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Neokonservative am Pranger

Namhafte US-Zeitungen thematisieren den unheilvollen Einfluß, den zionistische Neokonservative auf die US-Aussenpolitik ausüben .

von Jeffrey Steinberg Lyndon LaRouche sprach seit dem 11. September 2001 von einem Staatsstreich innerhalb des Sicherheitsestablishments der USA, der das Ziel verfolge, die Vereinigten Staaten in einen permanenten Krieg der Kulturen zu treiben. In den vergangenen Wochen verbreitete LaRouches Wahlkomitee in einer Auflage von 400000 ein Dossier über die neokonservative Washingtoner Kriegsfraktion und deren philosophischen Mentor Leo Strauss (der Hauptartikel Die Anstifter des Krieges ohne Ende erschien in Neue Solidarität Nr. 16/2003). Mehrere Establishment-Medien haben nun das Thema aufgegriffen und sehr ähnliche Enthüllungen über die kriegerische Straussianer-Clique in Washington veröffentlicht. Am 4.Mai veröffentlichte die New York Times im Wochenrückblick ihrer vielgelesenen Sonntagsausgabe einen langen Artikel mit dem Titel "Die Leo-Cons - Hinterlassenschaft eines Klassizisten: die Empire-Erbauer". Ein Drittel der Seite nimmt eine Karikatur des stellv.Verteidigungsministers und Strauss-Schülers Paul Wolfowitz ein: als römischer Gladiator mit Strauss' Buch Über Tyrannei unterm Arm. Der Artikel befaßt sich mit der Rolle des 1973 verstorbenen Strauss als Mentor jener Clique neokonservativer Drückebergerfalken in der Regierung Bush und ihrem Umfeld, das den jüngsten Krieg gegen den Irak geplant, durchgesetzt und organisiert hat. Eine Bildersammlung der Hauptverantwortlichen - die allesamt in LaRouches Dossier und im Executive IntelligenceReview namentlich genannt waren - bedeckt eine weitere halbe Seite. Verfasser des Exposés ist James Atlas, der Autor einer kürzlich erschienenen Biographie des Romanciers Saul Bellow, dessen Roman Ravelstein auf der Biographie des Straussianers Allan Bloom beruht und eine Figur enthält, der Paul Wolfowitz Modell gestanden hat. Atlas schreibt: "Für Theoretiker intellektueller Verschwörungen ist die Außenpolitik der Regierung Bush vollständig eine Schöpfung der Straussianer. Paul D. Wolfowitz, der stellv.Verteidigungsminister, wurde als Strauss-Schüler ausgemacht; William Kristol, der Gründer und Herausgeber des The Weekly Standard, einer Pflichtlektüre im Weißen Haus, betrachtet sich selbst als Straussianer; auch Gary Schmitt, der Exekutivdirektor des Project for the New American Century, einer von Kristol gegründeten einflußreichen außenpolitischen Gruppe, steht stramm im Strauss-Lager." Als geistige Weggenossen von Strauss nennt Atlas Martin Heidegger, Walter Benjamin und Alexandre Kojève, ohne weiter auf Leben und Werk dieser Nietzscheaner und Existentialisten des 20. Jahrhunderts einzugehen. Er vermeidet auch zu erwähnen, wie sehr Strauss' eigene Ansichten von Nietzsches faschistischer Ideologie geprägt waren. Dieser Aufsatz in der New York Times wird allgemein als "Schuß vor den Bug" der neokonservativen Clique betrachtet, die innerhalb der Regierung Bush eine Art Staatsstreich durchgeführt hat und zielstrebig auf eine Reihe imperialer Dauerkriege im Nahen Osten und in Ostasien hinarbeitet. Nicht nur das Thema Leo Strauss an sich hat in Washington und anderen Hauptstädten der Welt für Aufsehen gesorgt, sondern mehr noch der Gedanke, daß Teile des US-Establishments sich bei ihrem Vorgehen gegen die Kriegsfraktion offen an Lyndon LaRouches intellektueller Führung orientieren. Seymour Hershs zweite Salve Einen Tag nach dem Exposé der New York Times über die "Leo-Cons" erschien ein noch treffenderes Feature aus der Feder des respektierten Journalisten Seymour Hersh im Magazin The New Yorker vom 5.Mai. Auch Hersh griff Informationen auf, die zuerst in LaRouches Dossier erschienen waren, wie z.B. die Rolle gewisser Straussianer in Rumsfelds Pentagon-Geheimdienst, die für die massive Desinformationskampagne verantwortlich waren, mit der Präsident Bush dazu verleitet wurde, den