Lichtkünstler mit Leib und Seele

Alfred Wolski: Wie der Künstler sein persönliches Leid in farbenprächtige, schillernde Schönheit transformiert und sich dadurch selbst von vielen menschlichen Fesseln befreit hat.

Licht. Das ganze Leben von Alfred Wolski ist auf das Licht ausgerichtet, im Materiellen wie im Geistigen. Schon früh macht er seine ersten intensiven Erfahrungen mit Licht – unfreiwillig im Gefängnis. Später dann ist es allein das Licht, das ihn davor bewahrt, an einem schweren Schicksalsschlag zu verzweifeln. Seit jenem bedeutungsschweren Tag hat die Faszination des Lichtes sein Wesen nicht mehr losgelassen.

Alfred Wolski ist schon als Kind eigenwillig: Mit fünf Jahren reißt er zum ersten Mal von Zuhause aus und bleibt viele Tage weg. Er lebt in den Ruinen des zerbombten Berlin, ganz alleine. Angst kennt er nicht, bloß Neugier. Der Junge kann nicht begreifen, weshalb sich sein Vater ständig betrinkt und als gebrochener Mann aus dem Krieg zurückgekehrt ist. Alfred fühlt sich wie im falschen Film. Die Schwermut in seiner Familie ist nicht sein Leben – also läuft er mehr als einmal davon.

1959 zieht die Familie von West- nach Ostberlin um. Die Mauer steht noch nicht und die DDR scheint dem zehnjährigen Alfred ein großes Abenteuer zu sein. Das wird sich jedoch bald ändern, denn Alfreds Freiheitsdrang muss früher oder später mit den Einschränkungen des kommunistischen Regimes zusammenstoßen. Wie sich zeigt, geschieht das eher früher: Ein misslungener Fluchtversuch in den Westen bringt dem fünfzehnjährigen Alfred Wolski sechseinhalb Jahre Haft in DDR-Gefängnissen und Stasi-Institutionen ein. „Damals habe ich meine ersten Begegnungen mit Licht gemacht“, erinnert sich Wolski heute, „indem man mir pausenlos Licht verabreichte oder lange Zeit gar keins.“

‘Ent-Selbsten’ nennt Wolski diese Form subtiler Folter, die keine körperlichen Spuren hinterlässt. „Man hat keinen Namen mehr, ist bloß noch eine Nummer. Die eigene Identität, der Rhythmus von Tag und Nacht sind ausgelöscht.“ Dort unten, in den tristen Kellern der Stasi, hat Alfred Wolski ein spirituelles Erlebnis, das er viel später im tibetischen Buddhismus beschrieben finden wird. „Ich habe erkannt, dass sie zwar meinen Körper einsperren können, aber niemals meinen Geist.“

Als Wolski aus der Haft entlassen wird, ist seine Sehnsucht nach Geborgenheit und Familie so groß, dass er mit einer Frau zwei Kinder zeugt. Doch mit der politischen Situation in der DDR kommt er noch immer nicht klar. Glücklicherweise darf er im Alter von dreiundzwanzig Jahren im Rahmen eines Austauschprogramms in den Westen zurückkehren.

So beginnt er 1972 nicht nur ein völlig neues Leben in Freiheit, sondern auch ein Studium des Maschinenbaus und der Werkstoffwissenschaften. „Was ich im Westen sah, gefiel mir aber auch nicht“, erzählt Wolski. „Die Menschen kamen mir alle wie Handelsvertreter vor. Egal, was ich reden wollte, es ging bei allen immer nur ums Geld und ums Geschäft. Selbst in Studentenkreisen waren die Begegnungen völlig beliebig und belanglos – oder aber extrem radikalisiert, als Folge der 68er-Bewegung.“

Wiener Künstlerluft schnuppern

An der Uni gerät ihm ein Manifest des Malers Otto Mühl in die Hand, der in der Wiener Praterstrasse eine Künstler-Kommune gegründet hat. „Was ich da las, hat so mit meinem Gefühl übereingestimmt, dass ich mein Studium abbrach und sofort nach Wien gefahren bin.“ Der Künstler und der Student finden auf Anhieb Gefallen aneinander und Wolski lebt für die nächsten drei Jahre in offener Gemeinschaft mit all jenen ‘schrägen’ Persönlichkeiten zusammen, die als ‘Wiener Aktionisten’ bekannt werden.

Heute betrachtet Wolski diese Phase seines Lebens als notwendigen Heilungsprozess, der viele Dinge zurückgebracht hat, die sonst durch die Tortur im Gefängnis verschüttet geblieben wären. „Damals wurde mein Inneres wieder geöffnet und ich selbst zurück ins Leben gestellt.“

Vielen Menschen jedoch ist die Kommune ein Dorn im Auge. Freie Sexualität, Gemeinschaftseigentum und dergleichen passen schlecht in die konsumorientierte bürgerliche Weltanschauung. „Das Gemeinschaftliche bringt keinen Profit“, philosophiert Wolski, „nur bei der Trennung ins Individuelle kann man jedem eine Waschmaschine verkaufen. Als wir zusammengezogen sind, haben wir einen Laden aufgemacht, weil wir plötzlich dreißig Waschmaschinen, dreißig Autos und Fernseher zu viel hatten – anfänglich konnten wir so unser ganzes Kunstprojekt finanzieren.“

Im Schoße dieser Kommune wird auch Alfred Wolski zu einem Aktionskünstler. Er darf mit diesen schillernden Persönlichkeiten leben, wird aber zu nichts gezwungen.Viele loten die unterschiedlichsten Grenzbereiche aus, was in der Öffentlichkeit häufig Unverständnis oder auch Neid auslöst. Wolski erkennt aber bald, daß solche Eskapaden nichts mit wahrer Persönlichkeit zu tun haben – das haben ihn die Stasi-Methoden und das Gefängnis gelehrt. „Mit zunehmendem Erfolg wurde die Idee dieser Kommune mit ihrem Kunstprojekt in meinen Augen immer stärker korrumpiert, weshalb ich diese Gruppe verlassen habe und auf meine eigene Suche gegangen bin“, erinnert sich Wolski. Doch etwas Kostbares nimmt er aus Wien mit, nämlich „eine wunderbare Frau, mit der ich heute noch zusammenlebe“.