Unberührbare Ministerien

Der britische Journalist Robert Fisk über die amerikanische Politik im Irak nach dem Sturz Saddams.

Bagdad. Iraks Aasgeier haben all das gestohlen und zerstört, was ihnen die Amerikaner, zu plündern und zu verbrennen erlaubten, und eine zweistündige Fahrt durch Bagdad zeigt deutlich, was die US-Amerikaner beabsichtigen, zu schützen. Nach Tagen der Brandstiftung und Plünderung ist hier eine kurze, aber aufschlussreiche Ergebnisliste. Die US-Truppen haben die Hände in den Schoß gelegt und es zugelassen, dass der Pöbel das Planungs-, das Bildungs-, das Bewässerungs-, das Handels-, das Wirtschafts-, das Außen-, das Kultur- und das Informationsministerium zuerst zerstörten und dann in Brand steckten. Sie unternahmen nichts, um Plünderer davon abzuhalten, unbezahlbare Schätze der irakischen Geschichte im Archäologischen Museum von Bagdad und im Museum von Mosul in Nordirak zu zerstören oder drei Krankenhäuser zu plündern. Auf der anderen Seite haben die Amerikaner Hunderte von Soldaten in zwei Ministerien stationiert, die unberührt und unberührbar bleiben, weil Panzer, gepanzerte Mannschaftswagen und Humvee-Jeeps innerhalb und außerhalb beider Institutionen postiert sind. Und welche Ministerien erwiesen sich als so wichtig für die Amerikaner? Warum? Das Innenministerium natürlich mit seiner großen Fülle an Informationsmaterial über den Irak und das Ölministerium. Die Archive und Aktenordner über Iraks größtem Besitz, seinen Ölfeldern; und was noch wichtiger ist, die riesigen Reserven sind in Sicherheit und einwandfrei, abgeriegelt von dem Pöbel und den Plünderern und sicher, um sie an die amerikanischen Ölgesellschaften zu verteilen, wie Washington es beinahe sicher beabsichtigt. Es wirft ein interessantes Spiegelbild auf die vermuteten Kriegsziele der Amerikaner. Sie waren darauf aus, den Irak zu "befreien", erlauben aber dem irakischen Volk sowohl die Regierungsinfrastruktur als auch den privaten Besitz von Saddams treuesten Anhängern zu zerstören. Die Amerikaner bestehen darauf, dass das Ölministerium ein entscheidender Bestandteil des irakischen Erbes ist und die Ölfelder "für die Menschen im Irak" treuhänderisch verwaltet werden müssen. Aber ist das Handelsministerium, das gestern erneut von einem kühnen Brandstifter angezündet wurde, nicht entscheidend für die Zukunft des Iraks? Sind das Kulturministerium und das Bewässerungsministerium, die immer noch heftig in Flammen stehen, nicht von entscheidender Wichtigkeit für die folgende Regierung? Die Amerikaner konnten auf 2000 Soldaten verzichten, um die Ölfelder in Kirkuk zu schützen, aber nicht einmal 200 einsetzen, um das Museum in Mosul vor einem Angriff zu bewahren. US-amerikanische Ingenieure prophezeiten mit ziemlicher Sicherheit, dass die Pumpen auf dem Ölfeld in Kirkuk "innerhalb weniger Wochen" wieder arbeiten werden. Gestern wurde viel von einer "neuen Haltung" der Amerikaner gesprochen. Panzer- und Infanteriestreifen tauchten plötzlich in den Straßen der Hauptstadt, in der überwiegend Menschen aus der Mittelschicht wohnen, auf und befahlen jungen Männern, die Kühlschränke, Möbel und Fernsehgeräte schleppten, ihre Beute auf dem Gehweg abzustellen, falls sie nicht in der Lage waren, zu beweisen, das die Gegenstände ihnen gehörten. Es war erbärmlich. Nachdem Regierungsgebäude, Computer, Archive im Wert von mehreren Milliarden Dollar zerstört wurden, halten die Amerikaner jetzt Jugendliche an, die Maultierkarren lenken, welche mit gebrauchten Stühlen beladen sind. Quelle: The Independent / ZNet 16.04.2003 Übersetzt von: Tony Kofoet Orginalartikel: "Untouchable Ministries"