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"Terrorismus ist Instrument zur Schwächung Rußlands"

Rußland sieht in der Terrorwelle gegen das Land eine Kriegserklärung, die darauf abzielt, nicht nur im gesamten Kaukasus einen "Flächenbrand" auszulösen, sondern die Russische Föderation auseinanderbrechen zu lassen.

Nach dem terroristischen Massaker in Beslan erklärte der russische Präsident Wladimir Putin, der gegen Rußland gerichtete Terrorismus sei "nur ein Werkzeug" und genieße die Rückendeckung "bestimmter politischer Kreise im Westen", die sein Land als nukleare Großmacht "schwächen wollen".

Mit dieser beispiellosen Erklärung vom 4. September, betonte Lyndon LaRouche, habe Putin eine unmißverständliche Warnung ausgesprochen. Wer die russische Geschichte kenne, der wisse, daß Rußland sich diesem Angriff auf seine Existenz nicht beugen werde, sondern "asymmetrisch" zurückschlagen werde. Man müsse sich nur an Napoleons Invasion und den Zweiten Weltkrieg erinnern. LaRouche verwies auf seinem Film Sturm über Asien aus dem Jahre 1999, in dem er vor der geopolitischen Destabilisierung des Kaukasus und Zentralasien gewarnt hatte.

In seiner Rede am 4. September zu dem schrecklichen Massaker in Nordossetien, bei dem mindestens 335 Menschen, davon 156 Kinder, getötet und über 700 Menschen verletzt wurden, zerriß Putin die von den Medien geschürte Illusion, der "internationale Terrorismus" sei sozusagen ein Ding an sich und verwies auf die Drahtzieher dahinter: "Einige Leute würden gerne ein saftiges Stück von uns [Rußland] abschneiden, andere helfen ihnen dabei. Sie tun das in der Annahme, Rußland als große Nuklearmacht stelle immer noch eine Gefahr für sie dar. Und deshalb müsse diese Gefahr beseitigt werden. Der Terrorismus ist natürlich nur ein Werkzeug zum Erreichen solcher Ziele."

Noch konkreter äußerte sich Putin am 6. September gegenüber ausländischen Journalisten und Rußlandexperten auf seinem Landsitz Nowo Ogarewo bei Moskau. Wie die Pariser Zeitung Le Monde am 8. September berichtete, betonte er: "Es besteht kein Zusammenhang zwischen der russischen Politik in Tschetschenien und der Geiselnahme in Beslan." Das Ziel des internationalen Terrorismus, der mehr oder weniger offen von ausländischen Staaten unterstützt werde, deren Namen der russische Präsident nicht nennen wollte, bestehe darin, Rußland von innen heraus zu schwächen, indem man seine Wirtschaft kriminalisiere und seine Auflösung betreibe, indem man im Kaukasus Separatismus fördere und die Region in ein Sprungbrett für Aktionen gegen die Russische Föderation verwandele.

Weiter heißt es in Le Monde: "Putin wiederholte die Anschuldigung, die er in verschleierter Form gegen westliche Länder gemacht hatte, die doppelzüngig seien. Auf der einen Seite versicherten ihre Führungen den russischen Präsidenten ihrer Solidarität im Kampf gegen den Terrorismus. Auf der anderen Seite unterhielten die Geheimdienste und Streitkräfte - 'die ihre Vorurteile aus dem Kalten Krieg nicht aufgegeben haben' [Zitat Putin] - Kontakte zu denjenigen, die die Weltpresse 'Aufständische' nennt. Warum sind diejenigen, die Bin Laden nacheifern, Terroristen, und die Leute, die Kinder ermorden, Aufständische? Wo ist die Logik, fragte Wladimir Putin, um dann die Antwort zu geben: 'Weil bestimmte politische Kreise im Westen Rußland schwächen wollen, so wie die Römer Karthago zerstören wollten.' 'Aber', fuhr Putin fort, 'wir werden dieses Szenario nicht zulassen.'"

