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Monsantos Genkrieg

Kampf um Profite aus sich schnell verbreitendem manipulierten Saatgut eskaliert. US-Konzern blockiert Auslieferung argentinischen Sojamehls in der EU

Von Wolfgang Pomrehn Argentiniens Landwirtschaft boomt. Die gutlaufende Weltkonjunktur und die Tatsache, daß es in Asien einige hundert Millionen Menschen zusätzlich zu bescheidenem Wohlstand gebracht haben, treiben Nachfrage und Weltmarktpreise für Nahrungsmittel in die Höhe. Ideale Bedingungen also für das Pampaland, das 37 Millionen Menschen beherbergt aber 300 Millionen ernähren kann. Das große Geschäft heißt Soja. 40 Millionen Tonnen exportiert Argentinien derzeit jährlich, so viel wie nie zuvor und zudem zu Rekordpreisen.

Waffe Patentrecht
Das weckt Begehrlichkeiten. Der US-Konzern Monsanto, einer der ganz großen im internationalen Saatgutgeschäft und zugleich einer der Vorreiter der Gentechnik in der Landwirtschaft, möchte sich einen Teil vom Argentinienkuchen abschneiden. In verschiedenen EU-Staaten blockiert der Konzern seit mehreren Wochen die Auslieferung von argentinischem Sojamehl. Monsanto sieht seine Patentrechte auf ein künstliches Gen verletzt und fordert von den argentinischen Exportfirmen 15 US-Dollar Lizenzgebühr pro Tonne Sojamehl. Angewandt auf alle argentinischen Sojamehl-Exporte in die EU wären das insgesamt 155 Millionen US-Dollar, rechnet die in Buenos Aires erscheinende Tageszeitung Pagina 12 vor. Monsanto pocht auf ein EU-Patent für sein Round-up-Ready-Gen. Das geschieht hierzulande, weil das Gen in Argentinien nicht patentiert wurde. Dort hat der US-Konzern bisher durch die Lizenzgebühren verdient, die bei den Saatguthändlern erhoben werden. Wie der Streit in der EU ausgehen wird, ist noch offen. Die argentinische Regierung gibt sich optimistisch, daß die Exporteure gegen Monsanto Recht bekommen. Das europäische Patent sei nur dort wirksam, wo das Gen weiterverwendet werden könne, Mehl werde aber nicht ausgesät. Der Interessenverband der Soja-Bauern, die argentinische Agrargesellschaft, zeigt sich hingegen besorgt. Die Verunsicherung bei den Zwischenhändlern habe dazu geführt, daß die Erzeugerpreise bereits um sieben US-Dollar pro Tonne gefallen seien. Für Monsanto reicht das vielleicht schon, denn dem Konzern geht es wohl nicht um Patentrecht und Lizengebühren in Europa. Sein hiesiges Vorgehen ist lediglich Drohkulisse für die Auseinandersetzung in Argentinien, um die dortigen Konzerneinkünfte zu erhöhen. Hintergrund ist die weite Verbreitung, die gentechnisch verändertes Soja zwischen Anden und Südatlantik in den letzten Jahren gefunden hat. Rund 90 Prozent der Pflanzen enthalten mittlerweile das von Monsanto entwickelte Round-up-Ready-Gen. Für die Landwirte – vielfach Großgrundbesitzer – hat das den Vorteil, daß die Pflanzen gegen das gleichnamige Herbizid (Pflanzengift) resistent sind. Folglich kann man das Gift ohne Bedenken und ausgiebig einsetzen, und oft geschieht dies per Flugzeug, wobei mitunter Nachbarfelder und Häuser von Kleinbauern und Landarbeitern großzügig mit eingenebelt werden. Die haben das Nachsehen, verlieren Ernte und Gesundheit, und wenn sie Pech haben, werden sie auch noch von den Pistoleros der landhungrigen Soja-Großbauern vertrieben. Die nutzen meist den Umstand, daß der Eintrag ins Grundbuch für Kleinbauern ein unerschwinglicher Luxus ist.

Saatgut-Diktat
Diese Auswirkungen entsprechen ziemlich genau dem, was Gentechnik-Kritiker seit vielen Jahren voraussagen, und insofern könnte Monsanto eigentlich mit dem durchschlagenden Erfolg seiner Entwicklung zufrieden sein. Probleme macht dem US-Konzerns allerdings ein argentinisches Gesetz, das den Landwirten das Recht garantiert, einen Teil ihrer Ernte für die nächste Aussaat zu verwenden. Diese Praxis, so alt wie die menschliche Ackerbauzivilisation selbst, ist in vielen Weltgegenden längst nicht mehr selbstverständlich. Überall versuchen Saatgutkonzerne wie Monsanto, den Bauern dieses Recht streitig zu machen. Sie sollen verpflichtet werden, entweder ihr Saatgut zu kaufen, oder aber den Unternehmen Lizengebühren für die von ihnen entwickelten Sorten zu zahlen. In Kanada war bereits vor einigen Jahren ein Landwirt in einem auch in Europa aufsehenerregenden Verfahren entsprechend verurteilt worden. Die manipulierten Gene waren über Pollenflug in seine Rapsernte eingedrungen, die somit zur patentierten Sorte wurde. Ein Gericht verdonnerte ihn in einem Musterprozeß dazu, Monsanto Lizenzgebühren zu zahlen, weil er die Aussaat aus seiner eigenen Ernte genommen hatte. Derlei ist in Argentinien bisher nicht möglich. Monsanto verhandelt daher mit der argentinischen Regierung und den Bauernverbänden über eine globale Lösung. Ein US-Dollar pro geernteter Tonne Soja fordert der Konzern. Auf der juristischen Ebene kann Monsanto immerhin anführen, daß sein Roundup-Ready-Gen nicht nur wegen der Wiederverwendung zum Eigenbedarf, sondern auch wegen des illegalen Saatguthandels so weit verbreitet ist. Der Ansatz der Saatguthändler und damit Monsantos Einnahmen gehen hingegen zurück. Argentiniens Großgrundbesitzer legen offensichtlich nicht nur bei ihren armen Nachbarn das Recht nach eigenem Gutdünken aus. 

Quellenangaben

Junge Welt, 28.02.2006