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Neues Produkt der Neocons: Das «Büro für iranische Angelegenheiten»

Eingebetteter Journalismus und die Desinformationskampagne für den Krieg gegen den Iran

Irank-KriegGemäss Laura Rozen von der «Los Angeles Times» wurde das Office of Special Plans (Büro für Spezialpläne, OSP) als «Büro für iranische Angelegenheiten» wieder zum Leben erweckt und befindet sich in denselben Büros des Pentagon wie sein Vorgänger, das OSP. Auch ein Teil desselben schleimigen Personals wurde übernommen. Besonders Abram Shulsky, der Vorsitzende des OSP unter Douglas Feith, ist wieder da. Seine Mannschaft wird niemand Geringerem unterstellt sein als Elisabeth Cheney, der Staatssekretärin für Nahost-Angelegenheiten und Tochter des Vizepräsidenten. Dick Cheney wird allgemein innerhalb der Regierung als der entschiedenste Fürsprecher eines Angriffs auf den Iran angesehen. (Nebenbei bemerkt, ist er ebenso Architekt von Bushs
«signing statements» als Anhang zu Gesetzen, die ihn berechtigen, sie zu ignorieren. Er ist der Mann hinter dem Thron, umgeben von neokonservativen Gefolgsleuten.)
Wie ich letzten November schrieb, «ist es zu früh, von einer ‹neokonservativen Dämmerung› zu sprechen, weil [John] Hannah, [Stephen] Hadley, [William] Luti, [David] Wurmser, Elliott Abrams, John Bolton, John Negroponte und andere Neokonservative noch an der Macht sind und [Michael] Ledeen und [Abram] Shulsky immer noch herumschleichen.»

Pentagon verschleppt Desinformationsaufarbeitung

Es war zur selben Zeit, als die Demokraten eine erfolglose Mini-Rebellion im Senat inszenierten, indem sie verlangten, dass die lange verzögerte zweite Phase der geheimdienstlichen Untersuchung von Feiths OSP endgültig in Gang gesetzt werde. Aber dies scheint durch den Beginn einer eigenen, internen Untersuchung von Feiths Büro durch den Generalinspekteur des Pentagon absichtlich verzögert worden zu sein. Feiths Nachfolger und Neocon-Kumpan Eric Edelman und Rumsfelds Geheimdienstchef Stephen Cambone arbeiten vermutlich dabei zusammen. Ich würde in absehbarer Zeit keinen aufsehenerregenden Bericht erwarten, der die Desinformationskampagne, die zum Irak-Krieg führte, ausführlich beleuchtet.

Straussianer lügen weiter

Inzwischen ist Abram Shulsky, der Ober-Neocon, ein Schüler von Leo Strauss und Machiavelli, zurück. Er hatte über die Anwendung von Leo Strauss’ Gedanken auf die geheimdienstliche Tätigkeit geschrieben. Die Strauss­ianer rechtfertigen natürlich den Gebrauch von Desinformation («edle Lügen»), um die Öffentlichkeit auf die schwierige Auswahl, die sie, die «Weisen», getroffen haben, vorzubereiten. Schon dort ist der Nachweis für die wohlerwogene Plazierung von gefälschten Geschichten in der Presse, wie sie in den Monaten vor dem Angriff auf den Irak erschienen sind, zu finden. Amir Tahiri berichtete auf der Titelseite der «National Post» aus Kanada über eine Vorschrift, ein religiöses Abzeichen zu tragen, die vom iranischen Parlament angenommen worden sei. Dies wurde von Sean McCormick, dem Sprecher des Aussenministeriums sofort und eifrig aufgegriffen. An einer Pressekonferenz am 19. Mai wurde er von James Rozen von Fox News befragt:

Frage: Haben Sie bzw. das Ministerium Kenntnis von veröffentlichten Berichten, die darlegen, dass das iranische Parlament diese Woche eine Verfügung erlassen hat, die Nicht-Muslime dazu verpflichten würde, Abzeichen zu tragen, die sie als solche identifizieren würden?

Sean McCormick: Ich habe die Berichte gesehen. Sie sind, glaube ich, wiederaufgewärmte Berichte. Es ist tatsächlich – so wie ich es verstehe – irgendein Gesetz gegenwärtig im Parlament, dessen genauer Inhalt aber unklar ist. Deshalb werde ich nicht versuchen, einen definitiven oder genauen Kommentar über etwas abzugeben, worüber ich noch nicht alle Fakten kenne.
Darüber hinaus wäre es selbstverständlich verabscheuungswürdig, wenn so etwas wirklich vorkommen würde, egal ob im Iran oder in irgendeinem anderen Land.

Darf ich da noch etwas weiterfragen?

Machen Sie nur weiter.

Sie sagten, es handle sich um etwas – gemäss Ihrem Verständnis –, das aufgewärmt wurde. Wie lange hat das Ministerium dies verfolgt? Oder haben Sie von diesen Berichten heute zum erstenmal Kenntnis erhalten?

