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Nach fünfjähriger Besatzung und Terrorisierung des Irak durch US-Streitkräfte tritt die eigentliche Agenda des Kriegs nun endlich klar zu Tage: Die »New York Times« berichtete, dass vier internationale Ölmultis kurz vor dem Abschluss von Verhandlungen über eine Rückkehr in den Irak stehen – 36 Jahre nachdem der Irak die landeseigene Ölproduktion verstaatlicht hatte. Es ist nicht überraschend, dass die anglo-amerikanischen Ölgiganten hierbei eine beherrschende Stellung einnehmen. Selbst der französischen Ölfirma »Total« wurde ein kleiner Teil vom Kuchen zugestanden – nun wo das Land einen USA-freundlicheren Kurs eingeschlagen hat.
Der Angriff der US-Streitkräfte auf den Irak und die darauf folgende Besatzung des Landes, die von zukünftigen Historikern einmal als das »Waterloo Amerikas« als einzig verbliebene Supermacht auf dem Planeten bezeichnet werden wird, zielte einzig und allein aufs Öl ab – und zwar auf die globale Kontrolle des Öls, und mit ihr auf die Kontrolle der Weltwirtschaft.
Wie ich bereits in meinem Buch Mit der Ölwaffe zur Weltmacht detailliert ausführte, folgte die anglo-amerikanische Außenpolitik seit dem Ersten Weltkrieg einem fast unsichtbaren roten Faden mit dem Ziel, die weltweit verfügbaren strategischen Energiereserven unter ihre Kontrolle zu bringen – oder potenziellen Rivalen den Zugang zu ihnen zu verweigern. Das »Age of Petroleum«, das Zeitalter des Öls, wird von diesen privaten Ölinteressen beherrscht, mit tatkräftiger Unterstützung der Regierungen in Washington und London.
Scott McLellan, langjähriger Regierungssprecher von Präsident George W. Bush seit dessen politischen Anfängen in Texas, veröffentlichte vor kurzem seine Memoiren, in denen er unverblümt bestätigt, dass Bush das Volk belogen und die Nation in den Irakkrieg hineinmanipuliert hatte, wobei damals behauptet wurde, dass die Bürger der USA vor Terroranschlägen geschützt werden müssten, die Saddam Hussein mit seinen Massenvernichtungswaffen plane. Unglaublich und alarmierend im Zusammenhang mit den Enthüllungen von McLellan ist allerdings die Tatsache, dass seine Aussage und die sich aus ihr ergebenden Implikationen nur für einen Tag in einer kurzen Pressemitteilung zu finden und danach als Thema völlig von der Bildfläche verschwunden war.
Wie die New York Times nun bestätigt, befinden sich Exxon Mobil, Shell, BP und die französische Ölfirma Total – die ursprünglichen Partner der Iraq Petroleum Company, der irakischen Ölgesellschaft – zusammen mit Chevron und einer Reihe kleinerer Ölgesellschaften bereits in Gesprächen mit dem irakischen Ölministerium über die Vergabe von Verträgen – ohne vorherige Ausschreibung – zur technischen Sicherung der Förderung aus den größten Ölfeldern des Irak. Dies bestätigen sowohl irakische Ministeriumssprecher als auch Vertreter von Ölfirmen und ein US-amerikanischer Diplomat. Diese Abkommen legen den Grundstein für die ersten kommerziellen Dienstleistungsverträge des Irak mit ausländischen Firmen seit der Invasion durch die USA im Jahre 2003.
Verträge ohne öffentliche Ausschreibung sind ungewöhnlich. Das irakische Ölministerium berücksichtigte dabei nicht die Angebote von über 40 anderen Ölgesellschaften, darunter Firmen aus Russland, China und Indien. Ganz eindeutig wurde dieses Abkommen von Washington und nicht von Bagdad eingefädelt. Im irakischen Ölministerium sind immer noch US-amerikanische Berater tätig.
Die Verträge sollen für ein bis zwei Jahre gelten und zunächst von kleinerem Umfang sein. Von weit größerer Bedeutung dürfte dabei allerdings sein, dass diese Abkommen den beteiligten Ölgesellschaften eine nahezu konkurrenzlose Vorteilsposition bei künftigen Konzessionsverhandlungen verschaffen – in einem Land, von dem Experten ausgehen, dass es nach Saudi-Arabien die zweitgrößten Ölreserven der Welt birgt.
Die ausländischen Ölgesellschaften geben vor, sie würden dem Irak lediglich helfen, seine heruntergekommene Ölindustrie wieder aufzubauen.
