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BBC rechnet mit Premier Blair ab

Britische Sendeanstalt berichtet erneut über Manipulation von Geheimdiensterkenntnisse vor Irak-Krieg. Gründe für Angriff "zurechtgebogen"

Von Rainer Rupp

Der Chef von MI6, des britischen Auslandsspionagedienstes, habe Anthony Blair lange vor dem Krieg gewarnt, daß die Bush-Regierung sich die Gründe für den Angriff auf Irak "zurechtgebogen" habe, um so ihre politischen Ziele durchzusetzen. Dies behauptete am Montag abend die BBC in ihrer "Panorama"-Sendung, wie im Vorfeld der Ausstrahlung zu erfahren war. Damit hat der renommierte und bei der Bevölkerung hoch geschätzte Sender die nächste Runde im Kampf mit der Blair-Regierung über die Hintergründe des Irak-Krieges eröffnet. Die Auseinandersetzung hatte ihren vorläufigen Höhepunkt in der sogenannten Kelly-Affäre (um die Weitergabe brisanter Informationen durch einen Experten des Verteidigungsministeriums) gefunden, die zum Rücktritt von BBC-Generaldirektor Greg Dyke geführt hatte. Nun berichtete BBC, daß MI6-Chef Sir Richard Dearlove nach seiner Rückkehr von einer Sitzung in Washington neun Monate vor Kriegsbeginn Blair und einer ausgesuchten Ministerrunde erklärt habe, daß das Weiße Haus vom Krieg nicht mehr abzuhalten sei und "die Fakten und die Geheimdiensterkenntnisse um die Politik herum manipuliert" habe.

Wie erbärmlich die Faktenlage jedoch war, geht aus einem an Außenminister Jack Straw gerichteten Geheimdienstmemorandum vom März 2002 hervor, aus dem Panorama zitierte. Zugleich sagte der wegen des Irak-Krieges zurückgetretene ehemalige britische Außenminister Robin Cook, daß Blair damals entschlossen gewesen sei, der US-Regierung zu beweisen, daß "Großbritannien Washingtons engster Verbündeter" sei. Aber George Bush habe im Irak nicht Entwaffnung, sondern Regimewechsel verfolgt, und deshalb habe auch Blair "sehr genau gewußt, worauf er sich da eingelassen hatte". Folglich hätte der Premier "weder der britischen Bevölkerung noch den Labour-Abgeordneten die Wahrheit sagen" können und statt dessen stets die Entwaffnung Saddams als Kriegsgrund vorgeschoben, obwohl die britischen Geheimdienste im Irak keine Bedrohung sahen.

Daß sich der Londoner Regierungschef absichtlich und skrupellos über alle Zweifel seines eigenen Geheimdienstchefs hinweggesetzt hat, wurde ebenfalls von Panorama dokumentiert. Dearlove hatte Blair bezüglich der neuen und dubiosen Quellen in irakischen Exilantenkreisen nachdrücklich gewarnt. Aber der Premier log die desolate Nachrichtenlage der Geheimdienste einfach in die Superlative um, wie z. B. in seiner Rede vor dem Unterhaus am 24. September 2002, als er sagte: "Unsere nachrichtendienstlichen Erkenntnisse wurden in den letzten vier Jahren zusammengetragen und sie ergeben ein umfassendes, detailliertes und absolut verläßliches Bild."

Quelle: jungewelt.de vom 22.03.2005