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Wie die USA und Großbritannien sich in die Wahl in der Ukraine einmischen

von John Laughland Es ist einige Jahre her, da wurde einer meiner Freunde von der britischen Regierung nach Kiew entsandt, um den Ukrainern etwas über das System der westlichen Demokratie beizubringen. Seine Schüler waren junge Reformer aus der West-Ukraine, die der konservativen Partei nahestanden. Sie präsentierten ihm ein 15-Seiten-Manifest mit Geschwafel, das keiner verstand. Mein Freund schlug ihnen sanft vor, ihre Wahlaussage auf einen einzigen wesentlichen Punkt zu konzentrieren. Für was entscheiden sie sich, fragte er sich gespannt. Einen Moment zogen diese Leute die Augenbrauen hoch, dann kam die ebenso lapidare wie nonchalante Antwort: "Alle Juden aus unserem Land vertreiben". In der West-Ukraine hat ein Mann seinen größten Rückhalt, der von den USA hartnäckig unterstützt wird. Sein Name: Viktor Justschenko. Amerika will den Ex- Premier als ukrainischen Präsidenten sehen. Ein regnerischer Morgen in Kiew. Ich treffe auf zwei junge Justschenko-Anhänger - zugedröhnte Skindheads aus Lvov. Beide sind Mitglieder der vom Westen unterstützten Jugendorganisation 'Pora', und beide sind Mitglied in der Unso, der 'Nationalen Selbstverteidigung der Ukraine'. Die Unso ist eine semi-paramilitärische Bewegung, deren Mitglieder es lieben, mit Ski-Masken, Käppi und Gewehr vor der Kamera zu posieren. Man stelle sich vor, Verrückte wie diese betätigen sich in irgendeinem anderen Land politisch - also nicht in der Ukraine oder im Baltikum - ein Aufschrei ginge durch die amerikanischen bzw. britischen Medien. Im Hinblick auf die ehemaligen Sowjet- Republiken gilt Pseudo-Nationalismus jedoch als anti-russisch und daher als demokratisch. Auf diesem ideologischen Hintergrund erklärt sich, daß sich die angelsächsische Berichterstattung über die ukrainische Wahl wie die Presseerklärung des US-Außenministeriums anhört. Man verkauft uns das Märchen vom tapferen belagerten Demokraten Justschenko bzw. vom jetzigen Premier Viktor Janukowitsch, der ein autoriäter Sowjet-Nostalgiker sei. Sämtliche Fakten, die gegen diese moralisierende Mär sprechen, unterdrückt man. So fand die Geschichte, daß Justschenko während des Wahlkampfs vergiftet worden sei, rege Verbreitung. Sie erzeugt die Vorstellung, die Regierung versuche, Justschenko loszuwerden. Keine Zeitung, weder in Amerika noch Großbritannien, brachte jenes Interview mit dem Chefarzt einer Wiener Klinik, in der Justschenko wegen seiner unerklärlichen Erkrankung in Behandlung war. Die Klinik hatte einen Report veröffentlicht, in dem sie erklärt, es gäbe keine Hinweise auf eine Vergiftung. Der Chefarzt sagt, nach Veröffentlichung des Reports sei er von Justschenkos Begleitern so unter Druck gesetzt worden - sie verlangten, daß er den Report ändert -, daß er Polizeischutz anfordern mußte. Immer wieder hört man im Zusammenhang mit der Wahl den Vorwurf, ausländische (Wahl-)Beobachter hätten eine Vielzahl von Regierungs-Verstößen registriert. Dies trifft jedoch ausschließlich auf so hochpolitische westliche Regierungsorganisationen wie die OSZE zu (eine Organisation, die berüchtigt ist, weil sie eigene Berichte fälscht; im übrigen stand das für die OSZE alles schon vor der Wahl fest). Und es trifft auf Pseudo-NGOs zu wie das 'Ukrainische Wählerkommittee' - eine Frontorganisation, die ausschließlich durch westliche Regierungsstellen und Thinktanks (insbesondere in den USA) finanziert wird. Das 'Ukrainische Wählerkommittee' ist ganz klar ein Verbündeter Justschenkos. Polit-Aktivisten solcher Organisationen können Englisch - wodurch es ihnen leichtfällt, die anglophonen westlichen Reporter zu manipulieren. Nicht berichtet wird über die Anschuldigungen der Gegenseite - Manipulationsvorwürfe gegen lokale Behörden der West-Ukraine, die auf Justschenkos Seite stehen. Russische Wahlbeobachter haben die Verstöße akribisch aufgelistet. Nachzulesen ist das alles allerdings nur in Rußland ebenso wie Beweise über rüde Einschüchterungsversuche gegen Wahloffizielle durch Justschenko-Anhänger. Die Berichterstattung ist so einseitig, daß Justschenko inzwischen als pro-westlicher Vertreter der freien Marktwirtschaft gilt. Dabei ist sein Revier, die West-Ukraine, wirtschaftliches Brachland. Janukowitsch andererseits wird als pro-russisch dargestellt, ein Statist. Dabei stand das Thema 'Deregulierung' im Zentrun seines Wahlkampfs. Unter Janukowitsch konnte die ukrainische Wirtschaft ein eindrucksvolles Wachstum verzeichnen. Kiew und andere Städte sind beträchtlich reicher und sauberer geworden. Einen Unterschied gab es allerdings zwischen den beiden Hauptkandidaten Justschenko und Janukowitsch, ein Unterschied, aus dem sich die Entschlossenheit des Westens erklärt, Justschenko ins Amt zu boxen. Dieser Unterschied heißt: 'Nato'. Während Janukowitsch erklärte, er sei gegen einen Nato-Beitritt der Ukraine, war Justschenko dafür. Der Westen will, daß die Ukraine Nato-Mitglied wird. Das würde Rußland geopolitisch schwächen. Zudem hätte man einen neuen großen Klienten-Staat, an den der Westen seine teuren Waffen verkaufen kann. Die Produzenten dieser Waffen finanzieren zu einem großen Teil die politischen Prozesse der USA. Janukowitsch versprach, er werde Russisch wieder zur zweiten Amtssprache machen - eine durchaus sinnvolle Maßnahme, in Anbetracht der Tatsache, daß die meisten Bürger der Ukraine ohnedies Russisch sprechen, in Anbetracht der Tatsache, daß Kiew die historische Wiege des christlichen Rußland ist und in Anbetracht der Tatsache, daß die derzeitige Rechtssprechung mehrere zehn Millionen Russen in der Ukraine zwingt, ihren Namen zu ukrainisieren. Auch der ständige künstliche Versuch, Ukrainisch als Landessprache durchzudrücken (das Ganze begann unter den Sowjets und wurde nach dem Fall des Kommunismus intensiviert), spielt eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, die russophonen Ukrainer Rußland zu entfremden. Und genau deswegen ist der Westen dafür. Quelle: The Spectator / ZNet 28.11.2004 Lesen Sie weitere interessante Artikel auf unserer News-Seite