uni-muenchen.de

Prof. Dr. med. Dr. h. c. Edmund Lengfelder – Lebenslauf und beruflicher Werdegang

Geboren am 30.3.1943 in Weiden, verheiratet mit der Lehrerin Ulrike Messing
1962 Abitur am Humanistischen Gymnasium Weiden
1962–1964 Wehrdienst bei der Bundeswehr
1964–1970 Medizinstudium in München
1971 Approbation als Arzt, Promotion: «Zur Strahlenbiochemie von Nukleotiden». Promotionsnote: «summa cum laude»
1971/1972 Forschungsarbeiten zu strahleninduzierten Radikalreaktionen am Institute of Cancer Research and Department of Physics in London. (Pulsradiolyse mit kinetischer Spektroskopie am Elektronenbeschleuniger)
Bis 1974 physikalisches und elektronisches Ergänzungsstudium, Entwicklung einer optoelektronischen Messanlage am Elektronenbeschleuniger zur Beobachtung von Strahlenschäden bei Molekülen und Zellbestandteilen im Mikrosekundenbereich
1979 Habilitation für das Fachgebiet Strahlenbiologie, Verleihung des zweiten Doktorgrades (Dr. med. habil.)
1983 Berufung durch die Medizinische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München auf die Professur für Strahlenbiologie
1989 Gastprofessur am englischen nationalen Strahlenforschungszentrum Harwell (Medical Research Council)

Seit 1974 Arbeiten zu folgenden Themenbereichen:

–    Entstehung und Manifestation molekularer Strahlenschäden
–    Art und Wirksamkeit enzymatischer und nichtenzymatischer zellulärer Schutzeinrichtungen gegen toxische Bestrahlungsprodukte
–    Tumortherapie: Mechanismen der Zellschädigung durch die Wirkung von Zytostatika und durch Hyperthermie
–    Entwicklung von Untersuchungsverfahren zur Bestimmung der Aktivität bestimmter zellulärer Schutz­enzyme gegen toxische Bestrahlungsprodukte bei Gesunden und bei Tumorpatienten
–    Mechanismen der Entstehung von Chromosomenschäden durch toxische Bestrahlungsprodukte in Abwesenheit und in Gegenwart chemischer Schadstoffe
–    Arbeiten über biologische Wirkungen nichtionisierender Strahlung, wie z. B. Radiowellen, Mikrowellen
–    Entwicklung spezieller elektronischer Messgeräte für die biologische Strahlenforschung und Entwicklung von Messverfahren zum Nachweis zellschädigender Produkte, die durch Strahlung oder chemische Stoffe im Organismus entstanden sind
–    Verteilung und Anreicherung radioaktiver Stoffe in der Biosphäre, in der Nahrung und in menschlichen Geweben und Organen
–    Strahlungsmessungen der natürlichen und zivilisatorischen Exposition, radioökologische Kartierungen (Europ. Länder, Uranbergbaugebiete in der DDR usw.)
–    Analyse und Bewertung des Strahlenrisikos und der Grenzwertfest set zung für die Allgemeinbevölkerung und für beruflich Exponierte
–    Medizinische und radioökologische Wirkungen und Folgen des Tschernobyl-Fallout in der GUS
–    Medizinische Hilfsmassnahmen nach Katastrophen mit erheblicher Strahlenbelastung (Diagnostik und Therapie von Erkrankungen in der Folge des Tschernobyl-Unfalles, Katastrophenschutz nach atomaren Unfällen)
–    Medizinische und radiometrische Untersuchungen und Strahlungsmessungen in den strahlenbelasteten Gebieten der GUS
–    Molekularbiologische und histopathologische Untersuchungen von Schilddrüsenkarzinomen nach der Tschernobyl-Katastrophe bei Patienten in der GUS
–    Radioökologische Untersuchungen im Umfeld deutscher Nuklearanlagen,
–    Wissenschaft set hik der Strahlenforschung im Spannungsfeld von Interessen
Mitglied mehrerer internationaler wissenschaftlicher Fachgesellschaften (Strahlenforschung, Strahlenbiologie, Strahlenschutz, Radiologie und Onkologie, Biochemie)
Über 200 Publikationen, überwiegend in der internationalen Fachliteratur
Autor des Fachbuchs: Strahlenwirkung – Strahlenrisiko (1. Auflage Hugendubel- Verlag, 2., überarbeitete Auflage Ecomed-Verlag, München)
Inhaber mehrerer internationaler Patente auf den Gebieten Elektromaschinenbau und technische Bestrahlungsanlagen
2. Geschäftsführer eines Münchener Unternehmens für elektrotechnischen Maschinenbau (1985–2004)
Mitherausgeber der Fachzeitschrift «Berichte des Otto Hug Strahleninstituts»
Leiter und Koordinator eines internationalen Forschungsverbundes (Universitäten München, Verona, Padua, Italienisches Nationales Forschungszentrum für Kernphysik [Legnaro]): Quellen und Wirkungen niedrig dosierter Strahlenbelastung (1988–1994)
Sachverständiger für die Gebiete Strahlenwirkung, Strahlenschutz, nuklearer Katastrophenschutz bei Parlamenten, staatlichen und kommunalen Behörden, Gerichten, Ärztekammern, akademischen Einrichtungen usw. im Inland und Ausland
Seit 1991 Leiter des Otto Hug Strahleninstituts – Medizinische Hilfsmassnahmen e. V. München, Vorstandsmitglied des Otto Hug Strahleninstituts e. V., Bonn
Leiter und Koordinator der medizinischen, wissenschaftlichen und humanitären Projekte des Otto Hug Strahleninstituts – Medizinische Hilfsmassnahmen, München, in Belarus, Ukraine und Russland
Mitglied des internationalen Beirats der International Environmental Sakharov University in Minsk, Belarus
Ständiger Berater und Sachverständiger für die Fragen der radiometrischen, medizinischen und humanitären Massnahmen zur Beseitigung der Folgen des Reaktorunfalls in Tschernobyl (für Ministerien in Belarus und westlicher Staaten)
Seit 1992 1. Vorsitzender des Deutschen Verbandes für Tschernobyl-Hilfe e. V.
1992 Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die belorussische Staatsuniversität Minsk «[…] für die Verdienste auf dem Gebiet der Strahlenbiologie und bei der Hilfe für die Republik Belarus durch die wissenschaftlichen Forschungsarbeiten über die Folgen der Katastrophe im Atomkraftwerk Tschernobyl».
1992–1995 Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz e. V.
Seit 1992 Mitglied der Expertenkommission «Leukämie in der Elbmarsch» der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung
1998 Verleihung des höchsten Ordens von Weissrussland («Franzisk-Skorini-Medaille») für Verdienste zur Überwindung der Folgen der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl
2001 Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die International Environmental Sakharov University in Minsk
Seit 2001 Chairman of the International Advisory Board, International Environmental Sakharov University, Minsk
Seit 2003 Mitglied im Approval Board des CORE-Programms zur Rehabilitation der Tschernobyl-Gebiete (Europäische Gemeinschaft und UN-Organisationen, seit Beginn im Jahre 2003)
2006 Präsident des internationalen Tschernobyl-Kongresses «20 Jahre Leben mit Tschernobyl – Erfahrungen und Lehren für die Zukunft», 14.–17.9.2006, in Feldkirch, Österreich

