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Die unbewaffneten Frauen des Gaza-Streifens haben die Führung im Widerstand gegen Israels neuesten blutigen Angriff übernommen.
Gestern im Morgengrauen hat die israelische Luftwaffe mein Haus bombardiert und zerstört. Der Angriff hatte mir gegolten, aber statt meiner wurde meine Schwägerin Nahla getötet, eine Witwe, die 8 Kinder zu versorgen hatte. Im selben Angriff beschoss israelische Artillerie ein Wohngebiet in der Stadt Beit Hanoun im Gaza-Streifen, bei dem 19 Personen getötet und 40 verletzt wurden. Viele der Getöteten starben in ihren Betten. Eine Familie, die Athamnas, verloren 16 Familienmitglieder; die Älteste, Fatima, war 70; die jüngste, Dima, ein Jahr alt; 7 der Opfer waren Kinder. Die Zahl der Todesopfer in Beit Hanoun ist in einer Woche auf über 90 angestiegen.
Dies ist Israels zehnter Einfall in Beit Hanoun, seit es seinen Rückzug aus Gaza angekündigt hat. Israel hat die Stadt in ein militärisches Sperrgebiet verwandelt, eine Kollektivstrafe für ihre 28 000 Einwohner. Seit Tagen ist die Stadt von israelischen Panzern und Truppen umringt und beschossen worden. Die gesamte Wasser- und Stromversorgung wurde abgeschnitten, und während die Zahl der Todesopfer weiter anstieg, wurden keine Ambulanzfahrzeuge hereingelassen. Israelische Soldaten drangen in die Häuser ein, sperrten die Familienmitglieder ein und positionierten ihre Scharfschützen auf den Dächern, die auf alles schiessen, was sich bewegt. Wir wissen immer noch nicht, was aus unseren Söhnen, Männern und Brüdern geworden ist, da alle männlichen Personen, die älter als 15 Jahre sind, am 2. November entführt wurden.
Sie wurden gezwungen, sich bis auf die Unterwäsche auszuziehen, in Handschellen gelegt und abgeführt.
Für eine Mutter, Schwester oder Gattin ist es nicht einfach zuzusehen, wie diejenigen, die man liebt, vor den eigenen Augen verschwinden. Vielleicht war es das, was mir und 1500 anderen Frauen half, unsere Angst zu überwinden und am 3. November die israelische Ausgangssperre zu überwinden – und einige unserer jungen Männer zu befreien, die in der Moschee belagert wurden, während sie uns und unsere Stadt gegen die israelische Militärmaschinerie verteidigten.
Wir standen der mächtigsten Armee in unserer Region unbewaffnet gegenüber. Die Soldaten waren vollbeladen mit den neuesten Waffen, und wir hatten nichts, nur uns gegenseitig und unsere Sehnsucht nach Freiheit. Nachdem wir die erste Barriere durchbrochen hatten, wurden wir zuversichtlicher, entschlossener, die erstickende Belagerung zu überwinden. Die Soldaten der sogenannten israelischen Verteidigungskräfte [Israeli Defence Force] zögerten nicht, auf unbewaffnete Frauen zu schiessen. Der Anblick meiner engen Freundinnen Ibtissam Yusuf abu Nada und Rajaa Ouda, die in einer Lache von Blut ihre letzten Atemzüge taten, wird mich für immer begleiten.
Später beschoss ein israelisches Flugzeug einen Bus, der Kinder in einen Kindergarten brachte. 2 Kinder wurden getötet, zusammen mit ihrem Lehrer. In der letzten Woche sind 30 Kinder gestorben. Wenn ich durch das völlig überfüllte Krankenhaus gehe, bricht es mir das Herz, die grosse Zahl von kleinen Körpern mit Narben und amputierten Gliedern zu sehen. Wir drücken unsere Kinder eng an uns, wenn wir zu Bett gehen, in der nutzlosen Hoffnung, sie vor israelischen Panzern und Kriegsflugzeugen beschützen zu können.
Aber als wären diese Besetzung und die kollektive Bestrafung noch nicht genug, sehen wir Palästinenser uns auch noch als Ziele einer systematischen Belagerung, welche die sogenannte freie Welt uns auferlegte. Wir werden ausgehungert und erstickt – als Bestrafung dafür, dass wir wagten, unser demokratisches Recht auszuüben und zu wählen, wer uns regiert und repräsentiert. Nichts lässt die Behauptung des Westens, Freiheit und Demokratie zu verteidigen, hohler werden, als das, was in Palästina geschieht.
