Handy-Strahlen schaden dem Erbgut
Seit Jahren behaupten Mobilfunk- Gegner, dass Handys gesundheitsschädlich sind und Krebs verursachen können. Der Beweis fehlte bislang. Jetzt erhalten sie Schützenhilfe durch eine große Studie, die mit Hilfe der EU entstanden ist und nun veröffentlicht wurde. Ergebnis: Die Funkwellen von Handys schädigen und verändern das menschliche Erbgut, wie es von der Röntgenstrahlung bekannt ist. Besonders alarmierend: Gemessen wurden die Auswirkungen bei Feldstärken, die unter den deutschen Handy- Grenzwerten liegen.
In der Vergangenheit gab es keine exakten Untersuchungen über die Auswirkungen von elektromagnetischen Wellen auf die Zell- und Genstruktur des Menschen. Lediglich eine umstrittene Untersuchung an Ratten aus Schweden stellte einen Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen und Strahlung fest. Im Jahr 1999 entschloss sich die Europäische Union deshalb ein groß angelegtes Forschungsprojekt zu diesem Thema unter dem Namen Reflex mit zwei Millionen Euro zu fördern. Auch die Schweiz, Finnland und die Münchner Verum-Stiftung für Verhalten und Umwelt, die 1992 von der deutschen Zigaretten-Industrie gegründet wurde, sponserten die Studie mit zusammen 1,2 Millionen Euro. An der Untersuchung, dem die im Januar 2000 begann, beteiligten sich zwölf Forschergruppen der Universitäten in Bologna, Bordeaux, Mailand, Wien, Zürich, Berlin und Hannover sowie fünf nicht universitäre Forschungseinrichtungen wie die Münchner Verum- Stiftung. Die Koordination und wissenschaftliche Leitung lag bei Professor Franz Adlkofer von der Versum-Stiftung in München. Ziel der vierjährigen Studie, die in diesem Jahr fertig gestellt wurde, war es, den potentiellen Einfluss von elektromagnetischen Feldern niedriger Energie auf biologische Systeme an Hand von Zellkulturen zu ergründen. Zu diesem Zweck haben die Forscher im Reflex- Projekt Kulturen menschlicher und tierischer Zellen elektromagnetischen Feldern ausgesetzt, die in ihrer Stärke denen entsprechen, die bei einem Handy-Telefonat auf den Kopf einwirken. Um den Einfluß subjektiver Erwartungen der Untersucher auszuschliessen, entwickelte die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich ein spezielles System: Ein Computer entschied nach dokumentiertem Zufallscode, welche von zwei mit identischen Zellkulturen bestückte Kammer bestrahlt wurde und welche als Kontrolle diente. Der Code wurde den Forschern immer erst später zugänglich gemacht. Bei der Untersuchung gelangten die Arbeitsgruppen trotz unterschiedlicher Nachweismethoden zum weitgehend gleichen Ergebnis: Je nach Dauer und Intensität kam es unterhalb des für Handys geltenden Grenzwerts von zwei Watt pro Kilogramm zu einem signifikanten Anstieg von so genannten Einfach- und Mehrfachstrangbrüchen der DNA. Das heißt zu Schäden und Veränderungen der Erbsubstanz. Außerdem stellten die Forscher fest, dass eine gleichbleibende Belastung weniger Schäden anrichtete als ein steter Wechsel der Feldbelastung. Prof. Adlkofer: "Gefährlich sind vor allem die Doppelstrangbrüche, weil sie vom Körper oft falsch repariert werden. Denn Veränderungen am Erbgut führen in der Regel zu Krebs." Die Forscher machten eine weitere erstaunliche Entdeckung: Sind die menschlichen Zellen bereits geschädigt, wird dies durch den Einfluss der Strahlung um ein Vielfaches verstärkt.
Quelle: Karl-Heinz Dix für die ‚TagesZeitung' tz Lesen Sie auch unseren grossen Mobilfunkreport in der
Ausgabe Nr.24