Naja, ich habe mancherlei Nachrichten gelesen – ähnliche Nachrichtenmeldungen. Ich kann Ihnen nicht die genauen Daten geben; wissen Sie, es war vor Monaten. Und es scheint, als ob sie nun wieder aktualisiert werden, basierend auf dem Fortschreiten eines – na ja, ich würde mangels eines geeigneten Ausdrucks sagen – Gesetzes durch das iranische Parlament. Das genaue Wesen des Gesetzes bleibt ein wenig unklar, und die genaue Motivation dahinter ist auch ein wenig unklar. Also kann ich Ihnen, wie ich schon sagte, keinen detaillierten Kommentar dazu abgeben.

Zwei weitere Fragen, wenn ich mir erlauben darf. Über welche Möglichkeiten verfügt das Ministerium, die Beschlussfassung von Gesetzen im iranischen Parlament zu verfolgen?

Ja, selbstverständlich haben wir Zugang zu öffentlichen Informationen, und wir sprechen auch mit anderen Ländern, die eine diplomatischen Vertretung im Iran unterhalten.

Und werden zurzeit Anstrengungen unternommen, um mehr darüber zu erfahren?

Ja.

Und warum wäre es verabscheuungswürdig, wenn es stimmen würde?

Ich glaube, es gibt dazu klare Vorläufer, James, in Deutschland … unter Hitler. Deshalb, glaube ich, ist dies ziemlich klar. Aber nochmals, wie gesagt, ich will mich nicht zu tiefgehend dazu äussern, weil wir die Fakten dazu nicht haben.

Wie man Greuel-Propaganda inszeniert

Riecht sonst noch jemand die fauligen Blätter des «embedded» Journalismus? Die kanadische Zeitung nahm die Sensationsstory noch im selben Augenblick zurück, als McCormick sprach. Es gibt tatsächlich Diskussionen in den iranischen Majlis (Parlamenten) über ein Gesetz, das die islamische Kleidung festlegt. Es gab bereits Gesetze über eine angemessene Kleidung im Iran, mit allen Vor- und Nachteilen seit dem Beginn der Islamischen Republik, also ist dies nichts Neues. Aber Abzeichen? Die Desinformanten dürften dies wohl ausgeklügelt haben, weil sie sich an das Bestreben der afghanischen Taliban im Jahr 2001 erinnerten, den Hindus das Tragen von gelben Abzeichen aufzuerlegen. Oder vielleicht dachten sie an ihre eigenen Presseabzeichen.
Ich kann mir gut irgendein Brainstorming zwischen Typen aus dem «Büro für iranische Angelegenheiten» und Judith Miller-Typen vorstellen:
«Was können wir sonst noch tun, um Ahmadinejad mit Hitler gleichzusetzen?»
«Wie wäre es mit dem Kleidungsabzeichengesetz?»
«Naja, das ist so eine islamische Angelegenheit wie die Kleidungsvorschriften in Saudi-Arabien.»
«Wir könnten sagen: Kennzeichen.»
«Kennzeichen?»
«Wie die Judensterne in Nazideutschland.»
«Planen sie wirklich Kennzeichen?»
«Nein, aber erinnern Sie sich an die Taliban, wie sie 2001 den Hindus gelbe Kennzeichen anzogen.»
«Jawohl, in Afghanistan.»
«Die Leute werden sich damit abfinden. Sie werden nicht zwischen Afghanistan und Iran unterscheiden.»
«Jawohl, und wenn die Afghanen imstande waren, es zu tun, sind es auch die Iraker.»
«Und die Deutschen.»
«Ja, das klappt. Lasst es uns versuchen.»
«Die Regierung wird es in einer Pressemitteilung erläutern. Wir halten uns bedeckt und sagen, wir hätten nicht alle Fakten. Aber wenn es wahr ist, ist es furchtbar.»
«Anschlussfragen werden den Bezug zu den Nazis anregen.»
«Jawohl, das ist gut. Beginnen wir damit.»

Vogelgrippe-Märchen als «Casus belli»?

In den kommenden Wochen erwarte ich eine Flut von falschen Berichten, verbreitet durch die heuchlerische, angstverbreitende Maschinerie, die die Presse und die Bush-Regierung in Bewegung setzt. Gleichzeitig diskutiert die weltliche Allianz hitzig Cheneys Pläne, den Iran anzugreifen, während Israel seine Kampagne intensiviert, zu einem solchen Angriff zu ermutigen und während die US-Anstrengungen ihren Lauf nehmen, die Anwendung von Gewalt durch den UN-Sicherheitsrat zu legitimieren. Jorge Hirsch lieferte gute Argumente für die Möglichkeit, dass die Regierung den Iran anklagen wird, die Vogelgrippe im Westen zu verbreiten. Ja, es ist verrückt. (Ja, ebenso verrückt wie die Berichte von Martin Arostegui im Insight Magazine nach dem 11. September, der nahelegte, es sei offensichtlich, dass Fidel Castro involviert sei in die Einführung des Westnil Virus in die USA durch die Wanderung von Vögeln.» John Bolton und Pat Robertson haben solches «Material» verwendet, um die Bedingungen für einen Regimewechsel in Kuba zu schaffen.)

