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Kriegstreffen in Annapolis

von Michael Warschawski * Bei Bushs Nahostkonferenz soll die Hamas aussen vor bleiben. Statt den israelisch-palästinensischen Konflikt zu lösen, rüstet der US-Präsident zum dritten Weltkrieg. Auf Initiative von Präsident George W. Bush findet Ende November in Annapolis im US-Bundesstaat Maryland eine internationale Nahostkonferenz statt, bei der Friedensgespräche zur Beilegung des Israel-Palästina-Konflikts vorbereitet werden sollen. Bereits im Vorfeld drohen die rechten Koalitionspartner der israelischen Regierung mit Rücktritt, falls bei den Unterredungen etwas Substantielles verhandelt werden sollte. Ministerpräsident Ehud Olmert selbst wünscht keine Einbeziehung des Konflikts mit Syrien über die von Israel be set zten Golanhöhen. Den israelischen Forderungen gemäss wird alles Wesentliche ausgeschlossen, so auch eine Teilnahme der palästinensischen Hamas. Ein Treffen, bei dem es um den Frieden im israelisch-palästinensischen Konflikt gehen soll und zu dem die Hamas nicht eingeladen wird, ist keine Zusammenkunft für den Frieden, sondern eine Kriegskonferenz. Denn sie richtet sich unter anderem gegen die Hamas und gegen den Grossteil der Bevölkerung des Westjordanlandes und des Gaza-Streifens, der sich bei den palästinensischen Parlamentswahlen mehrheitlich für diese Organisation ausgesprochen hat. Die Konferenz von Annapolis ist im Kontext der neokonservativen globalen Kriegsstrategie zu sehen, im Kontext eines endlosen «Präventivkrieges» gegen die «islamische Bedrohung» oder, wie es die fundamentalistischen christlichen Rechten in den USA simpel und unverblümt ausdrücken: «gegen den Islam». Dabei ist die Hamas nur einer der Feinde, gegen den man zu Felde zieht. Andere sind Iran, die Hizbollah in Libanon und schliesslich Syrien, obwohl das Regime in Damaskus laizistisch ist und mehr Islamisten umgebracht hat als irgend­ein anderer Staat im Nahen Osten. Doch wen kümmert das schon? Für gewisse unerbittliche Neokonservative um Bush sind alle Araber Muslime, und alle Feinde Washingtons sind Gegenstand des US-amerikanischen Kreuzzugs zur Verteidigung der «jüdisch-christlichen» Zivilisation gegen die Bedrohung durch den Islam, auch wenn diese Bedrohung Hugo Chávez oder Evo Morales heisst. Bei ihrer jüngsten Nahostvisite hat US-Aussenministerin Condoleezza Rice ihre Truppen auf den anstehenden Krieg eingeschworen, indem sie den Söldnerstaaten Geld zusteckte, den Zögerlichen drohte und der israelischen Regierung letzte Anweisungen gab. Die Front der «moderaten Staaten», wie Washington seine Vasallen zu nennen pflegt, dürfte inzwischen angriffsbereit und die Konferenz von Annapolis die erste Sitzung des «Kriegskabinetts» sein. Eines fehlt jedoch in den US-amerikanischen Kalkulationen: In welcher Form wird Iran zurückschlagen, und was wird dieser Krieg an Menschenleben und Material kosten? Teheran ist nicht Gaza – Iran hat die Mittel, auf eine israelisch-amerikanische Aggression zu antworten. Die Bewohner von Tel Aviv könnten durchaus zu denen gehören, die für die wahnwitzigen Pläne von George W. Bush teuer werden zahlen müssen. Die jüngste Äusserung des Verrückten vom Weissen Haus lässt einen erschauern: Er warnt vor einem «dritten Weltkrieg»! «Warnen» bedeutet in der Sprache der Neokonservativen nichts anderes als drohen. Kurzum, in seinem grenzenlosen Irrwitz droht Bush, einen Nuklearkrieg gegen den Nahen Osten anzuzetteln, einen Waffengang, in den ohne weiteres die ganze Welt hineingezogen werden könnte. In ihrem unübertrefflichen Zynismus propagieren die Neokonservativen diesen Krieg als einen, der «zur Verteidigung der Juden» geführt werde. Die Juden als Vorwand für einen neuen Kreuzzug der christlichen Fundamentalisten und der Staat Israel als Speerspitze in diesem Krieg zur Rettung der jüdisch-christlichen Zivilisation! Nein danke! Wir Juden werden in diesem Krieg doppelt zahlen müssen, und das nicht zu knapp: Zum einen als Frontbataillon der Kreuzzügler, zum anderen als Sündenbock, ist der Feldzug erst einmal verloren. Es besteht nicht der geringste Zweifel, dass dieselben Führer, die sich der Juden als Vorwand bedienen, sie für das Scheitern verantwortlich machen werden. Man braucht kein Prophet zu sein, um vorherzusagen, dass die christlichen Fundamentalisten um Bush, die ständig einen «Clash of civilizations» herbeireden und im übrigen ultrazionistisch und zutiefst antisemitisch sind, einmal mehr die Juden bestrafen werden, wenn ihr heiliger Kreuzzug gegen den Islam die westliche Welt in die Katastrophe führt. Eine starke jüdische Stimme müsste sich in Israel und weltweit erheben, um laut und deutlich zu sagen: «Nicht in unserem Namen! Bedient euch nicht der Juden für eure imperiale Aggression!» Tragischerweise werden Olmert und Barak in Annapolis genau das Gegenteil tun. Sie werden das Spiel der übelsten Antisemiten unserer Zeit mitspielen und ihre Propaganda bedienen: Freiwillig werden sie unsere Nation und die Juden der Welt als wichtigstes Instrument für einen dritten Weltkrieg anbieten. Möge Gott, oder wer immer diesem Wahnsinn Einhalt zu gebieten vermag, uns beistehen! • * Der israelische Friedensaktivist M. Warschawski ist Mitbegründer des Alternative Information Center (AIC) in Jerusalem. Dieses Jahr erschien von ihm (mit Gilbert Achcar) das Buch «Der 33-Tage-Krieg. Israels Krieg gegen Hizbollah im Libanon und seine Konsequenzen» (ISBN 389401539X). Quelle: Junge Welt vom 9.11.2007 Lesen Sie weitere interessante Artikel auf unserer News-Seite