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»Situation wie im Tschad«

Aufregung um Bericht vor den Vereinten Nationen über Recht auf Nahrung in palästinensischen Gebieten.

Harald Neuber Der Schweizer Soziologe und »Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für das Recht auf Nahrung« hat sich vier Monate Zeit gelassen. Am Dienstag dann stellte Jean Ziegler vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen seinen Bericht über die Ernährungslage in den von der israelischen Armee besetzten Palästinensergebieten vor. Ziegler zufolge stünde die dortige Bevölkerung am »Rand einer humanitären Katastrophe«. Die Israelis hätten ein »politstrategisches ›Apartheid‹-System« errichtet. Als direkte Folge dieser Politik seien 61 Prozent der Palästinenser »chronisch unterernährt«, 85 Prozent seien »total abhängig« von internationaler humanitärer Hilfe. Der Schweizer zog einen deutlichen Vergleich: Die Situation in den besetzten Gebieten sei genauso schlimm wie etwa im afrikanischen Tschad. Was sich im Gazastreifen und im Westjordanland abspiele, sei eine »versteckte Tragödie«. Während die Mehrheit der Delegierten und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen auf diese Zahlen mit Bestürzung reagierten, lief die israelische Delegation vor der Weltorganisation Sturm gegen den Bericht. Mit einem Schreiben an UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte die israelische Regierung bereits am 7. Oktober versucht, die Veröffentlichung des Berichtes zu verhindern. Dem Dokument zufolge habe Ziegler gegen in den UN übliche Arbeitsabläufe verstoßen und bereits vor Veröffentlichung des Berichtes Daten preisgegeben. In dem Protestbrief wurde die UN-Führung daher aufgefordert, Ziegler bis zum Ende seines dreijährigen Mandats als Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung keine weiteren Aufträge zu geben. Die in dem Bericht enthaltenen Informationen wurden nicht angefochten. Gegenüber internationalen Pressevertretern bezeichnete der so Kritisierte es am Dienstag bereits als Erfolg, daß der Bericht überhaupt den Weg in die Vollversammlung gefunden habe. Schon kurz nach seiner Rückkehr aus den Palästinensergebieten hatte Ziegler alarmierende Worte gefunden, die er nun in New York wiederholte: »Es gibt in der Region genügend Nahrung, aber durch die Besatzungskräfte wird den Menschen der Zugang zu ihr verweigert«. Daß die Reaktionen aus Jerusalem entsprechend scharf sein werden, so Ziegler am gestrigen Mittwoch im Gespräch mit junge Welt, »das hatte ich schon damals geahnt«. Er werde an der Arbeit aber weiter festhalten. Die barsche Reaktion aus Israel ist auch vor dem Hintergrund verständlich, daß Zieglers Report der dritte kritische Beitrag vor den Vereinten Nationen binnen weniger Tage ist. So hatte der Sonderberichterstatter für das Recht auf Obdach, Miloon Kothari, erst am 6. November die Methode der Hauszerstörungen durch die israelische Armee verurteilt. Nur zwei Tage später hatte der Sonderberichterstatter der UN-Menschenrechtskommission, John Dugard, die Lage in den besetzten Gebieten als »auch weiterhin sehr besorgniserregend« bezeichnet. Quelle: www.jungewelt.de; 13.11. 2003 Lesen Sie weitere interessante Artikel auf unserer News-Seite