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USA wollen deutschen 'Verrat' rächen

Donald Rumsfeld will die deutsche Wirtschaft schwächen, weil sich Deutschland gegen einen Irakkrieg stellt.

von Beaumont, Roseand und Beaver
The Observer / ZNet

Die USA planen, Deutschland zu bestrafen, weil es sich an die Spitze des internationalen Anti-Irakkriegs-Widerstands gestellt hat. Die USA wollen sämtliche Truppen u. Basen aus Deutschland abziehen u. die Kooperation auf militärischem wie wirtschaftlichem Gebiet einstellen. Dieser Schritt könnte die Deutschen Milliarden von Euros kosten. Der Plan wurde letzte Woche zwischen Pentagon-Offiziellen u. Militärchefs besprochen. Auftraggeber: Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Ziel des Plans soll es sein, der deutschen Wirtschaft "Schaden zuzufügen".
An Deutschland will man ein Exempel statuieren - Bestrafung für das, was von den US-Falken als Kanzler Schröders 'Verrat' betrachtet wird. Die Falken glauben, durch ein derartiges Exempel an Deutschland würden es sich andere Staaten, die ebenfalls vom Handel mit den USA extrem abhängig sind, in Zukunft genau überlegen, bevor sie sich gegen Amerika auflehnen. Dies als Folge eines wochenlangen, zunehmend wütend geführten Schlagabtauschs zwischen Rumsfeld u. den Deutschen, der darin gipfelte, dass Rumsfeld Deutschland u. Frankreich als irrelevanten Teil des "alten Europa" schmähte. Nun geht Rumsfeld aber noch weiter. Er will Deutschland unilateral Pentagon-Sanktionen auferlegen - einem Land also, das ohnehin mit schweren wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hat.
"Wir tun das nur aus einem einzigen Grund", so eine Quelle letzte Woche gegenüber dem 'Observer', "nämlich, weil wir die deutsche Wirtschaft schädigen wollen. Unsere Truppen geben etliche Millionen Dollars (dort) aus. Weshalb also ein Land unterstützen, das Nato und den Schutz, den wir ihm jahrzehntelang angedeihen ließen, mit derart unglaublicher Verachtung straft". Und eine andere Pentagon-Quelle: "Ziel ist es, den deutschen Handel u. Kommerz zu treffen. Es geht keineswegs nur darum, unsere Truppen und unsere Ausrüstung dort abzuziehen. Was wir planen, ist, Wirtschaftsverträge sowie mit Verteidigung zusammenhängende Vereinbarungen aufzukündigen".

Der Pentagon-Plan - sowie der Wortschatz, den Offizielle im Kreis um Rumsfeld gebrauchen -, schockiert insbesondere das US-Außenministerium. Dort ist man der Ansicht, Schikanen gegen Staaten, die sich weigern, der US-Linie zu folgen, würden den Antiamerikanismus weiter schüren. Und diejenigen europäischen Staaten, die bislang für eine UN-Resolution zur Authorisierung eines Kriegs waren, könnten sich auch noch von den USA entfremden.

Die deutsche Wirtschaft profitiert jährlich mit Milliarden von Euros an der 'US Army Europe' - eine Armee, die obgleich mächtig geschrumpft seit den Hochtagen des 'Kalten Kriegs', noch immer 42 000 Soldaten u. 785 Panzer stellt - das sind fast dreimal soviel Panzer, wie die britische Armee besitzt. Inzwischen sind viele US-Soldaten u. ein Großteil der Kampfausrüstung - einschließlich der Apache-Helikopter - an den Golf verlegt. Die deutsche Industrie ist dick im Geschäft mit der US-Präsenz. Betroffene Rüstungsfirmen wären beispielsweise der Raketenbauer Diehl, Aerospace- u. Rüstungsgigant EADS Deutschland, Waffenschmied Rheinmetall sowie der Fahrzeughersteller Krauss-Maffei-Wegmann. Daneben nicht zu vergessen das Kontingent der US-Airforce - etwa 15 000 Soldaten, verteilt auf die Basen Bitburg, Frankfurt a/M. u. Ramstein (liegt neben Frankfurt). Dessen Kommandeur gehört übrigens zum Oberkommando der Nato. Zur US-Airforce (Deutschland) gehören fast 60 F-16-Kampfbomber sowie ein Geschwader aus panzerknackenden A-10-Flugzeugen.

Rumsfeld u. sein Stab machen keinen Hehl aus ihrer Wut über Schröders "Verrat u. albernes Benehmen" im Hinblick auf Irak. Letzte Woche ließ Schröder einen französisch-deutschen Plan durchsickern, laut dem der Krieg mittels Erhöhung der Zahl der UN-Waffeninspektoren verhindert werden soll. Er ließ den Plan an Reporter durchsickern, noch bevor er seine amerikanischen Partner darüber informierte. "Nach diesem Vorfall stellt Deutschland keine ernstzunehmende Macht mehr dar", so eine der zitierten Quellen. "So darf man diplomatisch einfach nicht vorgehen, mitten in einer internationalen Krise". Und eine Diplomaten-Quelle sagt, Rumsfeld sei "extrem wütend auf Deutschland. Er ist ja ein Kraftmeier und scheint seine Sache ernstzumeinen".

Geht es nach den Plänen (Rumsfelds), wird Amerika seine Europa-Truppen in Länder weiter östlich verlegen - nach Polen, in die Tschechische Republik oder ins Baltikum. Diese Staaten haben die Linie der USA gegenüber Saddam Hussein ja alle vehement unterstützt. Wahrscheinlich ist aber, dass die Truppenstationierung insgesamt etwas reduziert wird - im Zuge einer neuen Prioritätensetzung des US-Militärs nämlich, die in Zusammenhang steht mit dessen langfristig u. vielschichtig geführtem Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Aber obgleich Rumsfeld ohnedies geplant hat, die US-Truppen nach einem Irak-Feldzug überall auf der Welt neu zu verlegen - aufgrund der neuen Bedrohungen bzw. um Geld zu sparen -, man darf den jetzigen Plan keinesfalls unterschätzen, denn er ist viel, viel weitreichender als die bislang diskutierten. In Zukunft könnte die Zahl jener Spezialeinheiten proportional extrem zunehmen, die man schnell überallhin verlegen kann. Eine vehemente Zunahme dieser Spezialeinheiten weltweit ist daher wahrscheinlich. Aber sollten die US-Truppen tatsächlich von seinem Grund und Boden wegverlegt werden, würde das Deutschland empfindliche finanzielle Einbußen zufügen. Schließlich schaffen die Militärbasen nicht zuletzt Arbeitsplätze vor Ort (von der Verwaltung bis zum Putzjob) u. kurbeln den Konsum von Milchprodukten u. Brot an.

Übersetzt von: Andrea Noll