Krieg gegen den Irak anzuordnen. Der wichtigste dieser Strauss-Schüler, die dem Präsidenten über Verteidigungsminister Rumsfeld erfundene Informationen zuleiteten, ist Abram Shulsky, der Leiter des, wie es LaRouche nannte, "Geheimdienstes der Drückebergerfalken" im Pentagon. Hersh spricht von einem "selektiven Nachrichtendienst" und gibt seinem Artikel auch diese Überschrift. Hersh schreibt: "Direktor der Abteilung für Special Plans ist Abram Shulsky, ein gelehrter Kenner der Werke des politischen Philosophen Leo Strauss... Das Büro für Sonderpläne wird vom Verteidigungs-Unterstaatssekretär William Luti beaufsichtigt, einem Kapitän a.D. der Marine." Shulsky und Luti werden in LaRouches Dossier ausführlich als die nicht sehr nobel lügenden Straussianer hinter dem Irakkrieg bloßgestellt. Hersh beschreibt dann eine Reihe von Vorfällen, in denen die Shulsky-Luti-Einheit gefälschte Informationen verbreitete, die angeblich von "auswärtigen Geheimdiensten" oder oft vom Irakischem Nationalkongreß des verurteilten Betrügers Achmed Tschalabi stammten, der mit Shulsky und Wolfowitz an der Universität Chicago studierte, und kommt dann auf Leo Strauss zurück. "Wie Wolfowitz", schreibt Hersh, war Shulsky "ein Student von Leo Strauss an der Universität Chicago. Beide Männer promovierten 1972 unter Strauss. Strauss, ein Flüchtling aus Nazideutschland, der 1937 in die Vereinigten Staaten kam, hatte die Geschichte der politischen Philosophie studiert und wurde einer der führenden konservativen Exil-Gelehrten. Allgemein ist er für sein Argument bekannt, daß die Werke der alten Philosophen versteckte esoterische Botschaften enthalten, deren Wahrheit nur wenige Eingeweihte verstehen und von der Masse mißverstanden würden." Neben den schon bekannten Strauss-Schülern nennt Hersh noch den Unterstaatssekretär im Verteidigungsministerium für die Geheimdienste, Stephen Cambone. Der frühere Chef des Zentrums der CIA für Terrorabwehr Vincent Cannistraro, der zeitweilig mit Shulsky in einer Denkfabrik zusammenarbeitete, so Hersh, erklärte Shulskys Politik als "typisch für seine Gruppe - eben die Sicht von Strauss. Die Mitglieder der Gruppe bestärken sich gegenseitig, weil sie sonst keine Freunde haben, und arbeiten alle zusammen. Dies geht bis in die 80er und 90er Jahre zurück, aber sie waren noch nie so eng verbunden wie heute." Cannistraro schloß: "Der 11.September gab ihnen die Gelegenheit, und nun sind sie im siebten Himmel." Zu den sogenannten Beweisen für Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen und seine Verbindungen zu Al-Qaida meinte Cannistraro: "Sie glauben, daß die Informationen vorhanden sind. Sie wollen es glauben. Sie müssen einfach da sein." Hersh bekräftigte die Hauptthesen seines Artikels inzwischen in einem Online-Interview. In seinem Artikel beklagt er den mangelnden Widerstand seitens der traditionellen Nachrichtenoffiziere und zitiert einen ehemaligen Beamten der Defense Intelligence Agency (DIA): "Das Pentagon hat eine Front gebildet, um die Außenpolitik der Regierung zu beherrschen, und sie haben es geschafft. Sie kontrollieren Tschalabi. Die DIA wurde eingeschüchtert und breiweich geschlagen. Und bei der CIA gibt es niemanden mit Rückgrat." Die Schleusen gehen auf Nachdem die New York Times und das The New Yorker LaRouches Enthüllungen aufgegriffen und damit sozusagen die Schleusentore geöffnet hatten, stürzten sich weitere Journalisten auf das Thema. Am 6. und 7. Mai erschienen zwei weitere Artikel: einer von Joe Conason im New York Observer und einer von Jim Lobe in der Inter Press News Agency. Lobes Artikel wurde inzwischen auch in der Asia Times nachgedruckt. Titel: "Neokonservative tanzen einen Strauss-Walzer". In Europa griffen der italienische Corriere della Sera und die Londoner Times die Aufsätze von Hersh und Atlas auf. Schon zuvor hatte die französische Tageszeitung Le Monde einen Artikel über die Strauss-Kabale in Bushs Team veröffentlicht, der aber vom Stil eher als Verteidigung denn als