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Sollen Antidepressiva ins Trinkwasser?

"Wohlfahrtsgewinn" durch flächendeckende Behandlung mit Antidepressiva.

Von Jens Holst

Eine Studie mit dem viel sagenden Titel "Kosten und Vorzüge direkter Verbraucher-Werbung" hat die Fachzeitschrift "Pharmaco Economics" in ihrer jüngsten Ausgabe (Bd. 25/6) veröffentlicht. Darin kommt der Gesundheitswissenschaftler Adam Block von der US-Universität Harvard zu dem Ergebnis, der Gewinn an Lebensqualität für jeden neu mit Antidepressiva behandelten Patienten sei 63 Mal so groß wie die anfallenden Therapiekosten.
Insgesamt sei es sogar ökonomisch gerechtfertigt, die gesamte US-Bevölkerung unbesehen mit entsprechenden Mitteln zu behandeln. Die flächendeckende antidepressive Behandlung aller Bürger schlüge mit einem Überschuss von umgerechnet 58 Millionen Euro zu Buche und führe damit zu einem unbestreitbaren "Wohlfahrtsgewinn".
Den Überschuss ermittelt der Professor aus Harvard an Hand so genannter qualitäts-adjustierter Lebensjahre (Qaly's), einer recht willkürlichen Umrechnung von Krankheiten und Behinderungen in kalkulierbare Kosten. Der so ermittelte Therapiegewinn auf Seiten der tatsächlich an Depression Erkrankten sei so überwältigend, dass sich die Behandlung der Nation rechnet, obwohl die Behandlung 15 Mal so viele Gesunde wie Depressive erfassen würde und praktisch nur einer von 20 neu mit Antidepressiva behandelten "Patienten" das Medikament wirklich brauchte.
Dabei gehören Psychopharmaka zu den meist gefürchteten Medikamenten mit erheblichen "Neben"-Wirkungen. Sie verursachen Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Magen-Darm-Probleme und auch sexuelle Dysfunktionen. Und ob wirklich schon jeder Säugling als Psychopharmaka-Verbraucher mitzählt, bleibt ebenfalls schleierhaft. Die Studie zeigt eindrücklich, welchen Unsinn auch renommierte Universitäten verzapfen, auf die deutsche Bildungspolitiker so gerne blicken.

Quelle: fr-online.de