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Amerikanischer Bombenterror

US-Soldaten töteten neun Kinder in Afghanistan.

Von Werner Pirker

Ein Afghane, der in Verdacht stand, zwei Arbeiter an einer Straßenbaustelle getötet zu haben, wurde am Sonnabend in der Provinz Ghasni von einem US-Kampfflugzeug angegriffen und nach offiziellen Angaben getötet. Mit ihm starben neun Kinder. Die hatte der Pilot entweder übersehen oder deren Tod bewußt in Kauf genommen. Das ist die amerikanische Art, "Krieg gegen den Terror" zu führen.

Bei dem getroffenen "Zielobjekt" habe es sich um einen "mutmaßlichen Terroristen" gehandelt, wurde von einem Armeesprecher mitgeteilt. Seine Schuld war also nicht erwiesen, als er hingerichtet wurde. Die Vollstreckung des Todesurteils erfolgte aus der Luft, weil es so am bequemsten ist. Das minimiert die Gefahr eigener Verluste. Daß die Zivilbevölkerung dabei extremen Gefahren ausgesetzt wird, ist der Preis, den die heroischen Kämpfer gegen den Terror andere bezahlen lassen. Die "bedauerlichen Irrtümer" häufen sich. Erst im November waren bei einem fünfstündigen Angriff der US-Luftwaffe auf ein Bergdorf in der Provinz Nuristan acht Zivilisten getötet worden. Im April traf eine lasergesteuerte 450-Kilogramm-Bombe in der Provinz Paktia ein Haus und tötete elf Unschuldige. 48 Menschen kamen im Juni 2002 ums Leben, als US-Bomber dummerweise eine Hochzeitsfeier ins Visier nahmen. Der asymmetrische Krieg der USA gegen wehrlose Staaten ist schon von seiner Konzeption her kriegsverbrecherisch.

Zwei Jahre nach der Vertreibung der Taliban aus Kabul ist das Land von einer "zivilisierten" Staatlichkeit noch weiter entfernt als zuvor. Mit der Nordallianz ist der Tribalismus ins Zentrum der Macht zurückgekehrt, was ein wirkliches Machtzentrum ausschließt. Die Paschtunen als die zahlreichste und am stärksten staatspatriotisch eingestellte Nation in Afghanistan wollen sich mit ihrem politischen Bedeutungsverlust nicht abfinden und verweigern der Besatzungsmacht, auch wenn sie in Gestalt des "Amerikaners" Karsai den Chef der Marionettenregierung stellen, die Zusammenarbeit.
Alle Versuche, ein integratives politisches Modell zu entwickeln, das Tradition und Moderne verbinden soll, sind bislang gescheitert. Denn ein solches kann nicht von außen transplantiert werden. Die wachsende Unruhe im Lande und die breite Ablehnung eines fremdbestimmten politischen Systems ist auch der Grund, warum die "Loja Dschirga" den Starttermin ihrer Verfassungsgebenden Versammlung auf unbestimmte Zeit verschieben mußte. Mit zunehmender Ungeduld werden die Besatzer immer brutaler. Das erleichtert die Rekrutierungsbemühungen der Taliban.

Das Land am Hindukusch hat schon einmal dazu beigetragen, den Untergang einer Großmacht wesentlich zu beschleunigen. Die USA scheinen daraus keine Lehren gezogen zu haben.

Quelle: junge Welt vom 08.12.2003