Sie sind im News-Archiv der ZeitenSchrift gelandet.
Aktuelle Beiträge finden Sie im Bereich Aktuell.

Der Markt regelt nichts

Als genmanipulierte Futtermittel bezeichnetes Sojaschrot ist in Wirklichkeit gentechnikfrei. Weshalb die Kennzeichnungsgesetze den genmanipulierten Produkten einen Marktvorteil verschaffen.

Von Albrecht Kieser Derzeit werfen Futtermittelproduzenten Sojaschrot fürs liebe Vieh auf den Markt, das sie als genmanipuliert kennzeichnen. Es ist aber keine Spur von genmanipulierten Organismen drin. Mühsam wurde das gentechnikfreie Soja in Brasilien und anderswo angebaut, mühsam wurden alle Transportwege isoliert angelegt, um Verunreinigungen mit Gensoja zu verhindern, mühsam wurden die Ölmühlen geputzt und versperrt gegen genveränderte Produkte. Und dann wird gelogen, es sei ein von 70 Prozent der Bauern und Verbraucher abgelehntes Genprodukt. Das hat Greenpeace durch Stichproben herausgefunden. Nicht nur beim internationalen Großkonzern Bunge in Mannheim, sondern auch bei anderen Ölmühlen in anderen Bundesländern. Greenpeace wirft Bunge und den anderen vor, durch das falsche Etikett das Angebot für gentechnikfreies Soja künstlich zu verknappen und damit den Preis hochzutreiben. Nur 20 Prozent ihres gentechnikfreien Sojaschrots gelange korrekt etikettiert auf den Markt. Aber die Kritik von Greenpeace hat einen Haken. Sie unterstellt ein freies Spiel von Angebot und Nachfrage, Kapitalismus in schönster Marktunschuld sozusagen. Tatsächlich hat der Staat dem Futtermittelmarkt die Unschuld längst geraubt. Mit zwei Gesetzen, die vorgeblich im Interesse der Verbraucher gentechnikfreie Produkte schützen sollen. Am Beispiel Bunge und Co zeigt sich: Das Gegenteil ist dabei herausgekommen. Das erste Gesetz, es stammt aus Brüssel, schreibt seit April eine Kennzeichnungspflicht für gentechnische Nahrungsmittel vor. Aber es hat Fleisch, Eier und Milch von dieser Pflicht ausgenommen. Die Folge: Kein Landwirt kauft teurere gentechnikfreie Futtermittel, wenn er das produzierte Fleisch oder die Milch oder die Eier nicht mit einem Qualitätssiegel »gentechnikfrei« und einem entsprechenden Preisaufschlag verkaufen kann. Das zweite Gesetz, es kommt aus Berlin, macht gentechnikfreie Produkte teurer als genmanipulierte. Der Produzent gentechnikfreier Ware muß nämlich dafür zahlen, daß seine Produktlinie von Anfang bis Ende gentechnikfrei bleibt: durch Schutzmaßnahmen und durch teure Analyse. Das gilt für den Futtermittelhersteller und auch für die Bauern, die nicht Fleisch, Eier oder Milch, sondern Gemüse, Obst oder Getreide produzieren. Den Hersteller genmanipulierter Produkte schert das alles nicht. Er wirft sein Angebot auf den Markt ohne solche Zusatzkosten aus Schutzmaßnahmen oder Analysen. Billiger ist seine Genware, wenn auch nicht besser. So verschaffen die neuen Gentechnikgesetze aus Brüssel und aus Berlin den genmanipulierten Produkten einen Marktvorteil. Weil sie die Verursacherhaftung umdefinieren. Denn anstatt die Gentechnikindustrie und ihre Abnehmer durch eine Sonderabgabe an den Zusatzkosten derjenigen zu beteiligen, die zu Schutzmaßnahmen und Zusatzanalysen gezwungen sind, wird ihnen ein Freifahrtschein ausgestellt. Die genmanipulierende Saatgutindustrie muß überhaupt für nichts zahlen und ein Müller z.B., der Gensoja verarbeitet, nur, wenn er das saubere Soja seines Nachbarn verunreinigt und der Nachbar das beweisen kann. Doch zurück zu Firma Bunge und ihren Fälschungen. Bunge sagt, für das gentechnikfreie Soja wäre der Markt nicht groß genug. Die Landwirte scheuten den höheren Preis. Deshalb müsse man sauberes Soja zu Gensoja umdeklarieren; dann müsse man nämlich dafür auch kein Haftungsrisiko eingehen. Mag sein. Sicher allerdings ist: Gentechnikfreie Futter- und Lebensmittel werden mit den dazu beschlossenen Gesetzen nicht gefördert. Dazu müßte vom Soja bis zur Leberwurst jedes einzelne Genprodukt gekennzeichnet werden. Und zahlen müßte, wer Gentechnik in die Welt setzt. Nicht, wer sie vermeidet. Quelle: junge Welt Lesen Sie weitere interessante Artikel auf unserer News-Seite