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"Saatgut-Konzerne wollen die Bauern abhängig machen"

Terminator-Technologie soll Monopol sichern. In Rumänien sind Gensaaten schon außer Kontrolle. Ein Gespräch mit Christoph Then.

Interview: Wolfgang Pomrehn * Christoph Then ist Gentechnikexperte bei Greenpeace Deutschland F: Greenpeace schlägt Alarm, weil das Europäische Patentamt in München kürzlich ein Patent auf die sogenannte Terminator-Technologie akzeptiert hat. Worum geht es? Dieses Verfahren zur Behandlung von Saatgut führt dazu, daß die Ernte steril ist, daß also der Samen, der aus der behandelten Saat wächst, nicht ausgesät werden kann. Diese Technologie dient dazu, den Verkauf von Saatgut besser zu kontrollieren. Saatguthersteller wollen damit verhindern, daß die Landwirte Saatgut aus ihrer eigenen Ernte verwenden, wie sie dies seit Jahrtausenden gemacht haben. Die Konzerne wollen die Bauern zwingen, das Saatgut jedes Jahr neu zu kaufen, und sie damit abhängig machen. F: Um welche Unternehmen handelt es sich? Viele Unternehmen verfolgen diese Politik, aber das fragliche Patent wurde von der US-Firma Delta & Pine angemeldet. Ähnliche Verfahren wurden zum Beispiel auch von der schweizerischen Firma Syngenta entwickelt. Andere Namen sind Bayer, Monsanto und Dupont. Zum Teil arbeiten diese mit Terminator-Technologie, zum Teil auch mit der Patentierung des Saatguts, die es ihnen ermöglicht, Lizenzgebühren zu erheben. In dem Fall müssen die Bauern unterschreiben, daß sie kein Saatgut aus der Ernte nehmen. F: Worauf erstreckt sich das Terminator-Patent? Sowohl auf das Verfahren, als auch auf das entsprechende, gentechnisch veränderte Saatgut. Allerdings ist strittig, ob letzteres zulässig ist. Die Patentierung von Pflanzen ist seit einigen Jahren erlaubt, jedoch sind Pflanzensorten, also Saatgut, ausgenommen. Das Patent für die Terminator-Technologie ist jedoch so abgefaßt, daß es auch das Saatgut umfaßt, was eigentlich nicht zulässig ist. F: Die Auseinandersetzung um die Patente hängt eng mit den Versuchen der Saatgut-Multis zusammen, gentechnisch veränderte Mechanismen auf den EU-Märkten einzuführen. Wie weit sind sie damit bisher gekommen? Es gibt verschiedene Zulassungen für den Import gentechnisch veränderter Lebensmittel, und es gibt auch einige Anbaugenehmigungen. Die Lebensmittelindustrie akzeptiert allerdings zur Zeit derartige Produkte nicht - sicherlich wegen der Ablehnung der Verbraucher. Die Landwirte sind sehr zögerlich, gentechnisch veränderte Pflanzen anzubauen; nennenswerten kommerziellen Anbau gibt es zur Zeit in der EU nur in Spanien. In Deutschland gibt es einige Flächen, auf denen Gen-Mais angebaut wird, der aber auf dem Markt keine Rolle spielt. Der einzige Bereich, in dem es bisher einen Durchbruch gegeben hat, sind die Futtermittel. Jedes Jahr werden mehrere Millionen Tonnen gentechnisch verändertes Soja importiert und an Nutztiere verfüttert. F: Geza Varagas vom ungarischen Kleinbauernverband warnte unlängst auf einer Konferenz von ATTAC, daß sich gentechnisch manipulierte Mais- und andere Sorten rasch in Rumänien ausbreiten würden und dadurch demnächst illegal in die EU gelangen könnten. Was wissen Sie darüber? In Rumänien sind die gentechnischen Saaten teilweise außer Kontrolle geraten. Wir haben illegalen Anbau von gentechnisch veränderten Kartoffeln und Pflaumenbäumen nachgewiesen. Der kommerzielle Anbau von Gensoja ist zwar genehmigt, aber höchstens die Hälfte aller Felder werden erfaßt, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist. Gentechnisch veränderte Organismen breiten sich in Rumänien also unkontrolliert aus, was selbst von ehemaligen leitenden Mitarbeitern der Firma Monsanto kritisiert wird. Diese hatte ihr Saatgut eingeführt, obwohl es an gesetzlichlichen Regeln und technischen Kontrollmöglichkeiten fehlte. Außerdem wurden die Bauern mit überteuerten Lizenzgebühren auf den schwarzen Markt gedrängt. Über Mais haben wir keine gesicherten Erkenntnisse, aber einiges deutet darauf hin, daß die Zustände ähnlich sind. Das Nachsehen haben die Bauern, denn sie sitzen nun auf ihrer Ernte, die sie zum Beispiel nicht an die EU-Lebensmittelindustrie verkaufen können. Auch die Nachbarländer bekommen natürlich Schwierigkeiten, wenn die Ausbreitung des Saatguts nicht mehr kontrolliert werden kann. Quelle: junge Welt vom 27.10.2005 Lesen Sie weitere interessante Artikel auf unserer News-Seite