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Versicherer fürchten die Mobilfunk-Risiken

Viele Konzerne verweigern Handy-Herstellern und Netzbetreibern Deckung für eventuelle spätere Gesundheitsschäden.

Von Martin Reim

Von Handys und Mobilfunk-Sendemasten geht elektromagnetische Strahlung aus. Bis heute wird von vielen befürchtet, dass diese Strahlen Menschen krank machen könnten. Einen wissenschaftlichen Beleg für diese These gibt es allerdings nicht.

Falls eine Gesundheitsgefährdung nachgewiesen werden sollte, könnte es zu Schadensersatz-Forderungen gegen Unternehmen kommen, die mit der Verbreitung solcher Strahlenfelder zu tun haben. Prinzipiell können Konzerne solche Risiken durch ihre Betriebshaftpflicht-Police abdecken.

Die Versicherung müsste dann eventuelle Zahlungen an Opfer oder deren Angehörige übernehmen. Allerdings schließen immer mehr Versicherungen derartige Risiken aus ihren Policen aus. Das berichteten auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung übereinstimmend Vertreter der beiden größten Versicherungsmakler der Welt, Marsh und Aon.

Asbest als Warnung

Diese Firmen kennen den Markt besonders gut, weil sie Verträge zwischen Versicherungen und der Industrie vermitteln. Georg Bräuchle, Geschäftsführer bei Marsh Deutschland, teilte mit, in den bereits beendeten Vertragsverhandlungen für das laufende Jahr seien diese Risiken "erstmals auf breiter Front" ausgeschlossen worden.

Insbesondere hätten Firmen, die sich mit Mobilfunk beschäftigen, keine Deckung mehr erhalten.Ein Sprecher von Aon Jauch&Hübener, der Deutschland-Repräsentanz von Aon, bestätigt dies. Das Bestreben, die Risiken elektromagnetischer Strahlung auszuschließen, gebe es schon seit längerem. Jetzt hätten sich "viele Versicherer erstmals durchgesetzt".

Welche Mobilfunk-Firmen hiervon betroffen sind, war am Dienstag nicht zu erfahren. Die Handy-Hersteller Siemens, Nokia und Motorola teilten mit, sie gäben zu Versicherungsfragen generell keine Auskunft.

Gleichlautend äußerten sich die Mobilfunkbetreiber T-Mobile und O2. Eine Sprecherin der Mobilfunk-Gesellschaft Vodafone Deutschland betonte allerdings, die Betriebshaftpflicht-Police ihres Hauses gelte auch für elektromagnetische Strahlung.

Ein Sprecher des deutschen Marktführers Allianz sagte, sein Haus versichere schon länger keinen Handy-Hersteller mehr gegen die Elektrosmog-Risiken. Bei Mobilfunk-Betreibern gebe es eine "Fall-zu-Fall-Betrachtung".

Der Allianz-Sprecher begründete die Skepsis damit, dass die gesundheitlichen Konsequenzen der elektromagnetischen Strahlung "nicht abschätzbar" seien. "Wenn sich irgendwann eine Gefährlichkeit nachweisen ließe, hätte das verheerende Wirkungen für die gesamte Versicherungsbranche."

Die Allianz besitze keine eindeutigen oder exklusiven Studien über eine Gesundheitsgefährdung durch die Strahlen. Man gehe lediglich nach dem branchenweit anerkannten Prinzip vor, dass unkalkulierbare Risiken nicht versicherbar seien.

Grund für die restriktive Haltung der Allianz beim Problem der elektromagnetischen Strahlung seien die Erfahrungen mit Asbest. Das Mineral, das jahrzehntelang am Bau zum Schutz vor Feuer eingesetzt wurde, galt lange als ungefährlich.

Dann wurde bewiesen, dass die Fasern Krebs erzeugen können. Seitdem müssen Versicherungen insbesondere in den USA Milliardensummen aufwenden, weil Produzenten und Verarbeiter von Asbest bei ihnen versichert waren.

Ein Branchenkenner erklärte, die harte Haltung der Allianz habe jetzt viele kleinere Versicherer zum gleichen Vorgehen ermutigt. Hintergrund des Schwenks sei, dass die Industrieversicherungen jahrelang Verlust gemacht hätten und nun mehr auf Profit achteten.

So schließe auch der HDI, der zu den größten Branchenvertretern gehört, mittlerweile bei Mobilfunk-Firmen die Elektrosmog-Risiken aus. Vom HDI gab es dazu keine Stellungnahme.

Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 28.01.2004