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Im Krieg mit dem Satan

Ein kürzlich ernannter Staatssekretär im Pentagon sieht die amerikanische "Armee Gottes" im Kampf gegen das Böse: Christlicher Fundamentalismus gegen islamischen Fanatismus.

Von Florian Rötzer 17.10.2003 Bedenkliche Äußerungen gibt es nicht nur auf Seiten der Muslime, sondern auch auf Seiten der Amerikaner. Bekanntlich hatte US-Präsident Bush kurz nach dem 11.9. den angekündigten Krieg gegen den Terrorismus als "Kreuzzug" bezeichnet und dadurch das Bild eines Kampfes der Kulturen nahegelegt. Auch sonst nimmt Bush gerne Bezug auf die Religion, um zu erklären, dass seine Regierung und die USA im Auftrag Gottes handeln. Zwar wurde vom Weißen Haus immer wieder betont, dass man keinen Krieg gegen den Islam führe, aber dies wird doch von vielen Menschen, besonders von Muslimen, angenommen, zumal die Bush-Regierung gleichzeitig die Politik der israelischen Regierung immer wieder deckt. Erst kürzlich hat nun das Pentagon den Generalleutnant William Boykin zum Staatssekretär ernannt, der zuständig ist für Geheimdienstinformationen. Der Senat hat die Ernennung bestätigt. Boykin ist nicht nur persönlich ein gläubiger, zum Extremismus neigender Christ, sondern sieht sich offenbar auch beruflich im Dienste der Religion. So soll er letztes Jahr gemäß der Los Angeles Times in einer Baptistenkirche eine Rede gehalten und eine Reihe von Fotos gezeigt haben, die er in Mogadischu kurz nach dem Abschuss von Black-Hawk-Hubschraubern durch somalische Rebellen gemacht hatte. Er habe nach dem Entwickeln der Fotos einen seltsamen dunklen Schatten über der Stadt entdeckt. Ein Bildanalyst habe ihm gesagt, dass dies nicht vom Bild stammt, sondern real sei. Und so sagte der Veteran der Spezialeinheit Delta Force zu den Versammelten: "Das ist unser Feind. Das sind die Fürsten der Dunkelheit. Das ist eine dämonische Präsenz in der Stadt, die mir Gott als Feind offenbart hat." Zu anderen Gelegenheit hat er den Kampf mit dem muslimischen Warlord in Somalia dazu benutzt, den Kampf in eine für ihn richtige Perspektive zu rücken, was aber angesichts der Politik der US-Regierung eben die antiamerikanische Stimmung schürt, die in muslimischen Ländern weit verbreitet ist: "Ich wusste, dass mein Gott größer ist als seiner. Ich wusste, dass mein Gott ein wirklicher Gott war und sein Gott nur ein Idol." Im Juni hat er in einer Kirche Bilder von Bin Laden, Saddam Hussein und Kim Jung Il gezeigt und die Anwesenden gefragt, warum sie die Amerikaner hassen. Seine Antwort: "Die Antwort darauf ist, weil wir eine christliche Nation sind, weil unser Fundament und unsere Wurzeln jüdisch-christlich ist ... und der Feind ein Typ namens Satan ist." Boykins soll auch gesagt haben, dass Bush nicht durch eine Mehrheit der Wähler zum Präsidenten ernannt worden sei, sondern durch Gott. Überdies meinte er, dass er in der "Armee Gottes" diene. Im Irak gehe es um einen religiösen Kampf. Satan wolle diese Nation und die "Armee Gottes" zerstören. Diese in der Öffentlichkeit geäußerte Position, die offenbar in zahlreichen Videos dokumentiert ist, sei, so die Los Angeles Times, deswegen bedenklich, weil Boykin ein hohes Amt im Pentagon innehabe und zudem dafür verantwortlich sei, Informationen der Geheimdienste über Terroristenführer schneller zu den Kampfverbänden zu bringen, damit diese effektiver zuschlagen können. Ein Soldat, der sich auf einem christlichen Dschihad wähne, sei für einen solchen Posten nicht geeignet. US-Verteidigungsminister Rumsfeld suchte seinen Staatssekretär vor den Angriffen zu schützen. Er kenne zwar nicht die Videos und den "vollen Kontext", aber er sei ein ausgezeichneter Offizier. Präsident Bush habe die Haltung der US-Regierung wiederholt deutlich gemacht, dass der Krieg gegen den Terrorismus kein Krieg gegen den Islam, sondern nur gegen Menschen sei, die die Religion zu ihrer Geisel gemacht haben. Zudem gebe es die Meinungsfreiheit: "Es gibt viele Dinge, die von den Leuten als ihre Meinung gesagt werden, und das ist unsere Lebensweise. Wir sind freie Menschen, und das ist das Wunderbare an unserem Land. Und ich glaube, dass jeder, der herumrennt und denkt, dass er dies managen oder kontrollieren kann, falsch liegt." Schließlich meinte Rumsfeld noch, dass man der LA Times sowieso nicht trauen könne. Generalstabschef Richard Myers meinte, es gebe ein "sehr großes graues Feld, was die Vorschriften erlauben", er könne nicht sehen, wogegen Boykin verstoßen habe. Auch er habe in Uniform schon in Kirchen gesprochen. Man müsse erst genaueres wissen. Allerdings hat Boykin seine Reden oder Predigten auch im militärischen Rahmen bei Gebetsstunden gehalten. Auf Army-Seiten wurden sie festgehalten. So sprach er davon, dass der Feind nicht die Terroristen seien, sondern dass es um einen Kampf im spirituellen Bereich gehe. Die Belohnung für die Soldaten sei der Himmel. Schon im April ist Boykin deswegen aufgefallen, weil er damals als Kommandant des Trainingszentrums baptistische Pastoren nach Fort Bragg eingeladen hatte, um an einem Motivationskurs für Missionare im Rahmen der Kampagne Faith Force Multipliers teilzunehmen, die von seinem Freund, dem Rev. Bobby H. Welch, initiiert wurde. Welch sieht Missionare als Soldaten, die dann auch militärische Erfahrung haben sollten. Die Absicht wurde bekannt und Rechtsanwälte der Americans United beschwerten sich über diese Vermischung von Militär und Religion: "Es ist eine besonders schlechte Zeit inmitten des Kriegs mit einem muslimischen Land, dass die Armee so erscheint, als würde sie das Christentum fördern." Damals war es dann mit dem Übernachten auf dem Stützpunkt und mit der Teilnahme an Übungen von Spezialkräften für die Pastoren vorbei. Doch wenn Missionare Soldaten sind, können Soldaten natürlich auch Missionare und Kämpfer Gottes sein. Lesen Sie weitere interessante Artikel auf unserer News-Seite