Angriff zu werten ist. Lobes Artikel basiert auf einem Gespräch mit der Professorin Shadia Drury von der Universität in Calgary, die zwei Bücher über Leo Strauss und eine Abhandlung über Alexandre Kojève veröffentlicht hat. Der russische Emigrant Kojève war lebenslang mit Strauss befreundet und lebte in Paris, wo er während und nach dem Zweiten Weltkrieg dem offen faschistischen Netzwerk der "Synarchisten" angehörte. Drury kritisierte Hershs Artikel in einem Punkt und wies - zurecht - darauf hin, daß es falsch sei, Strauss als liberalen Demokraten zu betrachten: "Strauss war weder ein Liberaler noch ein Demokrat. Nach Ansicht von Straus ist die immerwährende Irreführung der Bürger durch die Mächtigen entscheidend, weil sie geführt werden müssen, und weil sie starke Führer brauchen, die ihnen sagen, was gut für sie ist." Sie verwies auf den Unterschied zwischen Strauss und Platon. Während Platon gesagt habe, daß solche Bürger regieren sollten, welche die höchsten moralischen Standards haben, habe Strauss gesagt, zum Herrschen sind jene geeignet, die erkennen, daß es keine Moral und nur ein natürliches Recht gibt: das Recht des Überlegeneren, über die Untergebenen zu herrschen... Man will eine Menge, die man wie Wachs manipulieren kann." Drury fügte hinzu, Strauss' Herrschaftssystem setze ein Feindbild voraus: "Er ist überzeugt, daß man, wenn es keine äußeren Feinde gibt, einen solchen Feind schaffen muß... Nach Strauss' Ansicht muß man ständig kämpfen [um zu überleben]. In dieser Hinsicht ist er sehr spartanisch. Frieden führt zur Dekadenz. Die Straussianer glauben an den immerwährenden Krieg, nicht an den immerwährenden Frieden." Dies führe die Straussianer in Washington wie Wolfowitz, Kristol, Shulsky und Schmitt dazu, eine "aggressive, kriegerische Außenpolitik" zu betreiben. Der Regierung Bush warf Drury vor, sie habe "für Liberalismus und Demokratie nichts übrig, aber sie erobert die Welt im Namen des Liberalismus und der Demokratie." Im New York Observer vom 7.Mai zielt Joe Conason auf die Straussianer um Verteidigungsminister Rumsfeld und schreibt mit beißendem Sarkasmus: "Die Genialität von Donald Rumsfeld und seinen Stellvertretern im Verteidigungsministerium gehört gegenwärtig zu den Lieblingsthemen der großen Medien. Nach der verbreiteten Ansicht war ihre Militärstrategie im Irak praktisch fehlerlos, ihre politischen Instinkte meisterhaft und ihre philosophische Grundlage tief (einige von ihnen haben sogar Leo Strauss gelesen). Sie sind einfach unbestreitbar brillant." Ein erbitterter Kampf Nach den Gründen für solchen Sarkasmus braucht man nicht lange zu suchen. Rumsfeld denkt gar nicht daran, zurückzustecken. Im Gegenteil, er will auch die zivilen Angestellten im Pentagon gleichschalten und den zurückgetretenen Armeesekretär Gen. Thomas E. White durch den ihm genehmen Luftwaffensekretär James G. Roche ersetzen. Aber die plötzliche Begeisterung seitens einflußreicher Kreise in den politischen Institutionen Amerikas für LaRouches Ideenkrieg gegen die neokonservative Kabale zeigt auch, daß immer mehr Menschen auf die außerordentliche Gefahr aufmerksam werden, die diese Straussianische Partei des "permanenten Krieges" für das Überleben der Vereinigten Staaten als konstitutionelle Republik darstellt. Vor dem Ausbruch des Irakkrieges im März herrschte noch eine erschreckende Naivität hinsichtlich der Macht der Neokonservativen und ihres Einflusses auf Verteidigungsminister Rumsfeld und Vizepräsident Cheney. Die Frage bleibt jedoch: Wird der Widerstand gegen die Kriegsfraktion weitergehen und Konsequenzen haben? Wird man in den politischen Institutionen Amerikas erkennen, daß die Straussianer Universalfaschisten sind, die den "Reichstagsbrand" vom 11.September weiter dazu nutzen werden, dem Präsidenten ihren politischen Willen aufzuzwingen, bis sie durch politische Gegenmaßnahmen, wie sie LaRouche fordert, entmachtet und letztlich aus den Regierungsinstitutionen entfernt werden? Quelle: Neue Solidarität 20/2003