Kaum hatte Präsident Bush sein Projekt zur Demokratisierung des Nahen Ostens angekündigt, tat er alles, was er konnte, um unsere werdende Demokratie abzuwürgen, indem er unsere Minister und Parlamentarier verhaftete. Dazu muss ich, ein gewähltes Mitglied des Parlamentes, mir noch westliche Verurteilungen dafür anhören, dass israelische Bomben mein Haus zerstört und meine Verwandten getötet haben. Als die Körper meiner Freundinnen und Kolleginnen zerfetzt wurden, war von denen, die auf dem Capitol Hill und in der Downing Street Nummer 10 behaupten, die Rechte der Frauen zu verteidigen, kein einziges Wort zu hören.
Warum sollten wir Palästinenser den Diebstahl unseres Landes, die ethnische Säuberung unseres Volkes, das Eingesperrtsein in gottverlassenen Flüchtlingslagern und die Verweigerung unserer grundlegendsten Menschenrechte ohne Protest und Widerstand akzeptieren müssen?
Die Lektion, die die Welt aus der letzten Woche in Beit Hanoun lernen sollte, ist, dass die Palästinenser niemals das Recht auf ihr Land, ihre Städte und Dörfer preisgeben werden. Wir werden unsere legitimen Rechte nicht für ein Stück Brot und eine Handvoll Reis aufgeben. Die Frauen von Palästina werden gegen diese ungeheuerliche Besetzung, die uns mit Waffengewalt, Belagerung und Aushungerung aufgezwungen wurde, Widerstand leisten. Unsere Rechte und die Rechte kommender Generationen sind nicht verhandelbar.
Wer auch immer Frieden in Palästina und in der Region haben will, richte seine Worte und Sanktionen an den Besetzer und nicht an den Besetzten, an den Aggressor und nicht an das Opfer. In Wahrheit liegt die Lösung in den Händen von Israel, seiner Armee und seinen Verbündeten – nicht in denen der palästinensischen Frauen und Kinder. •
Quelle: The Guardian, November 2006
* Jameela al-Shanti ist gewähltes Mitglied des Palästinensischen Legislativen Rates für die Hamas. Sie führte den Frauenprotest gegen die Belagerung von Beit Hanoun am 3. November an. (Übersetzung: Zeit-Fragen)
Die Wahrscheinlichkeit, dass Israels Regierung und Militär die Vereinten Nationen und das Internationale Recht weiterhin missachten wird, macht ein Eingreifen aller Bürger dieser Welt erforderlich, so wie damals gegen die Apartheid in Südafrika vorgegangen wurde. In den Vereinigten Staaten ist eine Bewegung entstanden, die finanziellen und wirtschaftlichen Druck auf Israel ausüben will.
Ein derartiger wirtschaftlicher Druck scheint notwendig zu sein, um Israels krasse Unverantwortlichkeit und verbrecherisches Handeln zu beenden und es damit zu hindern, sich selbst von innen heraus gemeinsam mit dem palästinensischen Volk zu vernichten. Internationale Nichtregierungs-Organisationen müssen palästinensischen Anwälten und Menschenrechtsaktivisten helfen, die Rechtsbrüche zu dokumentieren und sie internationalen Gremien und zuständigen juristischen Foren zur Kenntnis zu bringen, damit die Täter von Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen werden können.
Quelle: Bericht der jüdisch-amerikanischen Rechtsanwältin Gloria Bletter
Es gibt da so viele Verstösse gegen internationales Recht, welches die Menschenrechte einschliesst – insbesondere gegen die Genfer Konvention von 1949, die die Verhaltensweisen während eines Krieges und einer Besetzung regelt, aber auch gegen UN-Resolutionen und Berichte, so dass man kaum weiss, wo man beginnen soll. Die Rechte, um die es geht, umfassen das Recht zu leben, das Recht auf einen ausreichenden Lebensstandard, das Recht auf eine angemessene Wohnung, das Recht auf Bildung, das Recht auf die höchstmögliche physische und psychische Gesundheit, das Recht, nicht gefoltert zu werden und sich frei bewegen zu können.
Alle diese Rechte wurden von der israelischen Regierung missachtet. Die gesamte palästinensische Bevölkerung in den besetzten Gebieten wurde in unterschiedlichem Masse Opfer dieser Rechtsbrüche. Die Tatsache, dass diese israelischen Verhaltensweisen und Massnahmen den grössten Teil der Bevölkerung in diesen Gebieten in Mitleidenschaft ziehen, zeigt, dass es sich um eine systematische Politik der kollektiven Bestrafung handelt, die eindeutig eine Verletzung der Genfer Konvention ist.
Quelle: Bericht der jüdisch-amerikanischen Rechtsanwältin Gloria Bletter
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