Zuerst Syrien und Libanon, dann den Iran? Dämonisierung der Hizbollah

Justin Raimondo von «antiwar.com» analysiert einen Bericht in Israels populärster Zeitung «Yedioth Ahronoth», der besagt, dass die libanesische shiitische Partei Hizbollah, welche mit dem Iran liiert ist, einen terroristischen Anschlag auf die Fussballweltmeisterschaft in Deutschland plane. Die Europäer nahmen die Hizbollah erst letztes Jahr zwar widerstrebend, aber unter dem Druck der USA auf ihre Liste internationaler terroristischer Organisationen. Das Dämonisieren der Hizbollah ist der Schlüssel zu der amerikanischen und israelische Politik, um einen Regimewechsel in Syrien und in Libanon zu erreichen. Die nach wie vor mysteriöse Ermordung von Rafiq Hariri im letzten Februar wurde von offiziellen Stellen der USA sofort Syrien, dem Schirmherr der Hizbollah, zugeschrieben. Iran ist als Unterstützer der Hiz­bollah noch wichtiger.
Es gab tatsächlich einen Anschlag von einigen Arabern während eines sportlichen Ereignisses in München im Jahr 1972. Palästinensische Terroristen besetzten die Quartiere der israelischen Athleten und töteten elf von ihnen. Vielleicht denken einige:»Was ist, wenn so etwas Ähnliches wieder geschehen würde? Die Leute würden so empört sein! Und wenn wir dem Iran die Schuld zuschieben könnten … also, genug gesagt!»

«Führer befiehl, wir folgen dir» à la USA

Die Strategie ist klar. Definiere ein Ziel als böse. Erfinde irgendeine Verbindung zu Massenvernichtungswaffen – chemischen, biologischen, nuklearen – oder einfach zu gewöhnlichem Terrorismus, bringe irgendeine Art Hitler in Beziehung dazu und verpflichte einige strategisch plazierte Presseleute. Plaziere die «Storys», dann greife sie so auf, als ob es sich um beunruhigende Nachrichten für dich handeln würde. Dann zitiere den Geheimdienst – dieses mystische Reservoir der «Weisheit», die der Elite vorbehalten ist (ähnlich wie die Gnosis der antiken mystischen Religionen) –, vertrauend darauf, dass die dummen Massen daran glauben werden, zumindest solange, bis die Sache erledigt ist und die «noblen» Lügen unausweichlich aufgedeckt sind. Man kann immer die Geheimdienste zum Sündenbock für alle Fehler machen. Sie können sich, von ihrem Wesen her, gegen diese Sündenbockrolle nicht zur Wehr setzen.
Möglicherweise will die von den Neocons geführte Regierung in Deutschland oder sonstwo etwas inszenieren, was als ein weiterer 9/11 dienen könnte. In seinem Buch «Universal Fascism» (1995) schrieb der prominente Neocon, Michael Ledeen (Er steht stark im Verdacht, in die Niger-Uran-Lügengeschichte verwickelt zu sein.): «Um seine letzten Ziele zu erreichen, muss der Führer auch das Reich des Bösen betreten. Das ist die faszinierende Einsicht, die Machiavelli so gefürchtet, bewundert und zu einer Herausforderung gemacht hat. Wir normalen Menschen sind schlecht […] Es ist wahr, dass wir nur dann Grösse erreichen können, wenn wir richtig geführt werden.»

Regimewechsel in den USA – jetzt!

Was ich an dieser Stelle als «saubere Führung» bezeichnen würde, wäre ein Ruf nach einem Regimewechsel in unseren Land, entweder durch ein Amtsenthebungsverfahren oder durch radikalere Methoden.
Es ist ein Wettlauf mit der Zeit, eine Schlacht um die öffentliche Meinung, die bislang einseitig von den Mainstream-Medien beeinflusst wurde, die sich dem neokonservativen Projekt ohne Würde unterworfen haben. Es gibt kein Gefühl, das stärker als die Angst ist, und die Bush-Regierung, die sonst überall so unbeholfen ist, nutzt diese Waffe mit ausserordentlichem Geschick. Im Gegensatz dazu nutzt die Friedensbewegung in ihrer besten Form den kritischen Verstand, Menschlichkeit und die Wahrheit. Wie mächtig auch immer die Lügen sind, die Wahrheit kommt schliesslich doch heraus.
Besser früher als später.

* Gary Leupp ist Professor für Geschichte an der Tufts University und Assistenzprofessor für Vergleichende Religionswissenschaften. Neben Büchern über die Geschichte Japans verfasste er eine Reihe von Artikeln über die Neocons und die völkerrechtswidrigen Kriege der USA.

Quelle : Zeit-Fragen vom 5.6.2006, www.zeit-fragen.ch