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Jobs auf dem Mond?

Vom Schein und Sein des amerikanischen Arbeitsmarktes.

Von Mark Weisbrot Wird es neue Jobs auf dem Mond geben, oder müssen Amerikas Arbeiter warten, bis wir auf dem Mars landen? Diese Frage und ähnliche drängten sich mir unweigerlich auf, als das Weiße Haus seine kühne neue Initiative verkündigte - Installation einer Mond-Basis als erster Schritt, um Menschen auf den Mars zu schicken. Es war am gleichen Tag, als das US-Arbeitsministerium etwas verkündete, was alle in Erstaunen versetzte: Im Dezember sind lediglich 1 000 neue Jobs entstanden. Das lag völlig unterhalb der Erwartungen (in ihren Voraussagen waren die Experten von 150 000 Jobs ausgegangen). Auch die Finanzmärkte waren geschockt - aber viel wichtiger, uns wurde wieder bewusst, dass wir nach wie vor in einem Aufschwung mit 'Jobverlust' leben. 25 Monate nach dem offiziellen Ende der letzten Rezession im Land hängt die Wirtschaft noch immer um 776 000 Jobs nach - ein Scheitern, das seinesgleichen sucht in einer Zeit wirtschaftlicher Erholung. Normalerweise gewinnt die Wirtschaft in den Jahren nach einer Rezession Millionen neuer Jobs hinzu. Aber momentan sieht es ganz danach aus, als würde George W. Bush der erste Präsident Amerikas seit Herbert Hoover (vor mehr als 70 Jahren), der in seiner Präsidentschaft netto - also unterm Strich - Jobs verliert. Der Beschäftigungsreport enthielt noch jede Menge andere schlechte Nachrichten. Allerdings hat Bush einige davon positiv missinterpretiert. So nannte er den Rückgang der Arbeitslosenrate von 5,9% auf 5,7% "ein positives Signal, dass es mit der Wirtschaft bergauf geht" - das Gegenteil ist der Fall, er realisiert das anscheinend nur nicht. So ist der Rückgang der Arbeitslosenzahlen der Tatsache geschuldet, dass 309 000 Menschen dem Arbeitsmarkt den Rücken kehrten (bzw. sich erst gar nicht dort einfanden). Anders gesagt: Um als arbeitslos zu gelten, ist Voraussetzung, dass Sie sich aktiv um eine Arbeitsstelle bemühen. Wenn es eine größere Anzahl Menschen allerdings aufgibt, nach Arbeit zu suchen, sinkt die Zahl der Arbeitslosen - und die Arbeitslosenrate geht zurück. Auf diese Weise haben wir es im Dezember geschafft, auf eine Arbeitslosenrate von 5,7% zu kommen - im monatlichen Haushaltsbericht des Arbeitsministeriums. Aber das ist alles andere als ein gutes Zeichen. Denn drehen wir die Sache um und betrachten wir die Zahl der Beschäftigten anstatt die der Nichtbeschäftigten, so ergibt sich ein noch deprimierenderes Bild. Die Zahl der Beschäftigten lag im Dezember bei lausigen 62, 2% - und damit rund 2,5 Prozentpunkte unter dem (Beschäftigungs-)Höchstand von April 2000. Der Unterschied ist enorm: Er bedeutet, dass heute 5,5 Millionen Menschen weniger in Arbeit sind als damals. Ben Bernanke, Vize-Chairman der US-Zentralbank, hat erst kürzlich warnend darauf hingewiesen - dies zeige, der Arbeitsmarkt sei wesentlich schwächer als angenommen. Was Ökonomen zudem überrascht, ist, dass der produzierende Sektor im Dezember (erneut) 26 000 Jobs verlor. Demnach dauert die Jobabbau-Strähne in diesem Bereich schon 41 Monate ohne Unterbrechung an. Was sagt das alles aber über den Zustand unserer Wirtschaft aus? Vor allem bedeutet es, die derzeitige wirtschaftliche Erholung fällt schwächer bzw. fragiler aus, als die meisten Experten - vor dem letzten Beschäftigungsbericht - glaubten. Und die Hauptfinanzierungs-Quellen, die diesen 'Jobverlust'-Aufschwung am Leben erhielten, sind am versickern. Die wichtigste dieser Quellen war eine Welle an Hypothekenrefinanzierungen, die es, bis letzten Sommer, möglich machte, dass Konsumenten Kredite von insgesamt hunderten Milliarden Dollar aufnahmen und ausgaben. Auch die Steuersenkung Bushs hat in gewissem Sinne stimulierend gewirkt - wenn auch sehr zielungenau. Der wirtschaftliche Kick wäre größer gewesen, wäre sie nicht so einseitig zugunsten der Reichen ausgefallen. Auch die anschwellenden Militärausgaben waren von Bedeutung. All diese Quellen der verstärkten Nachfrage sind jedoch am Ende. Die Konsumenten sehen sich massiv gezwungen, weitere Kredite aufzunehmen bzw. mehr auszugeben: Letzten Monat gab es einen Rekord an Kreditkartenbesitzern, die mit ihren Zahlungen im Rückstand lagen. Ohne eine massive Wende am Arbeitsmarkt ist kaum vorstellbar, wie selbst dieser schwache Aufschwung aufrechterhalten werden soll. Aber selbst falls der Arbeitsmarkt beginnt, sich zu erholen - am Horizont dräut noch eine zweite große Wolke: die Wohnimmobilienblase. Sie ist mit der damaligen Blase am Aktienmarkt vergleichbar, die die Rezession 2001 auslöste. Sollte die 3-Billionen-Dollar-Blase - Wohnimmobilienpreise - platzen, könnte dies durchaus dazu führen, dass sich die Entwicklung der US-Wirtschaft in ihr Gegenteil verkehrt. Auf diesem Hintergrund möchte ich Präsident Bush fast dazu ermuntern, den Mond zu erobern bzw. eine Mars-Invasion zu starten - als Alternative zur Invasion (irdischer) Länder jedenfalls allemal. Wir werden niemanden töten müssen, keiner unserer Soldaten wird getötet, und wir ziehen uns auch nicht den Hass der Welt zu. Das Ganze würde uns wesentlich weniger kosten als der Irak-Krieg. Allerdings - es könnte eine Weile dauern, bis es Jobs auf den Planeten Erde herabregnet. Mark Weisbrot ist Ko-Direktor des 'Center for Economic and Policy Research' (www.cepr.net) in Washington, D.C. Quelle: ZNet 25.01.2004 Lesen Sie weitere interessante Artikel auf unserer News-Seite