Das von der irakischen Regierung erklärte Ziel, das mit der erneuten Einladung der alten Partnerfirmen verfolgt werden soll, sei die Erhöhung der Ölförderung um eine halbe Million Barrel pro Tag durch besseren Einsatz moderner Technologien und fachlicher Kompetenzen. Die Erlöse sollen in den Wiederaufbau fließen, obwohl die irakische Regierung schon früher Schwierigkeiten mit zielgerichteten Investitionen dieser Erlöse aus dem Ölgeschäft hatte – was zum Teil auf die ineffiziente Bürokratie zurückzuführen war.
Der Trick des Ölministeriums, Verträge ohne öffentliche Ausschreibung zu vergeben, ist ein Mittel zur Umgehung der »Pattsituation«, die dadurch zustande kam, dass das irakische Parlament sich bisher nicht auf ein neues, von den USA entworfenes Ölge set z verständigen konnte, wonach ein großer Teil der irakischen Ölindustrie privatisiert werden soll.
Platform, eine Forschungsgruppe der Ölindustrie, bemerkt dazu: »Gewöhnlich werden solche Dienstleistungsverträge mit Firmen abgeschlossen, die auf diesem Gebiet Spezialisten sind (...). Die großen Ölgesellschaften zeigen sonst eigentlich weniger Interesse an solchen Verträgen und ziehen es vor, in Projekte zu investieren, die ihnen Besitzanteile am geförderten Öl und damit potenziell höhere Gewinne zusichern. Die Erklärung dafür, dass sie es hier trotzdem tun, ist einfach und naheliegend: Für sie ist dieser Vorstoß ein Trittstein, ein Sprungbrett.«
Das irakische Ölministerium erklärt seine Auswahl der genannten Ölgesellschaften ohne vorherige Ausschreibung damit, dass es dieselben Firmen gewesen seien, die das Ministerium bereits seit zwei Jahren unentgeltlich beraten hatten, bevor die Verträge an sie vergeben wurden, und dass diese Firmen über das notwendige technologische Know-how verfügen würden.
So viel christliche Nächstenliebe seitens der Ölgiganten ist schlichtweg beispiellos – vor allem angesichts der Tatsache, dass ausländische Firmenmitarbeiter im Irak tagtäglich unter lebensbedrohlichen Bedingungen arbeiten und jederzeit mit Angriffen von Irakern rechnen müssen, die gegen die militärische Besatzung ihres Landes durch ausländische Streitkräfte sind.
Im September 1999 hielt Dick Cheney, damals Vorstandsvorsitzender der weltweit größten Ölproduktionsfirma Halliburton, in London eine Rede vor Vertretern der Ölindustrie, in der er die Erlangung privater Kontrolle über die staatseigenen Ölreserven des Mittleren Ostens ansprach und sie den »Prize«, den »Hauptgewinn« nannte.
Es war kein Zufall, wie es später auch Insider aus der Bush/Cheney- Admin istration bestätigten, dass ausgerechnet Cheney auf einen »präemptiven Krieg« gegen Saddam Hussein drängte, obwohl Hussein erwiesenermaßen keine Verbindungen zu Osama bin Laden oder den Terroranschlägen des 11. September 2001 hatte. Dieser seltsame Umstand führte bei vielen Beobachtern zu der Vermutung, dass es im Falle des Irak ausschließlich um die Wiedererlangung der anglo-amerikanischen Kontrolle über das Öl des Landes ging, denn die USA sahen in dem rasanten wirtschaftlichen Aufstieg von China und anderen Nationen Eurasiens eine zunehmende Bedrohung ihrer geostrategischen Position.
Jeder offizielle Vertreter einer westlichen Ölfirma, der in den Irak kommt, ist auf strengste Sicherheitsmaßnahmen angewiesen; die Ölgesellschaften sehen sich mit denselben logistischen Albträumen konfrontiert, die bereits frühere Anläufe zum Wiederaufbau der Ölinfrastruktur des Irak – oft mit erheblichem Kostenaufwand – erschwerten. Und die Arbeit in den Wüsten und Sümpfen, die den Großteil der irakischen Ölreserven beherbergen, wäre praktisch unmöglich, wenn sie nicht ausschließlich von irakischen Subunternehmen verrichtet würde, deren Mitarbeiter sich ihrerseits wegen ihrer Kooperation mit westlichen Ölfirmen ständigen Drohungen von Aufständischen ausge set zt sehen.
Der Irak ist nicht nur eines der wenigen Länder, in denen Ölreserven noch zu haben sind, sondern auch eines der wenigen, das nach Ansicht von Brancheninsidern ein beträchtliches Potenzial zur raschen Erhöhung der Produktion aufweist.
Die Internationale Energieagentur (IEA), die die Ölproduktion für die entwickelten Länder überwacht, geht davon aus, dass die Ölfördermenge des Irak kurzfristig auf etwa 3 Millionen Barrel pro Tag gesteigert werden könnte. Die Gesamtfördermenge betrug im letzten halben Jahr und darüber hinaus nur 2,5 Millionen Barrel täglich.
