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Leergefischte Meere

Rücksichtslose Fischerei gefährdet biologische Vielfalt.

Fischernetze fangen, was ihnen vor die Öffnung gerät. Die Winden ziehen alles an Bord, was in den Maschen hängt. Aber längst nicht alle Tiere, die danach an Deck zappeln, sind von Interesse. Was nicht verkauft werden darf, unansehnlich ist, zu wenig Geld bringt oder zu große Mühe macht, geht als "Discard" wieder über Bord. Die meisten Fische sind dann bereits tot oder so schwer geschädigt, dass sie bald sterben. Dramatisch ist die Situation nach einer deutsch-kanadischen Studie unter anderem bei Raubfischen, deren Bestände in den Weltmeeren um bis zu 90 Prozent seit Beginn des kommerziellen Fischfangs in den 50er Jahren gesunken sind. Ransom Myers von der Dalhousie Universität in Halifax (Nova Scotia/Kanada) und der Kieler Meeresbiologe Boris Worm haben die Entwicklung der Raubfisch-Bestände fast 50 Jahre lang zurückverfolgt. Selbst in den offenen Meeren, wo Wissenschaftler bislang noch relativ unberührte Fischpopulationen vermutet hatten, sind die Bestände demnach innerhalb kürzester Zeit auf 10 Prozent ihrer ursprünglichen Größe geschrumpft. Ein fast ebenso starker Rückgang ist bei den Fischbeständen im Kontinentalschelf festzustellen. So hat etwa die Zahl von Haien und Rochen im Golf von Thailand innerhalb von fünf Jahren nach Beginn des industriellen Fischfangs um 60 Prozent abgenommen. Die im britischen Fachblatt "Nature" (Bd. 423, S. 280) veröffentlichten Daten der Wissenschaftler zeigen, dass nicht nur einzelne Arten in einigen Regionen, sondern komplette Ökosysteme von den Tropen bis zu den Polen vom Aussterben bedroht sind. Schuld an der dramatischen Entwicklung ist zu einem großen Teil die wahllose Fischerei. "Von Discard ist die Rede, wenn ich gefangene Fische - aus welchem Grund auch immer - nicht anlanden darf oder will und deshalb auf See wegwerfen muss", sagt Gerd Hubold, Direktor der Bundesforschungsanstalt für Fischerei in Hamburg. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (FAO) schätzt, dass auf diese Weise jedes Jahr weltweit etwa 27 Millionen Tonnen "Discard" über die Reling gehen - bei etwa 80 bis 85 Millionen Tonnen angelandeter Fische. Der sinnlose Tod hat seine Ursachen zum Teil im europäischen Fischereirecht: "Die Fischer dürfen zunächst einmal alles fangen. Ihnen ist lediglich vorgeschrieben, welche Netze und Maschen sie verwenden und was sie anlanden dürfen", sagt Hubold. Um ihre Quoten voll auszunutzen, holen viele Fischer daher so viel wie möglich aus der See. Zwar gibt es auf der einen Seite lange Leinen, deren Haken- und Ködergröße fast nur den gewünschten Tunfisch beißen lässt. Viele benutzen aber die Bodenschleppnetze, in denen alles hängen bleibt. Jedes Jahr verenden in der südlichen und zentralen Nordsee mehr als 7500 Schweinswale als Beifang, berichtet die Umweltschutzorganisation World Wide Fund for Nature (WWF). Auch ungefähr 10 bis 12 Millionen Haie sterben so jedes Jahr weltweit. Quelle: Thilo Resenhoeft und Anja Garms, dpa bzw. vistaverde.de