Niemand sollte dem Irrtum verfallen, Putins Äußerungen seien nur eine emotionale Reaktion auf den Verlust an Menschenleben und die unglaubliche Grausamkeit der Geiselnehmer in Beslan. Auf einer Podiumsdiskussion am 8. September in Berlin betonte sein Sicherheitsberater Viktor Iwanow, Putin habe seine Worte "sorgfältig und genau gewählt", gestützt auf "objektive Informationen" und im vollen Bewußtsein der "äußerst empfindlichen" Natur des Sachverhaltes.

Tatsächlich läuft die westliche Unterstützung für "Separatisten" in Tschetschenien schon lange. Beteiligt waren daran u.a. Margaret Thatcher, Zbigniew Brzezinski und führende amerikanische Neocons in der Republikanischen wie Demokratischen Partei. Die Mitgliederliste des Amerikanischen Komitees für Frieden in Tschetschenien liest sich wie ein Who is Who der Neocons: Elliott Abrams, Kenneth Adelman, Frank Gaffney, Robert Kagan, William Kristol, Michael Ledeen, Richard Perle, Richard Pipes, Norman Podhoretz, Caspar Weinberger, James Woolsey, Alexander Haig, Zbigniew Brzezinski...

Bezeichnend für die allgemeine Reaktion in Rußland ist ein Kommentar der halbamtlichen Wirtschaftsnachrichtenagentur RosBusinessConsult (RBC) vom 7. September mit der Überschrift "Der Westen läßt Dschihadis auf Rußland los". In Formulierungen, wie man sie seit dem Kalten Krieg nicht mehr gehört hat, erhebt RBC den Vorwurf, unmittelbar vor der jüngsten Terrorwelle gegen Rußland - von der Sprengung zweier Flugzeuge und dem Bombenanschlag in Moskau bis zum Höhepunkt in Beslan - habe es ein Ultimatum aus dem Westen gegeben, den Kaukasus angelsächsischer Kontrolle zu überlassen:

"Einige Tage vor dem Beginn der Terrorwelle in Rußland, die hunderte Menschenleben kostete, haben mehrere äußerst einflußreiche westliche Massenmedien, die die Haltung des Establishments ausdrücken, Wladimir Putin persönlich gewarnt, Rußland müsse sich aus dem Kaukasus zurückziehen oder seine politische Karriere werde enden. Deshalb ging es, als der Präsident am Samstag von einer Kriegserklärung gegen Rußland sprach, nicht nur um sogenannten 'internationalen Terrorismus'... Eine Woche vor den ersten Terrorakten formulierte die autoritative britische Zeitschrift The Economist, die die Auffassungen des britischen Establishments ausdrückt, die Position des Westens zum Kaukasus und vor allem die Pläne der angelsächsischen Elite in sehr präziser Weise." RBC zitiert dann ausführlich aus dem Economist vom 19. August.

Weiter heißt es: "Die Ausführung einer solchen Serie koordinierter, hochprofessioneller Terrorangriffe wäre ohne die Hilfe qualifizierter 'Spezialisten' unmöglich." Es sei festgestellt worden, daß Personen aus dem Westen - u.a. aus Nichtregierungsorganisationen, die in Tschetschenien "humanitäre Hilfe" leisten - tschetschenischen Gruppen, die mit terroristischen Methoden gegen russische Soldaten vorgehen, militärische Unterstützung geliefert hätten.

Der tschetschenische Politiker Aslambek Aslachanow, ein Berater Putins, erklärte in einer Stellungnahme für RIA Nowosti: "Die Terroristen, die die Schule im nordossetischen Beslan in ihre Gewalt brachten, erhielten ihre Befehle aus dem Ausland", von Kreisen, die "seit mehr als einem Jahrzehnt gewaltige Anstrengungen unternehmen, Rußland auseinanderzubrechen".

Quelle: Dr. Jonathan Tennenbaum, aus der Neuen Solidarität Nr. 38/2004