Humanitär-soziales Engagement

Seit 1991 Durchführung zahlreicher humanitärer Projekte des Otto Hug Strahleninstituts – MHM zur Überwindung der Tschernobyl-Folgen und zur Verbesserung der sozialen Situation in Belarus (das am stärksten durch die Tschernobyl-Katastrophe betroffen ist) durch Übergabe moderner Ausrüstungen, durch Aus- und Fortbildung und durch Versorgung mit laufendem Verbrauchsmaterial und ärztliche Hilfe im Bereich

–    Strahlenschutz und Strahlenkontrolle (Gesundheitsbehörden in Gomel, Akademie der Wissenschaften)
–    Diagnostik und Therapie von Krebs und anderen Pathologien der Schilddrüse in Minsk und Gomel (Schilddrüsenzentrum Gomel, Radiojodtherapie aller Patienten mit Schilddrüsenkrebs aus dem Oblast Gomel)
–    Radioökologie und Aufbau von Modellanlagen zur regenerativen Energienutzung (mit internationaler Sacharow-Umwelt-Universität Minsk)

Der Wert der bis Ende 2005 für Belarus im Rahmen der humanitären Projekte des Otto Hug Strahleninstituts erbrachten Leistungen beträgt mehr als 15 Millionen Euro. Zur Verbesserung der sozialen Situation und der Landesentwicklung in Belarus betrachten wir Ausbildung und Knowhow-Transfer als besonders wichtige Beiträge der Projektarbeit. Dazu zählt auch die korrekte Berichterstattung im Westen über die tatsächlichen Folgen der Katastrophe und über die erfolgreiche und konstruktive Zusammenarbeit mit den Projektpartnern in Belarus.
Seit 1992 Leitung des Deutschen Verbandes für Tschernobyl-Hilfe, dessen Mitgliedsvereine seit 1992 zahllose humanitäre Projekte in Belarus durchführen. Wesentliche Grundsätze des Verbandes sind die auf den örtlichen Bedarf zugeschnittenen Massnahmen, Transparenz gegenüber Partnern und Behörden und strikte politische Neutralität.


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