Die IEA schätzt, dass die Fördermenge nach Abschluss von Reparaturarbeiten an den bereits vorhandenen irakischen Ölfeldern innerhalb weniger Jahre auf etwa 4 Millionen Barrel pro Tag gesteigert werden könnte. Nach der Erschließung weiterer Felder wird erwartet, dass der Irak eine Maximalfördermenge von etwa 6 Millionen Barrel täglich erreichen wird.
Insgesamt 46 Ölgesellschaften, einschließlich der führenden Unternehmen Chinas, Indiens und Russlands, hatten dem irakischen Ölministerium Angebote unterbreitet und Absichtserklärungen formuliert, doch letztlich erhielt keine von ihnen einen Zuschlag.
Die ohne Ausschreibung geschlossenen Abkommen sind von ihrer Form her reine Dienstleistungsverträge: Die Unternehmen erhalten für ihren Arbeitsaufwand eine einmalige finanzielle Entschädigung; eine dauerhafte Förderlizenz für die Ölfelder wird ihnen nicht angeboten. Damit umgehen die Vertragspartner den momentanen »legislativen Stillstand« im irakischen Parlament hinsichtlich der Ausformulierung eines neuen Ölge set zes und sonst vorgegebener Bedingungen für öffentliche Ausschreibungen.
Die ersten Verträge für die großen Ölmultis im Irak bilden eine Ausnahme in der Ölindustrie. Sie enthalten eine Klausel, die es den Ölgesellschaften gestattet, große Gewinne zu den gegenwärtig sehr hohen Preisen einzustreichen: Das Ministerium und die Ölfirmen erwägen, die Bezahlung nicht in Geld, sondern in Öl vorzunehmen. Nach Angaben eines im Irak tätigen Managers einer großen Ölgesellschaft sieht ein Passus im jüngsten Vertragsentwurf vor, dass die beteiligten Ölgesellschaften die Option haben, mit Angeboten konkurrierender Firmen gleichzuziehen, so dass sie den Zuschlag erhalten und mit ihrer Arbeit auch nach Eröffnung einer Ausschreibung weitermachen können.
Assem Jihad, der Sprecher des Ölministeriums, sagte, dass das Ministerium diejenigen Ölgesellschaften ausgesucht habe, mit denen es schon im Rahmen der gemeinsamen Vorvereinbarungen für die gemeinnützige Zusammenarbeit gute Erfahrungen gemacht hatte. Auch deren technisches Know-how soll demnach eine entscheidende Rolle gespielt haben. »Deshalb haben sie den Vorzug erhalten«, so der Sprecher.
Doch einer ausländischen Ölgesellschaft, die zuvor schon unentgeltlich Dienste im Irak geleistet hatte, wurde ein solcher Vertrag ohne Ausschreibung verweigert – was die geopolitische Agenda hinter der zielgerichteten Auswahl bestimmter ausländischer Ölfirmen nur bekräftigt. Diese Ausnahme war das südirakische West-Qurna-Feld in der Nähe von Basra, wo die russische Ölgesellschaft Lukoil, die mit dem Irak noch in der Saddam-Hussein-Ära einen Vertrag über das Ölfeld ausgehandelt hatte, ein unentgeltliches Ausbildungsprogramm für irakische Ingenieure leitete. Statt Lukoil erhielt ein Konsortium aus Chevron und Total, die französische Ölgesellschaft, den Zuschlag.
Die kurdische Regionalregierung, die in vieler Hinsicht als eigenständige Entität im Norden des Irak agiert, hat ihrerseits eine Reihe von Abkommen geschlossen, u.a. mit der Hunt Oil Company aus Texas, der enge Verbindungen zur CIA nachgesagt werden.
Beachten Sie die Richtung der Ölpipelines, die den Irak nach Westen hin verlassen.
Und so befindet sich der Irak bald wieder unter Kontrolle anglo-amerikanischer Ölinteressen – eine geopolitische Situation, die bereits ein Hauptergebnis der Geheimverhandlungen bei der Konferenz von Versailles nach dem Ersten Weltkrieg war. Wie ich ebenfalls in Mit der Ölwaffe zur Weltmacht bereits ausführte, beraubten die britischen und französischen Siegermächte die Deutsche Bank ihrer Rechte, in Mesopotamien Öl zu fördern, und Deutschland des Wegerechts für eine Bahnverbindung Berlin–Bagdad (die »Bagdad-Bahn«) – einer der Hauptgründe, weshalb England im August 1914 zum »Großen Krieg« blies. Es scheint, als ob sich der historische Kreis schließt ...
Quelle: William F. Engdahl
Copyright: Kopp Verlag
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